Sonic Unleashed (Xbox 360 / PlayStation 3, Review)

Nach dem katastrophalen Start auf Xbox 360 mit Sonic the Hedgehog hat Sonic Team seine Vorzeigemarke neu denken müssen. Statt das Spiel mit immer weiteren spielbaren Charakteren vollzupacken und sich in wenig ausgearbeiteten Spielmechaniken zu verlieren, hat sich das Studio auf zwei Spielweisen, die auch noch beide mit Sonic verknüpft sind, konzentriert. Nebenbei hat man sich außerdem offenbar von der Nintendo DS-Subreihe Sonic Rush vom Entwicklungspartner Dimps inspirieren lassen und Sonic einen Boost gegeben. Kann die Neuinterpretation der Sonic-Formel dreizehn Jahre später noch überzeugen?

Sonic Unleashed beginnt ungewohnt mit einem Kampf zwischen Dr. Eggman und Super Sonic. Dieser Kampf wird in einer Rendersequenz dargestellt und endet gleichfalls ungewohnt, denn Sonic verliert den Kampf durch eine List. Eggman nimmt Sonic in einer Maschine gefangen, die ihm und den Chaos Emeralds die Kraft absaugen und Sonic in einen wuscheligen Werigel verwandelt. Zurück auf der Erde, die Eggman kurzerhand in mehrere einzeln in der Luft schwebende Stücke zersprengt hat, stellt sich heraus, dass Sonic nur des nachts in Wolfsgestalt durch die Gegend laufen muss. Tagsüber ist er ganz der Alte. Unterstützt von einer Zufallsbekanntschaft namens Chip macht sich Sonic auf, die Erde wiederherzustellen und Eggman in seine Schranken zu verweisen. Die Geschichte wird immer mal wieder in Rendersequenzen oder in Echtzeitsequenzen vorangetrieben. Zwar ist der Plot an sich nicht sehr geistreich, aber es gibt durchaus einige ganz amüsante Szenen zu sehen.

Spielerisch unterteilt sich das Spiel in zwei wesentliche Phasen. So gibt es eine Oberwelt, die dieses Mal aber klar in Einzelregionen gegliedert. Dadurch hat man, im Gegensatz zu Sonic the Hedgehog (2006) keine Orientierungsschwierigkeiten, wenn man dem Hauptpfad durch das Spiel folgen möchte, und die Zusatzmissionen, die in der Oberwelt verteilt sind, sind ebenfalls mit überschaubarem Aufwand zu finden und zu erledigen. Die zweite wesentliche Phase sind die Level des Spiels. Jede Welt bietet ein Hauptlevel für den Igel und ein Hauptlevel für den Werigel, zusätzlich gibt es aber noch kürzere Zusatzlevel in jeder Welt, sowohl für den Werigel als auch für den Igel, die teilweise experimentelle Ideen explorieren.

Bei den Sonic-Levels hat Sonic Team das Tempo deutlich forciert. Erstmals in einem 3D-Titel verfügt Sonic über einen Boost, der in Sonic Unleashed noch sehr großzügig aufgeladen wird, wann immer man einen Gegner besiegt oder Ringe sammelt. Geübte Spieler können jedes Sonic-Level nach maximal wenigen Schritten zu Beginn komplett durchboosten. Allerdings muss man hierzu schon äußerst schnelle Reflexe haben und sie visuellen Hinweise der Sonic-Serie internalisiert haben, denn Sonic Unleashed ist nicht nur das bis heute schnellste Sonic-Spiel, sondern ist zudem auch recht streng in seinem Leveldesign. Fehler werden in den späteren Levels in den meisten Fällen mit dem Tod bestraft und auch wenn die Rücksetzpunkte meist recht großzügig sind, kann das, wenn man ungeübt allzu rücksichtslos drauflos boostet, schnell frustrierend enden. Die vielen alternativen Pfade, die Sonic Generations später mit der Formel kombiniert hat, bietet Sonic Unleashed nicht. Stattdessen gibt es aber zu jeder Welt einen Downloadinhalt, der unter anderem eine schwierigere Version der Hauptlevel enthält, die selbst Serienfans auf die Probe stellen.

Das Leveldesign in den Sonic-Levels ist meines Erachtens das beste der 3D Sonic-Spiele. Die Level sind abwechslungsreich, sehr gut durchchoreografiert und intensiv. Sie sind lang, ohne exzessiv zu sein, mit Ausnahme vielleicht vom letzten Hauptlevel, Jungle Joyride. Schließlich sind die S-Ranks in den Sonic-Levels besonders schwierig zu erreichen, da zwei Faktoren gleichermaßen sehr wichtig für das Ranking sind: Die Ringe, die man ins Ziel bringt und die Zeit, die man benötigt, um das Ziel zu erreichen. Da man bei einem einzelnen Treffer alle seine Ringe verliert, bedarf ein S-Rank also einen sehr zügigen Durchlauf möglichst ohne einen einzigen Fehler.

Der Werigel ist im Gegensatz zu Sonic nicht auf maximale Geschwindigkeit optimiert, sondern stellt genaues Plattforming mit einem Hauch Prince of Persia-Akrobatik und Kämpfe mit einem an God of War erinnernden Kampfsystem in den Mittelpunkt. Der Werigel muss sich durch viele kleine, aber auch mittelgroße und richtig große Gegner kämpfen und bisweilen haarige Balanceakte über den Straßen dieser Welt vollbringen. Beim Kampfsystem gibt es ein interessantes Risiko-System. So kann man einen Spezialangriff starten, sobald man die Hälfte der Lebensenergie eines Gegners, der mindestens mittelgroß ist, aus ihm herausgeprügelt hat. In einem schnellen Quick Time Event (QTE) kann man den Gegner mit diesem Angriff in einem Schlag besiegen. Allerdings hängt die Zeit, die man zum Drücken der einzelnen Knöpfe des QTE hat, davon ab, wie viel Energie der Gegner noch hat. Je leerer die Energieleiste, desto mehr Zeit bleibt für jeden Knopfdruck. Scheitert man beim QTE, verliert man selbst Energie und der Gegner regeneriert ein wenig Energie. Da dieser Spezialangriff sehr viele Zusatzpunkte gibt, ist es für einen S-Rank essentiell, dass man den Spezialangriff möglichst geschickt einsetzt und bedacht handelt, wenn man sich mit den Gegnern rauft. Meines Erachtens ist der Werigel besser als die alternativen Spielformen der Sonic Adventure-Spiele und Sonic the Hedgehog (2006), fällt in Sonic Unleashed aber dennoch negativ auf, einfach weil er die Zeit zwischen zwei der Adrenalin-treibenden Sonic-Level verlängert. Leider werden die Werigel-Level auch recht schnell einfach ein wenig zu lang, so dass man bei der S-Rank-Jagd bei jedem Fehler viel Zeit verliert und beim einfachen Durchspielen merklich mehr Zeit mit dem Werigel zubringt als mit Sonic.

Ein Aspekt, der Sonic Unleashed noch beim einfachen Durchspielen belastet, sind die Medaillen. In jedem Level kann man Sonnen- und Mondmedaillen sammeln. Diese Medaillen werden benötigt, um neue Level freizuschalten. Anfangs sind die Zielmengen sehr niedrig, so dass das nicht weiter ins Gewicht fällt, aber wenn man Sonic Unleashed einfach nur einmal durchspielen möchte, wird es wahrscheinlich etwa in der Mitte des Spiels passieren, dass man zu wenige Medaillen hat, um weiterzuspielen. In den Werigellevels ergeben die Medaillen durchaus spielerisch Sinn, aber in den Sonic-Levels ist der Erkundungsaspekt, mit dem die Medaillen verbunden sind, eigentlich nicht gut mit der hohen Spielgeschwindigkeit kombinierbar.

Optisch ist Sonic Unleashed ziemlich eindrucksvoll, was auch daran liegt, dass Sonic Team extra für dieses Spiel eine neue Engine geschrieben hat, die bis heute für 3D-Sonics verwendet wird und ein sehr flexibles Beleuchtungssystem bietet. Ein großes Problem, das daraus resultiert, ist aber, dass die Framerate auf 30 Bilder in der Sekunde limitiert ist und diese auch nicht immer hält. Insbesondere das bereits angesprochene Level Jungle Joyride hat in der Hinsicht massive Probleme und fällt stellenweise auf etwa 10 Bilder in der Sekunde ab. Auf der PlayStation 3 ist das Spiel nicht auf 30 Bilder in der Sekunde limitiert, ist aber im Schnitt noch niedriger aufgestellt als auf der Xbox 360 und ruckelt dadurch noch heftiger. Allerdings gibt es seit kurzem eine äußerst erfreuliche Lösung: Dank der Abwärtskompatibilität der Xbox One und Xbox Series konnte zunächst die Framerate insgesamt deutlich stabilisiert werden, jetzt ist es aber sogar so, dass Sonic Unleashed auf der Xbox Series mit 60 Bildern in der Sekunde läuft, was gerade in Anbetracht der hohen Spielgeschwindigkeit Gold wert ist. Gewohnt hervorragend ist auch wieder der Soundtrack von Sonic Unleashed. Jedes Level hat ein klasse Musikstück in einer Tag- und Nacht-Variante. Dabei wird bei der Tag-Version eher ein rockiger Ton angeschlagen und bei der Nacht-Version Jazz-Klänge geboten.

Sonic Unleashed (Xbox 360 / PlayStation 3) ist ein rasantes, anspruchsvolles und durchdacht designtes Spiel, das meines Erachtens zu den besten Spielen seiner Generation gehört. Allerdings kann das Spiel für ungeübte Spieler auch leicht frustrierend werden und das Potential des Spiels entfaltet sich leider erst gänzlich, wenn man sich auf die S-Rank-Jagd begibt. Für die meisten Spieler dürften also Sonic Generations und Sonic Colours die bessere Wahl sein, auch wenn Sonic Unleashed wohl das sorgsamste Leveldesign der Boost-Sonics hat.

Getestet auf Xbox 360 und PlayStation 3.