Sonic Forces (Review)

Nachdem Sonic einige Jahre ausschließlich auf Nintendo-Systemen unterwegs war, feierte er 2017 mit Sonic Forces und Sonic Mania sein verspätetes Debüt auf Xbox One und PlayStation 4. Angelehnt an das Konzept von Sonic Generations, aber durchaus mit eigenen Akzenten sollte Sonic Forces zum Budgetpreis punkten. Sonic-Fans hatten aber durchaus ein wenig Grund zur Skepsis, denn mal wieder hat Sega das Spiel um einen weiteren spielbaren Charakter mit eigenen Mechaniken erweitert: Den selbstgebauten Avatar. Ob das gutgegangen ist?

Sonic Forces macht inhaltlich vorerst Schluss mit den eher fröhlichen Grundstimmungen der letzten Sonic-Spiele und schließt in Sachen edginess beinahe nahtlos an die Sonic Adventure-Spiele und Shadow the Hedgehog an: Dr. Eggman hat mit seiner militärischen Übermacht die Weltherrschaft an sich gerissen und Sonic und seine Freunde organisieren mit Guerilla-Aktionen den Widerstand aus dem Untergrund heraus. So ziemlich alle Charaktere aus dem Sonic-Universum, ob berühmt, wie Tails und Knuckles, oder weitgehend unbekannt wie Vector das Krokodil, sind in den Storysequenzen mit an Board; spielen kann man allerdings nur Sonic, Classic Sonic und Avatar. Die Geschichte des Spiels wird, anders als man es von der Serie normalerweise kennt, nicht vorrangig in imposanten gerenderten Sequenzen erzählt, sondern in erster Linie in statischen Texteinblendungen, oftmals gar vor dem Levelauswahlbildschirm. Begleitet werden die Texteinblendungen allerdings durchaus noch von einer vollständigen, wahlweise deutschen oder englischen, Sprachausgabe. In Sachen Präsentation hat Sega hier also durchaus gespart, das gilt allerdings nur für die Story-Sequenzen.

Die Level selbst sind effektvoll und mit viel Liebe zum Detail umgesetzt, ohne dabei die Performance zu gefährden. Auf der Nintendo Switch läuft Sonic Forces mit stabilen 30, auf Xbox One und PlayStation 4 mit 60 Bildern in der Sekunde, allerdings gibt es gelgentlich Tearing. Wer eine makellose Präsentation wünscht, muss auf die Xbox One X (möglicherweise alternativ die PlayStation 4 Pro) zurückgreifen, wo das Tearing nahezu vollständig eliminiert wurde. Wieso erwähne ich solche technischen Details zu Beginn des Artikels? Sonic Forces ist ein Spiel, das sehr viel Wert auf Geschwindigkeit legt und eine hohe, stabile Framerate sowie eine Optik mit vielen Details sind eine Grundvoraussetzung für ein starkes Geschwindigkeitsgefühl. In dieser Hinsicht muss sich Sonic Forces auch vor seinen Vorgängern in keiner Weise verstecken.

Spielerisch gibt es wie bereit angesprochen eine Mischung aus Wohlbekanntem und Neuem. Abgesehen von einigen Detailänderungen spielen sich der moderne Sonic und Classic Sonic so wie schon in Sonic Generations, der neue Charakter Avatar hingegen erinnert ein wenig an Sonic Colours, was vor allem daran liegt, dass Avatar auf die in Sonic Colours eingeführten Wisps zurückgreifen kann, um spezielle Fähigkeiten zu nutzen. Zu Beginn des Spiels muss man sich einen eigenen Avatar aus verschiedenen Grundtypen zusammenstellen. Diese Wahl ist dann bis zum Erreichen des Abspanns fixiert. Erst danach kann man die anderen Avatar-Typen ausprobieren. Dabei kann der Spieler zahlreiche optische Parameter einstellen, sei es die Farbe, die Kleidung, oder Verzierungen. Die verschiedenen Kleidungsstücke schaltet man nach und nach im Spiel frei, in dem man die verschiedenen Level und (optionalen) Missionen abschließt, wer also Freude an der optischen Gestaltung eines Charakters hat, kommt hier auf seine Kosten; trotz der zufällig wirkenden Verteilung der Gestaltungsmerkmale muss man sich hier auch keine Sorgen um Grind machen: Wer alle Missionen im Spiel abschließt, erhält auch alle Gestaltungsobjekte.

Spielerisch relevant sind eigentlich nur zwei Einstellungen für Avatar: Die Tierart, die jeweils eine Spezialfähigkeit mit sich bringt – beispielsweise einen Doppelsprung oder eine Homing Attack – und die Wahl des Wispons. Der Wispon entscheidet einerseits, wie die Waffe funktioniert, die Avatar mit sich herumträgt, andererseits entscheidet sich anhand des Wispons, welche Wisps in den Levels eingesetzt werden können. Denn obgleich Wisps wie schon in Sonic Colours in verschiedenen Ausführungen in Kapseln in den Levels verteilt sind, kann Avatar stets nur einen Typ von Wisps verwenden. Das soll aus der Sicht des Sonic Teams wohl den Wiederspielwert der Level erhöhen, meines Erachtens ist diese Entscheidung aber nicht substantiell und führt im Gegenteil dazu, dass man beim Spielen der Level mechanisch unnötig eingeschränkt ist. Natürlich bedeutet das ohnehin, dass Wisps maximal für Alternativwege oder Geheimnisse genutzt werden können, den man muss jedes Avatar-Level ja mit jedem Wispon abschließen können.

Classic Sonic ist wie gehabt eine Mischung aus dem klassischen Mega Drive Sonic und dem Highspeed Ansatz des modernen Sonics. Das heißt, dass der klassische Sonic wesentlich schneller unterwegs ist, als er es auf dem Mega Drive war und eine weniger ausgeprägte Pinball-Physik hat, allerdings nur in 2D spielbar ist, keine Boostfähigkeit hat und ein flexibleres Sprungverhalten hat als der moderne Sonic. Dieser hingegen ist voll auf Höchstgeschwindigkeit ausgelegt, bietet eine Mischung aus 2D- und 3D-Gameplay und kommt mit einem Boostknopf daher, der ihn – im Tausch gegen Wispenergie – in einem Affenzahn durch die Level rennen lässt. Avatar spielt sich im Wesentlichen wie der moderne Sonic ohne Boostknopf, kann aber gelegentlich mit Wisps andere Wege gehen oder mit seiner Waffe Gegner aus dem Weg räumen. Man braucht hier allerdings keine Sorgen haben, wie bei Shadow the Hedgehog lange Gefechte gegen kleine Gegner ausführen zu müssen oder genau zielen zu müssen, die Waffen haben samt und sonders einen sehr weitreichenden Effekt und töten Gegner in einem Treffer. Zudem gibt es auch Level, in denen der moderne Sonic und Avatar zusammen unterwegs sind, diese spielen sich aber im Wesentlichen so wie die Level des modernen Sonics.

Alle drei Charaktere spielen sich gut und kommen mit interessanten Leveldesigns daher, allerdings wird die recht große Zahl an Levels durch deren Kürze erkauft: Manche Level sind in unter einer Minute schaffbar, mehr als drei Minuten wird man nur sehr selten für ein Level benötigen. Interessant ist zudem die Entscheidung, auf ein Lebenssystem zu verzichten. Wenn man im Spiel stirbt, erhält man zwar weniger Punkte am Ende des Levels, man wird aber beliebig oft am letzten Checkpoint wieder abgesetzt. In der Konsequenz ist das reine Durchspielen bei Sonic Forces ziemlich simpel, denn die Checkpoints sind großzügig verteilt und selbst sehr schwache Spieler können ziemlich frustfrei erzwingen, das Spielende zu erreichen. Wer Sonic-Spiele ohne Ranking-Jagd einfach bis zum Abspann spielt und dabei gefordert werden möchte, kommt bei Sonic Forces also sicherlich nicht auf seine Kosten. Neueinsteiger und junge Spieler freuen sich hingegen wahrscheinlich über diese Kulanz.

Auf den ersten Blick kann es so wirken als wären Fans, die versuchen, in Sonic die Bestrankings zu holen, die Leidtragenden, denn als geübter Sonic-Spieler wird man selten mehr als zwei Versuche brauchen, um einen S-Rank in einem Level zu holen. Wenn man die täglichen Missionen erledigt, die für einfache Tätigkeiten wie „ein Sonic-Level spielen“ Punktemultiplikatoren geben, sind selbst zwei Versuche schon viel. Allerdings gbt es, wie bereits angesprochen, eine Liste von Missionen, die nach und nach freigeschaltet werden und mit denen man die Bauteile für Avatar freischalten kann. Unter diesen Missionen gibt es für die meisten Level auch ein Zeitlimit, das es zu schlagen gilt und diese Zeitlimits sind ziemlich knapp gesetzt, so dass man auch als geübter Sonic-Spieler auf seine Kosten kommt. Hierbei fällt dann auch auf, dass die recht harmlos wirkenden Level einige Geheimnisse und Abkürzungen verbergen, die für die Zeitlimits unerlässlich sind und das Spiel so deutlich anspruchsvoller gestalten. Nichtsdestotrotz, im Vergleich zu Sonic Unleashed (Xbox 360 / PlayStation 3) und Sonic Generations (Xbox 360 / PlayStation 3) ist das Leveldesign aufgrund seiner Kürze und einiger komplett anspruchsloser Spektakelszenen ein gutes Stück schwächer.

Ein Schwachpunkt vergangener Sonic-Spiele waren die Sammelaufgaben in den Levels, denn in großen, sehr schnell ablaufenden Levels ist die Suche nach Sammelgegenständen eine haarige Angelegenheit. In Sonic Forces sollte man meinen, dass das Problem verstärkt wurde, denn nun gibt es in jedem Level drei Sätze von Sammelgegenständen: Fünf rote Ringe, wenn man diese eingesammelt hat im nächsten Durchlauf fünf Nummernringe und wenn man die gesammelt hat im nächsten Durchlauf fünf silberne Ringe. Doch aus zweierlei Gründen sind die Sammelaufgaben in Sonic Forces deutlich besser als in den Vorgängern. Zunächst wäre da der offensichtliche Punkt, dass bei wesentlich kürzeren Levels die Suche auch weniger umfänglich ausfällt. Hinzu kommt aber, dass die meisten roten Ringe und nahezu alle Nummernringe und silbernen Ringe nicht etwa gut versteckt sind, sondern an eine Sprung-Herausforderung geknüpft sind, so dass sie sich viel besser in das Kerngameplay eingliedern.

Als kostenfreien Download-Inhalt gibt es schließlich noch eine Shadow-Episode, die aus der Sicht von Shadow the Hedgehog die Geschehnisse im Spiel erzählt. Shadow kommt mit vier eigenen Levels daher, die allerdings in den Schauplätzen der Level des Hauptspiels spielen und auch an Ideen von anderen Levels angelehnt sind. In dieser Episode spielt man als Shadow the Hedgehog, der aber nur ein Skin für den modernen Sonic ist. Da der moderne Sonic der beste der drei Spieltypen im Spiel ist, ist das aber natürlich kein Grund zur Sorge. Die Shadow Level sind etwas länger und deutlich schwieriger als die Level des Hauptspiels und bemerkenswerterweise sind die S-Ranks der letzten zwei Level dieses Downloadinhalts äußerst anspruchsvoll. Für Sonic-Fans ist Episode Shadow ein toller Bonus, weniger geübte Spieler werden trotz des kulanten Rücksetzsystems aber wahrscheinlich weniger gut unterhalten.

Sonic Forces ist insgesamt ein gutes Jump & Run mit einem klasse Geschwindigkeitsgefühl und gutem Leveldesign, sowie einer recht breiten Palette an optionalen Aufgaben um Spieler verschiedener Erfahrungslevel abzuholen. Es kann nicht ganz mit Sonic Generations und den Sonic-Abschnitten von Sonic Unleashed mithalten, ist aber für Jump & Run-Freunde dennoch eine gute Wahl. Etwas fragwürdig ist allerdings, dass Sonic Forces, trotz einsteigerfreundlichen Schwierigkeitsgrades auf eine ziemlich gewalttätige Grundidee setzt und mit dem Kriegsszenario und den zahlreichen Explosionen für junge Spieler eher weniger geeignet ist.

Getestet auf Xbox One und Xbox One X.