Balan Wonderworld (Review)

Die Sonic Väter Yuji Naka und Naoto Oshima haben seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr zusammengearbeitet, weil erst Oshima mit Artoon und dann Naka mit Prope eigene Wege gegangen sind. Unter den Fittichen von Square Enix hatten sie nun die Gelegenheit, ihre kreativen Ideen zusammen zu verwirklichen. Die Resonanz die die Demo zum Spiel hervorgerufen hat und die schwachen Verkäufe haben Naka zwischenzeitlich sogar seinen Job bei Square Enix gekostet. Doch ist Balan Wonderworld tatsächlich ein hoffnungsloser Fall, oder vielleicht ein verkanntes Juwel?

In Balan Wonderworld schlüpft man in die Rolle eines Kindes, das man zu Beginn des Spiels aus sechs möglichen Alternativen auswählt. In der Rolle dieses Kindes hilft man zwölf verschiedenen Personen in misslichen bis aussichtslosen Lagen. Jede dieser Personen und deren Situation begründet das Thema einer der Welten im Spiel. In der ersten Welt beispielsweise hilft man einem Bauern und dementsprechend spielt die erste Welt in einer grünen Bauernhofumgebung, in der zehnten Welt hingegen hilft man einer Künstlerin, die gerne mit perspektivischen Tricks in ihren Zeichnungen spielt und demnach dreht sich in der zehnten Welt alles um Kunst.

Eine große Besonderheit von Balan Wonderworld ist der Umstand, dass man neben den Analogsticks nur einen weiteren Aktionsknopf hat, der gleich auf alle verfügbaren Tasten gespiegelt wird. In seiner Grundform kann das Kind, das man spielt, beispielsweise mit A, B, X, Y, LT und RT springen. Die einzige weitere Aktion, die man ausführen kann, ist mit LB und RB zwischen den Kostümen zu wechseln, die man mit sich herumträgt. Insgesamt kann man bis zu drei verschiedene Kostüme bei sich tragen. Sammelt man ein weiteres Kostüm ein, wird das dritte Kostüm aus dem aktuellen Repertoire zum Kleiderschrank geschickt. An jedem Checkpoint kann man seine drei Slots über die Umkleidekabine durch Kostüme aus dem Kleiderschrank austauschen. Das ist insofern interessant, als dass jede Welt eine eigene Auswahl an Kostümen hat, aber es Stellen gibt, die Kostüme aus anderen Welten bedürfen oder jedenfalls durch diese deutlich einfacher werden.

Insgesamt gibt es eine sehr große Zahl an verschiedenen Kostümen; in jeder der zwölf Welten mindestens 6. Allerdings heißt das nicht, dass alle diese Kostüme sich auch spielerisch grundlegend unterscheiden. So gibt es beispielsweise mehrere Kostüme, die dem Spieler die Möglichkeit geben¸ auf leicht unterschiedliche Weise zusätzliche Sprünge in der Luft durchzuführen, oder aber einen Schuss abzugeben um entfernte Schalter zu treffen oder Gegner zu besiegen. Dennoch gibt es auch eine ganze Menge tatsächlich sehr interessante Kostüme, die auch bis zum Ende durch das Spiel verteilt sind, so dass die Spielmechaniken bis zum Schluss immer wieder aufgewirbelt werden.

Die Entscheidung, die Fähigkeiten alle auf einen einzelnen Knopf zu beschränken und somit dem Spieler immer nur eine Aktion zur Verfügung zu stellen mag auf den ersten Blick so wirken, als würde es das Spiel simpler gestalten, da in bester Sonic Manier jeder Knopf die gleiche Funktion hat. Andererseits ist Springen schon eine essentielle Fähigkeit, so dass man sich mit einem Kostüm, das keine Sprungfähigkeit mitbringt, immer ein wenig beengt fühlt. Eine Bereicherung stellt das meines Erachtens nicht dar, sieht man von dem Punkt ab, dass man Balan Wonderworld so mit einer Hand spielen kann.

Das Leveldesign ist wohl die größte Stärke von Balan Wonderworld. Obwohl die Spielmechanik selbst einige offensichtliche Macken hat, haben die Entwickler beim Leveldesign immer wieder viel Kreativität bewiesen und sowohl stilistisch als auch spielerisch eine Menge interessanter Situationen geschaffen. Ein besonderes Highlight ist in meinen Augen Kapitel 10 (von 12), dem ich bereits einen Meisterstücke Artikel gewidmet habe. Doch auch viele andere Level halten gelungene Überraschungen bereit. Es ist gerade diese Kreativität, die Balan Wonderworld trotz einiger massiver Schwächen zu einem Spiel macht, das man als Genrefan zumindest mal ausprobiert haben sollte.

Doch kommen wir einmal zu weniger erfreulichen Aspekten im Leveldesign von Balan Wonderworld. Das Spiel ist im Grunde genommen ein Collectathon, in dem man in jedem Level eine hohe einstellige, aber variable Zahl an Balan Statuen sammelt. Drei zusätzliche Statuen kann man bei jedem Endgegner verdienen, indem man die Endgegner auf drei verschiedene Arten angreift. Diese Statuen sind stellenweise recht knifflig versteckt, es gibt aber einige Statuen, die besonders problematisch sind. Zunächst einmal gibt es Minispiel Statuen, die man dafür freischaltet, die perfekte Punktzahl in einem Fußballminispiel, Golfminispiel oder ähnlichem zu erzielen. Diese Minispiele sind gar nicht mal so einfach und man hat auch kaum eine Möglichkeit, sie vernünftig zu üben, da man sie nicht ohne weiteres wiederholen kann.

In noch größerem Umfang fallen die Balan Balgerei genannten QTEs auf, die man startet, indem man einen goldenen Hut im Level berührt. Auch hier gilt es, ein perfektes Ergebnis zu erzielen, um eine Balan Statue zu erhalten. Die größte Eselei der Entwickler war allerdings, dass man nach Misserfolg bei einer Balan Balgerei erst einmal den Endgegner der Welt besiegen muss und dann zum Hut zurückkehren muss, um eine zweite Chance zu erhalten. Das ist geradewegs schikanös, insbesondere in Anbetracht dessen, dass in den späteren Welten drei Balan Balgereien pro Level existieren und die Zugänge zum QTE auch meistens hinter anspruchsvollen Plattformsequenzen liegen.

Insgesamt ist Balan Wonderworld ein mittelmäßiges Jump & Run, das eine wild wechselnde Designqualität hat. Das Spiel macht Fehler, die selbst absolute Rohrkrepierer sich selten erlauben, hat aber auch clevere Designideen, die man so nur in wirklich tollen Genrevertretern erwarten würde. In der Konsequenz ist Balan Wonderworld vor allem für Genrefans als kreatives Kuriosum eine interessante Wahl, schafft es aber leider nicht, die vielen guten Ideen die in ihm stecken in ein poliertes Gesamtpaket zu stecken, so dass Spieler, die dem Genre weniger zugeneigt sind, leider nicht auf ihre Kosten kommen werden.

Getestet auf PlayStation 5.