Sonic Frontiers (Review)

Fünf lange Jahre waren es für Sonic-Fans, die seit dem letzten Hauptteil Sonic Forces vergangen sind. Mit Sonic Frontiers hat sich das Sonic Team großes vorgenommen und im Vorfeld selbstbewusst verlauten lassen, dass sie es sich zum Ziel gesetzt haben, Sonic auch bei Vielspielern jenseits der Fans der Reihe auf den Plan zu setzen. Mit einem gehörigen Schuss Open World-Designphilosophie und einer Abkehr vom Samstag-Vormittag-Cartoon-Feeling der letzten Sonic-Spiele startet Sonic also in sein neuestes Abenteuer.

Sonic, Tails, Knuckles und Amy fliegen zu Beginn des Spiels zu den Starfall Islands, denn mysteriöserweise haben die Chaos Emeralds sich selbständig gemacht und sind schnurstracks zu den Inseln geflogen. Dass es da nicht mit rechten Dingen zugehen kann, war Sonic und seinen Freunden gleich klar und in der Tat: Dr. Eggman hat mal wieder seine Finger im Spiel. Dieser wollte sich nämlich einer antiken Technologie auf den Inseln habhaft machen, ist dabei aber selbst in die Falle getreten und hängt seither im Cyberspace, einer digitalen Welt, fest. Auch Sonics Freunden ergeht es nicht besser und sie werden ebenfalls in der virtuellen Welt gefangen. Einzig Sonic entgeht vorerst diesem Schicksal und macht sich umgehen daran, seine Freunde zu retten und die Chaos Emeralds wieder unter Kontrolle zu bringen.

Die Spielwelt von Sonic Frontiers ist in zwei Teile geteilt, eine umfangreiche Oberwelt in Anlehnung an moderne offene Spielwelten, und den Cyberspace, in dem Sonic in insgesamt 30 klassischen Boostlevels strikt linear unterwegs ist. Mechanisch orientiert sich Sonic Frontiers weiterhin eng an dem erstmals in Sonic Unleashed etablierten Boost-Sonic-Konzept. Das heißt, dass Sonic mit einem begrenzt verfügbaren Boost auf Knopfdruck auf enorme Geschwindigkeiten beschleunigt werden kann. Der Boost wurde allerdings dieses Mal auf den rechten Trigger gelegt; der X-Knopf dient in diesem Spiel als Angriffsknopf.

In den Boost-Levels ist diese Änderung nicht bedeutend, denn hier ist der einzige Angriff, den man ausführt, die klassische Homing Attack, aber in der Oberwelt nimmt der Kampf insbesondere auch gegen deutlich stärkere Gegner als sonst üblich, einen deutlich größeren Raum ein. Die Spielmechanik fühlt sich sehr flüssig und spaßig an, wobei man anmerken muss, dass das neue (etwas weniger schnelle) Boostsystem in der Oberwelt etwas besser funktioniert als in den Cyberspace-Levels. Hier wäre es gut, wenn sich künftige Spiele entweder wieder stärker an den Vorgängern orientieren würden oder den schnelleren Boost der Oberwelt übernehmen würden. Nach einer kurzen Eingewöhnung geht die Steuerung in den Cyberspace-Levels aber gleichsam locker von der Hand.

Die Oberwelt in Sonic Frontiers ist voll auf Wahlfreiheit getrimmt, ohne aber so weit zu gehen wie beispielsweise The Legend of Zelda: Breath of the Wild und dem Spieler die ganze Welt auf einmal freizugeben. Stattdessen ist die Spielwelt in fünf voneinander getrennte Inseln unterteilt, die man nacheinander erkundet die sich auch ihrerseits im Spielverlauf entwickeln und neue Wege eröffnen. Der Spielfortschritt wird über drei wesentliche Sammelgegenstände strukturiert: Charaktertokens, mit denen man den Charakter der jeweiligen Insel – im Fall der ersten Insel Amy – versorgen muss. Diese Charaktertoken, an den markierten Stellen in der Spielwelt eingesetzt, initiieren die komplett deutsch verstonen Echtzeitvideosequenzen, mit denen die Geschichte vorangetrieben wird. Zahnräder, die gelegentlich von einfachen Gegnern und zuverlässig von Wächtern genannten Mini-Endgegnern hinterlassen werden, ermöglichen an den Cyberspace-Portalen den Zugang zu den Boost-Levels und Schlüssel, die man vor allem durch den Abschluss von Cyberspace-Levels – aber ebenfalls gelegentlich für das Besiegen kleiner Gegner oder das Aufdecken von Geheimnissen in der Oberwelt – erhält, ermöglichen es schließlich, auf der jeweiligen Insel die sieben Chaos Emeralds freizuschalten.

Hierdurch ist dem Spieler natürlich auf den ersten Blick viel vorgegeben, allerdings merkt man schnell, dass die Entscheidung, den Spielfortschritt an diese Sammelgegenstände zu binden, das Spiel sehr offen gestaltet. Da es für jeden Sammelgegenstand verschiedene Wege gibt, ihn zu finden, wird verschiedenen Spieltypen sehr umfangreich entsprochen. Egal ob man als Kämpfernatur vor allem gegen unzählige Gegner in der Oberwelt kämpfen möchte, die vielen kleinen Platformchallenges in der Oberwelt bestreiten möchte, lieber mit Big angelt oder im Cyberspace in Höchstgeschwindigkeit zum Ziel eilt, verschiedenste Spielweisen führen zum Erfolg.

Was mir sehr gut gefallen hat, ist, dass die Entwickler die Zielvorgaben so gewichtet haben, dass ein widerholungsarmes Spielsystem zum Erfolg führen kann. Ich habe in meinem Durchlauf drei Dinge priorisiert: Das Lösen aller Aufgaben, die die Spielkarte freilegen (und im Nebeneffekt auch neue Wege in der Welt freilegen), das Spielen aller Cyberspace-Level und das Besiegen eines Exemplars jedes Wächters. Das hat insgesamt sehr gut gepasst, so dass kein Grinding notwendig war, aber auch keine exzessiven Überschüsse an Ressourcen vorhanden waren. Diese Steuerung eines wiederholungsarmen Durchgangs mit hoher Ereignisdichte, ohne den Spieler allzu eng an einem festen Pfad durch das Spiel zu führen, misslingt einem Großteil der Open World-Spiele in meinen Augen. Die Partitionierung in fünf kompakte Inseln sorgt zudem dafür, dass die Erkundung auch mit einer guten Kenntnis der Spielwelt einhergeht.

Im Design der „Open Zones“, wie das Team um Takashi Iizuka den Open World-Ansatz von Sonic Frontiers nennt, sind die vielen in der Welt verstreuten Rails und Hüpfpassagen im ersten Eindruck ein wenig wirr dahergekommen. Die erste Demonstration hat mich etwas ratlos zurückgelassen und tatsächlich wirken diese Konstruktionen auf den ersten Blick sehr beliebig und unpassend. Im Verlauf des Spiels tragen sie aber sehr viel dazu bei, dass die Bewegung durch die Spielwelt immer interessant bleibt und gerade dadurch, dass neu hinzukommende Rails die Mobilität stark beeinflussen, wird die vermeintliche Schwäche in der Tat zu einer Stärke. Besonders die dritte Insel ist mit sehr stark durch ihre durchdachte Struktur in Erinnerung geblieben, innerhalb derer man immer mal wieder kräftig darüber nachdenken darf, wie man zu dem einen oder anderen Fleck mit dem begehrenswerten Sammelgegenstand gelangt.

Leider ist Sonic Frontiers aber nicht gänzlich immun gegenüber Open World-Stolperfallen. Zunächst einmal gibt es auf jeder Insel eine Hand voll Aufgaben, die nur in der Nacht erledigt werden können. Da es teileweise recht knifflig ist, bestimmte Punkte in der Spielwelt zu erreichen, ist dann gerne mal Warten angesagt. Und zwar im engsten Sinne, denn es gibt keine Möglichkeit, in Sonic Frontiers schnell in die Nacht zu wechseln, stattdessen muss man geduldig warten, bis es von allein Nacht wird. Dass die Nacht zudem deutlich kürzer ist als der Tag, kann zu zusätzlichem Frust führen. Die kleinen Rätsel, die man erledigen muss, um die Kartenabschnitte freizulegen, sind zwar durchaus spaßig, wiederholen sich aber konzeptuell schon recht oft, ohne sich ausreichend zu entwickeln. Schließlich gibt es auch noch ein obligatorisches Level-Up System zu beachten, das in drei Ebenen unterteilt ist.

Man kann einerseits kleine Steinwesen suchen, um damit wahlweise seine Geschwindigkeit oder seine Ringkapazität zu erhöhen, überall verstreute Fragmente der digitalen Dimension erlauben es, neue Angriffe im Pausemenü zu lernen und rote sowie blaue Samen dienen dazu, die Angriffs- oder Verteidigungskraft Sonics zu erhöhen. Dieses erstaunlich komplizierte System hat im Vergleich zu klassischen Skilltrees den Vorteil, dass der Spieler gezwungen wird, nicht alles auf eine Karte zu setzen, sondern die Fähigkeiten gleichmäßig zu erweitern. Allerdings führt das auch zu einer gewissen Unübersichtlichkeit.

Sehr ärgerlich ist in meinen Augen, dass man die Steinwesen, die man gegen Geschwindigkeit oder Ringkapazität eintauschen kann, nur Levelweise eintauschen kann. Hierzu muss man also für jedes einzelne Level-Up mit einem Ältesten irgendwo auf der Insel sprechen. Da beide Attribute bis Level 99 aufgelevelt werden können, kann also schon einiges an Zeit vergehen, die man mit Auflevelgesprächen zubringt. Hier wäre ein schnelleres Menü, in dem man im Bulk die Level-Ups verteilen kann, klar zu bevorzugen gewesen.

Technisch ist Sonic Frontiers auf der Xbox Series X – sofern man daran denkt, das Spiel im Optionsmenü umgehend auf 60fps statt auf maximale Auflösung umzustellen – gelungen. Die 60 Bilder in der Sekunde werden bombenfest gehalten und sorgen dafür, dass die hohe Spielgeschwindigkeit optimal herüberkommt. Die Cyberspace-Level wissen zudem auch optisch mit knalligen Farben und vielen Details sehr zu überzeugen. Die Inseln selbst hingegen sind meines Erachtens etwas zu detailarm und trist gestaltet, tragen dafür aber die melancholische Stimmung des Spiels gut. Allerdings wird Sonic Frontiers über alle Plattformen hinweg von massiven Pop-Ups geplagt und der Regeneffekt, der gerade in der Einführungssequenz aus nächster Nähe gezeigt wird, ist nach wie vor erschreckend schwach. Auf Xbox One X (und sicherlich auch auf noch schwächeren Plattformen wie der Switch) läuft Sonic Frontiers hingegen leider nur mit 30fps, die anders als die 60fps auf der Xbox Series X auch nicht ganz gleichmäßig erreicht werden, so dass das Spiel ein leichtes Stottern aufweist. Das ruiniert das Spiel nicht gleich, aber es schadet der Spielerfahrung doch ein gutes Stück weit, denn eine flüssige Bewegung ist in einem Highspeed-Spiel durchaus wichtig.

Wer kann, spielt Sonic Frontiers also auf Xbox Series X oder PlayStation 5. Schade für Xbox Series X-Besitzer: Auf der Disc ist nur die Xbox One-Version des Spiels enthalten; möchte man die Series X-Version spielen, muss man diese via Smart Delivery-Upgrade herunterladen. Da Sonic Frontiers mit 22 GB eigentlich klein genug wäre, dass mit einem überschaubaren Aufwand beide Fassungen auf die Disc passen würden, ist das ein kleines Ärgernis für Xbox-Spieler.

Sonic Frontiers ist ein durchweg spaßiges 3D Jump & Run, das trotz offener Spielwelt nicht mit dem häufigen Open World Problem der massiven Streckung durch lange, ereignislose Wege daher kommt. Meines Erachtens sind die spielerischen Highlights aber weiterhin die rasanten Cyberspace-Level, die zwar teilweise auf alten Designs beruhen, diese aber im Kontext von Boost-Sonic gelungen neu interpretieren. Besonders Cyberspace Level 1-7, das City Escape neu interpretiert, hat mich frühzeitig begeistert.

Vielen Dank an Plaion und Sega für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Xbox Series X und Xbox One X.