Quo vadis, PlayStation VR 2?

Titelbild PlayStation VR 2-Kommentar

Als PlayStation VR 2 auf der CES 2022 angekündigt wurde, war ich zerrissen zwischen Skepsis und Vorfreude. Nach der Pandemie ein kostspieliges Gerät auf den Markt und an Mann oder Frau zu bringen ist – seien wir ehrlich – gewagter. Gleichzeitig bin ich komplett verliebt in Virtual Reality, obwohl ich zugegeben nur sehr wenig gespielt habe. Und Sony schien an nahezu allen Stellschrauben gedreht zu haben, um ein technisch rundum verbessertes Stück Hardware anzubieten.

Jetzt, exakt 400 Tage nach dem Release von PlayStation VR 2, sind Skepsis und Vorfreude einer weitaus trüberen Perspektive gewichen. Ich habe mir PSVR2 ein wenig blind und zugleich hoffnungsvoll als Vorbesteller gegönnt. Aber nach über einem Jahr sind die Aussichten auf die Zukunft von PlayStations VR-Sparte so trist wie selten zuvor. Ich möchte daher zurückblicken auf die vergangenen 400 Tage und auf ein richtig gutes Stück Hardware. Ich möchte einen Blick auf die Software werfen und zugleich statistisch belegen, weswegen Sony bei PSVR 2 nicht grundlos in der Kritik steht. Und ich möchte darüber spekulieren, was der aktuelle Stand der Hardware für die Zukunft bedeuten kann. Und dabei manch Silberstreif am Horizont entdecken. Quo vadis, PlayStation VR 2?

Ein feines Stück VR-Technik

Ich erinnere mich noch sehr gut an die Stunden, die ich auf der gamescom 2014 neben anderen ebenso schwitzenden Menschen angestanden habe, um “Project Morpheus” erstmals in Aktion zu erleben. Die Halle war dunkel und Sony dreist genug, lediglich drei Anspielstationen für Presse und Besucherschaft gleichermaßen hinzustellen. Aber als DAS Gimmick der damaligen gamescom war es einfach ein Must-Visit für mich. Ich habe damals meine Vorschau mit der folgenden Prognose abgeschlossen: 

»Als ich wieder in unserer Realität ankam, war mein erster Gedanke, dass Sony nahezu jedes Geld für Project Morpheus verlangen könnte: Ich würde es bezahlen. Das mag sicherlich übertrieben klingen, aber es trifft den Punkt. Denn wenn Sony seine Virtual Reality Brille mit starker Software verwöhnt, kann ein großer Eckpfeiler der Videospielindustrie entstehen. Doch auch hier ist es auch das sehr groß geschriebene “wenn” – Project Morpheus braucht, will es erfolgreich und von der Spielerschaft akzeptiert werden, die optimalen Spiele. Mein Trip in die Unterwasserwelt [Anmerk. Demo zu Ocean Descent aus PlayStation VR Worlds] hat mich vor allem zwei Sachen gelehrt: Auch virtuelle Haifischzähne sehen verdammt spitz aus. Und Virtual Reality kann mit der richtigen Verwendung Gaming zu neuen Höhen treiben. Ganz anders, als es die Spielerei 3D jemals erreichen könnte. Das Gefühl selber, was VR nun wirklich ausmacht, muss jeder selber erleben, da man es nur schwerlich in Worte fassen kann.«

Zwei Jahre nach dieser Preview veröffentlichte Sony das Project Morpheus, wie wir alle wissen, als PlayStation VR. Wiederum zwei Jahre danach brachte der Weihnachtsmann in gelb die VR-Brille vor meine Haustür. Und ich fühlte mich bestätigt, Spiele wie Blood & Truth oder Astro Bot: Rescue Mission direkt von Sony sowie Indie-Highlights wie Thumper oder Headmaster, Superhot VR oder Beat Saber möchte ich nicht missen. Und obwohl der Kabelsalat grausam war, das Gewicht die typische VR-Anstrengung noch einmal potenziert hat und die Auflösung im Vergleich zur Konkurrenz ausbaufähig war – ich würde mich als VR-Liebhaber einordnen. Dass ich daher auch PlayStation VR 2 vorbestellt habe, dürfte da wenig verwundern.

400 Tage mit PlayStation VR 2 

PlayStation VR 2 nimmt alle Makel, die es mit dem Vorgänger gab, und verbessert diese. Der Kabelsalat ist auf ein einzelnes Kabel reduziert und wird lediglich über USB-C vorne flugs eingestöpselt. Eine externe Kamera ist nicht mehr notwendig, weil PSVR2 selber den Raum scannt. Das geringere Gewicht erhöht den Tragekomfort, die höhere Auflösung sowie OLED und das Eyetracking optimieren die Sichtverhältnisse (und verschlechtern bei mir persönlich die Motion Sickness).

Im Großen und Ganzen ist die Hardware selbst in allen Belangen ein Nachfolger, wie man ihn sich nur wünschen kann. Dass anstelle der Move-Controller nun eigens für VR entwickelte Controller auf Basis des Dualsense unser Schlüssel in die virtuelle Realität sind, runden das Gesamterlebnis ab. Beat Saber fand ich auf PlayStation VR sehr gut, aber ich hatte meine Probleme mit der Präzision. Auf PSVR2 hingegen ist es für mich – um in Village-Worten zu sprechen – ein Stempel. In kaum einem Bereich des Gamings kann man so sehr sagen, dass bessere Hardware ein Spiel besser machen kann, als bei VR.

Persönliche Dilemmata 

Natürlich ist bei PlayStation VR 2 nicht alles Gold, was glänzt. Das verbliebene Kabel stört immer noch und eine Session mit VR bleibt weiterhin anstrengend. Und da ich keine dedizierte VR-Fläche besaß, ist jeder Neustart des Spielens mit einer lästigen Neujustierung des Areals verbunden. Kleinigkeit, aber leider schon nervig. Und für mich als Brillenträger sind die Linsen von PlayStation VR 2 stellenweise zu nah, was die Chance, Kratzer auf beiden hervorzurufen, leider erhöht.

Und doch ist PlayStation VR 2 in diesen vergangenen 400 Tagen wahrscheinlich so sträflich unbeachtet geblieben wie kaum eine andere Hardware hier im Hause. Ich habe diverse Tests zu kleineren Titeln wie das spaßige Tentacular verfasst. Doch privat habe ich mich vor allem auf Beat Saber und Moss: Book Two gestürzt. Weitere Titel sind weitestgehend einem in vielerlei Hinsicht heftigen Sommer sowie der Konkurrenz anheim gefallen.

Screenshot aus Tentacular für PlayStation VR 2

Dass ich daher Blockbuster wie Horizon: Call of the Mountain sowie zahlreiche Indies aus “fehlender Zeit” oder die Portierungen von Resident Evil Village und 4 aus mangelndem Interesse nicht gespielt habe, könnte man durchaus als Argument anführen, um meine Spielearmut zu beschwichtigen. Legitim und auf persönlicher Ebene eindeutig auch richtig. Allerdings ist das Problem, wenn es um die Zukunft von PlayStation VR 2 geht, weitaus grundlegender, vielschichtiger und komplexer. Zudem lässt sich durch Zahlen und zahlreiche andere Querverweise untermauern, dass PSVR2 Teil einer größeren Krise zu sein scheint.

Sony und fehlende Spiele-Motivation

Ich bin damals mit dem Game Boy, seinem farbigen kleinen Bruder sowie dem Advance aufgewachsen. Handhelds waren eher mein Steckenpferd, das zieht sich bis heute. Ich nutze die Nintendo Switch zu 90% als Handheld und liebe das Steam Deck. Auch die PlayStation Vita zählt zu meinen Favoriten mit zahlreichen tollen Spielen, egal ob von Sony direkt oder aus anderer Designfeder. Ich bin daher auch verhalten, wenn einige Sony für die fehlende Unterstützung zum Ende des Lebenszyklus kritisiert haben. Dieser schlechte Ruf wird bei PlayStation VR 2 immer wieder hervorgekramt, um die schlechte Performance des VR-Headsets als “vorhersehbar” zu deklarieren. Doch ist der Vergleich wirklich stimmig?

Analyse der Spiele-Lineups von PSVR2 und Co.

Ich habe mir die vergangenen Tage die Mühe (und den Spaß) gemacht, und das größte Argument, das derzeit gegen PlayStation VR 2 ins Feld geführt wird, mit Zahlen zu füttern. Zu diesem Zweck habe ich mir die Spiele-Lineups aller Hardware mit eigener Software von Nintendo, Sony und Microsoft seit der PlayStation Vita näher angesehen. Die Daten stammen von Wikipedia, sind also dementsprechend mit Vorsicht zu genießen, gerade was ihre Vollständigkeit angeht. Gewisse Trends lassen sich dennoch an den einzelnen Spielelisten ablesen und Schlussfolgerungen ziehen.

Wichtig war die Gesamtzahl aller veröffentlichten Titel für eine Plattform sowie jene Titel, die durch Sony/Nintendo/Microsoft selbst auf die Plattform gebracht wurden. Dazu zählen selbstverständlich 1st- und 2nd-Party-Titel, aber gegebenenfalls auch 3rd-Publishing in gewissen Regionen. Zusätzlich schränke ich den Zeitraum auf exakt 400 Tage seit Launch der jeweiligen Plattform ein. Das wäre bei PlayStation VR 2 ja…heute! Zufälle gibt’s.

Ansonsten zählen restlos alle Titel der jeweiligen Publisher: Remakes und Ports, Neuauflagen und Director’s Cuts, aber auch im Falle der beiden VR-Headsets sogenannte VR-Experiences wie Spider-Man: Far From Home VR für PlayStation VR. Doch lassen wir erstmal die Zahlen sprechen!

Gesamtanzahl Spiele für Plattform
Säulendiagramm "Anzahl Spiele für Plattform (gesamt)"
* – LineUp von Plattform wird regelmäßig erweitert (unveröffentlichte Titel möglich)

Zu Beginn die Zahlen für den gesamten Lebenszyklus der einzelnen Plattformen. Dies ist selbstverständlich ein “unfairer” Vergleich, haben doch einige deutlich mehr Tage auf dem Buckel als PlayStation VR 2. Es soll vielmehr als Grundlage für Ideen und Prognosen sowie zur Einordnung dienen. Auffällig ist auf alle Fälle, dass PlayStation VR 2 bereits nach seinen 400 Tagen mehr als die Hälfte der Titel wie die Xbox Series-Konsolen (1234 Tage nach Release)  nachweisen kann. Und gegenüber seinem eigenen Vorgänger, siebeneinhalb Jahre nach Release, ebenfalls beinahe die Hälfte. Und auch die Wii U könnte bei einem steten Spieleoutput überholt werden.

Gesamtanzahl selbst-gepublishter Spiele pro Plattform
Säulendiagramm "Anzahl selbst-gepublishter Spiele (gesamt)"
* – LineUp von Plattform wird regelmäßig erweitert (unveröffentlichte Titel möglich)

Bedrückender wird der Blick aus der Perspektive von PlayStation VR 2 beim Blick auf die Spiele, die von Sony selbst veröffentlicht worden sind. Gerade einmal 4 Spiele wurden von Sony Interactive Entertainment (3) oder Sony Pictures Virtual Reality herausgegeben. Dies bedeutet, alle 100 Tage hat Sony im Schnitt seiner neuen VR-Brille ein Spiel gegönnt. Zum Vergleich: Bei der Xbox Series sind es derzeit alle 56 Tage, bei der PlayStation 5 alle 41 Tage und bei der Nintendo Switch derzeit alle 25 Tage. Allerdings reden wir hier von viel längeren Zeiträumen, was diese Zahlen zu einer statistischen Spielerei gestaltet.

Anzahl selbst-gepublishter Spiele pro Plattform nach 400 Tagen
Säulendiagramm "Anzahl selbst-gepublishter Spiele (nach 400 Tagen)"

Ganz anders sieht es beim direkten Vergleich aller Plattformen in demselben Intervall von 400 Tagen zwischen Launch und Vergleichszeitpunkt aus. Hier liegen PlayStation VR 2 und Xbox Series abgeschlagen am unteren Ende des Spektrums (dennoch hat PSVR 2 nur 50% vom Output der Series-Konsolen). Das Mittelfeld mit 13 Titeln für Nintendo Switch bis PSVR mit 24 Titeln wird überragt von PlayStation Vita und ihren 38 Titeln.

Für nahezu alle Plattformen sind diese 400 Tage nicht bloß ein “starker Start in die Generation”, auch danach kamen jeweils noch einige große und erfolgreiche Titel für die Plattformen. Die Wii U beispielsweise trumpfte nach seinen 400 Tagen mit Titeln wie Mario Kart 8, Super Smash Bros. Ultimate oder Splatoon auf. Die Xbox One hatte zahlreiche (manche würden sagen: zu viele) Forza-Titel, Gears 5, beide Ori-Ableger sowie den Start von Sea of Thieves. Über PlayStation VR lohnt es sich auch nicht zu lästern. Denn Blood & Truth, Firewall: Zero Hour, Astro Bot Rescue Mission oder Deracine (trotz schwacher Rezeption immer noch von From Software) haben das Line-Up abwechslungsreich aufgefüllt.

Und das mutmaßliche Sorgenkind PlayStation Vita? Erhielt nach seinen 400 Tagen nicht nur weitere 64 Titel direkt aus dem eigenen Stall, sondern darunter Titel wie diverse Invizimals-Ableger, Killzone: Mercenary, Soul Sacrifice und Tearaway. Ganz zu schweigen vom ersten Ableger eines dieser Tage sehr erfolgreichen Spiels: Helldivers. Demzufolge wäre es sicherlich verfrüht, PlayStation VR 2 jetzt bereits abzuschreiben.

Daten: Gesamtübersicht der Zahlen (PDF)

Was sagen uns die Zahlen eventuell?

Letztgenannter Punkt ist definitiv der wichtigste Aspekt. Egal wie schwach die Zahlen von PlayStation VR 2 gegenwärtig sind, ist die Hoffnung nicht verloren. Vor allem die Gesamtzahl macht Mut, sind diese doch gerade im direkten Vergleich und in Kontrast zur Gesamtlaufzeit der anderen Plattformen respektabel. Den Sprung von PSVR auf die zweite Generation zu wagen, dürfte sich für 3rd Publisher und Indies definitiv gelohnt haben. Obwohl Titel wie bspw. Assassin’s Creed Nexus oder Half Life: Alyx gegenwärtig (noch) nicht erschienen sind, fehlt es lediglich an Support aus dem eigenen Hause, aber nicht den Thirds. Erst wenn ihr Support – ähnlich wie in den letzten Jahren der Wii U – fehlen, dürfen wir uns berechtigte Sorgen machen. Die Wii U blieb bis zum Release der Switch relevant, weil dann dennoch Nintendo (mit wenigen) Titeln das Softwareangebot beibehielt. Sony wäre dies nach einem solchen Start gegenwärtig nicht zuzutrauen.

Screenshot aus Half Life: Alyx
Wann wird eines der VR-„Meisterwerke“ auch endlich auf PSVR2 kommen?

Spannend ist aber auch zu sehen, wie sich PlayStation VR 2 im Kontrast zu seinem Vorgänger verhält. 15 Spiele hatte PSVR bereits nach 400 Tagen aus dem Hause Sony zu bieten. Der Kontrast zu den vier Spielen auf PSVR 2 ist erschütternd. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Die gegenwärtige Strategie von Sony, ihre Titel als Live-Service zu etablieren, wird zumindest stellenweise hinterfragt. Dies dürfte sicherlich einige Entwicklungsprozesse bei den Studios durcheinander gebracht haben. Dasselbe gilt für PC-Portierungen – je nach Rentabilität dürften diese im Fokus für Sony höher stehen. Aber auch das ist nur Spekulation.

Pandemischer Ausnahmezustand

Einschneidend dürfte hingegen die Pandemie gewesen sein. Wir sehen an den vergleichsweise niedrigen Zahlen bei Xbox Series und PlayStation 5 – ob nun nach 400 Tagen oder insgesamt – dass trotz eines Booms der Industrie das Portfolio keinen Vergleich mit den Plattformen vor der Pandemie darstellt. Auf Xbox Series kommt zudem hinzu, dass erst letztes Jahr der Kaufrausch von Microsoft erste Früchte getragen hat. Ob PlayStation VR 2 hier von Sonys eigenen Akquisitionen perspektivisch profitieren kann, steht in den Sternen.

Beim Anblick der Zahlen wird noch eine andere Sache deutlich: 3rds und Indies sind wichtige Faktoren für die gesamte Lebenszeit der Plattformen. Der direkte Vergleich aus Wii U und Switch macht dies sehr deutlich: Nintendo musste 7% des Outputs auf Wii U selber stemmen, während auf der Switch nur 2 % von Nöten sind (3% bei PlayStation 4, 2% auf Xbox One). PlayStation VR 2 ist hier mit 1,5% in der Theorie auf einem guten Weg. 

Die PlayStation Vita war hier ebenfalls ein großer Nutznießer diverser Indie-Spiele, auch wenn der Sony-Anteil mit 6% recht groß ausfällt. Hier gilt es allerdings zu Bedenken, dass Sony in der Endphase von PlayStation 3 und Anfang der PlayStation 4 (und somit dem Lebenszyklus der Vita) vielen Indies unter die Arme gegriffen und das Publishing übernommen hat. Dies zahlte sich aus, mit dem wohl erfolgreichsten Beispiel Housemarque. Diese sind mittlerweile fester Bestandteil der PlayStation Studios und haben mit Returnal einen der (in meinen Augen) außergewöhnlichsten Titel auf PlayStation 5 gebracht.

Ein Blick auf die Konkurrenz in Sachen VR

Als zusätzliche Peripherie zur PlayStation 5 steht PlayStation VR 2 aber sicherlich nicht in direkter Konkurrenz zu den großen Konsolen. PlayStation VR hat wie bereits besprochen einen soliden Start gehabt, ist allerdings im Sony-Publishing-Vergleich bei 8,5% des gesamten Outputs gelagert. Davon ist PSVR 2 weit entfernt. Lustig finde ich, dass Polyphony für beide Plattformen zum Start einen VR-Modus zu ihrem jeweiligen Gran Turismo-Ableger spendiert hat. Und auch Guerilla Games haben bereits ihren parallelen Beitrag geleistet: RIGS auf PSVR und mit Horizon: Call of the Mountain von Firesprite auf PSVR2 ein Spiel ihrer populärsten Marke. Ich mag solche Anekdoten…oh, und es gab auch ein Ghostbusters von Sony Pictures Virtual Reality für beide Headsets in den ersten 400 Tagen! Sachen gibt’s…

Letztgenannte Titel erscheinen allerdings nicht exklusiv für PlayStation, sondern auch für andere VR-Headsets. Die größte “direkte” Konkurrenz ist da sicherlich die Peripherie aus dem Hause Meta. Andere Brillen, z.B. die HTC Vive, haben keinen eigenen Softwareoutput, sondern lassen uns auf PC-Spiele via Steam oder Applikationen für Android und iOS zugreifen. Warum also tauchen die Oculus-Brillen in der oben genannten Statistik nicht auf?

Meta Quest – Ein schwieriger Analyse-Fall

Das erste Problem für meine Analyse ist die Unterscheidung von Spielen mit anderen Applikationen für die Meta Quest-Reihe. Die Liste von Meta Quest-Spielen auf Wikipedia führt heute 283 Titel, gemischt aus unterschiedlicher Software (u.a. Youtube VR von Google) bis hin zu Videospielen. Gemeinsam mit den fehlenden Publishern in der Liste wäre der Aufwand an der Stelle enorm geworden, um alle Titeln einzeln für euch herauszufiltern. Und zugegeben…ich habe auch noch ein Leben abseits vom Gaming-Village, ob ihr es glaubt, oder nicht!

Ein anderes Problem ist die Philosophie von Meta, oder vielmehr Reality Labs. Zunächst lag der Fokus auf dem Ökosystem der Meta Quest-Brillen, Spiele waren eher zweitrangig. Seit 2020 begann allerdings auch hier der Fokus, sich ein wenig zu erweitern. Hier wurden Studios wie Beat Games (Beat Saber), Sanzaru Games und Readyatdawn gekauft und unter Oculus Studios als hauseigenen Publisher für VR-Spiele gestellt. Diese Übergangsphase von 2020 bis heute wurde von der Pandemie durcheinandergewirbelt und gibt auf Meta Quest 2, der damaligen VR-Plattform, keine vergleichbaren Werte wieder. Meta Quest 3 hingegen, welches kurz nach Start mit Asgard’s Wrath 2 einen hoch bewerteten Actiontitel bekam, erschien erst Ende 2023. Ein vergleichsweise geringer Zeitrahmen. 

Es wird daher die Zeit zeigen, wie sich Meta Quest 3 an der Stelle entwickeln wird. Doch auch hier lässt sich zumindest die wichtige Rolle von 3rds und Indies bestätigen, welche die verfügbare Software der jeweiligen Plattform füttern müssen, um diese langfristig erfolgreich zu gestalten. Diese Bedingungen hat PlayStation VR 2 gegenwärtig auch, weshalb nicht alle Abgesänge gerechtfertigt erscheinen.

Das wirtschaftliche Beben der Industrie

Als eines der erfolgreichsten Spiele für PlayStation VR darf durchaus Firewall: Zero Hour zählen. Der Tactical-Shooter von First Contact Entertainment erschien 2018 und wurde im selben Jahr unter anderem bei den Game Awards als bestes VR/AR-Spiel neben Beat Saber, Moss und Tetris Effect nominiert  und verlor gegen das fantastische Astro Bot: Rescue Mission. Die Wertungen waren nicht in den höchsten Sphären, dennoch hat sich eine recht treue Fanbase um das Spiel herum entwickelt.

Vielleicht zu treu, denn als der Nachfolger Firewall Ultra wenige Jahre später auf PlayStation VR 2 erschien, konnte der Titel nicht mehr so viele Spieler begeistern. First Contact war da sicherlich nicht unschuldig, wird dem Titel seine Performance und fehlender Inhalt vorgeworfen, trotzdem ist die Geschichte dieser beiden Titel ein Beleg für den aktuellen Trend in der Industrie. Denn wenige Monate später gab First Contact auf unterschiedlichen Wegen (hier Hess Barber, CEO, auf X) bekannt, dass sie leider schließen müssen.

Damit steht First Contact Entertainment in diesen knapp zwei Jahren seit der Pandemie beileibe nicht alleine da. Indie-Entwickler canceln ihre Spiele, weil sie die Entwicklung nicht mehr stemmen können. Studios, allen voran aus Nordamerika und Europa (z.B. Mimimi Games aus Deutschland), schließen trotz erfolgreicher Spiele in den Monaten zuvor. Und große Publisher sortieren unter dem Deckmantel der “Umstrukturierung” zahlreiche Studios unter ihren Fittichen und Mitarbeiter aus, egal wie etabliert oder erfolgreich deren Marken sind. Schätzungsweise 10.000 Jobs sind 2023 den Massenentlassungen und -schließungen in der Videospielbranche zum Opfer gefallen und 2024 ist da erst am Anfang.

Auch Sony ist hier ein prominenter Mitspieler im fröhlichen Mitarbeiter:innen-Kegeln, belaufen sich die Schätzungen auf ungefähr 1000 Mitarbeitende in 2023 und 2024. Waren es letztes Jahr noch einzelne Studios wie First Contact oder Bungie, legte Sony-CEO Jim Ryan im Februar 2024 nach. Knapp 900 Mitarbeitende des gesamten Unternehmens sollen demnach entlassen werden. Darunter befanden sich Mitarbeiter von Firesprite Games (u.a. The Persistence und Horizon: Call of the Mountain) und eine Schließung von SIE London Studio (u.a. Blood & Truth und PlayStation VR Worlds).

Trübe Aussichten im Releasekalender

Im Lichte solcher Entlassungen ist es schwer vorstellbar, dass SIE einen soliden Plan für die Unterstützung von PSVR 2 hat. Schauen wir nämlich auf das Kerngeschäft, sieht es mau aus. Second-Party-Entwicklungen wie dieser Tage Helldivers II, Rise of the Ronin oder Stellar Blade im April sowie exklusive Deals wie Final Fantasy VII: Rebirth füllen noch das Portfolio auf. Und auch Death Stranding 2 wird im kommenden Jahr (hoffentlich) erscheinen. Aber wie sieht es mit den PlayStation Studios aus?

Wir wissen von Marvel’s Wolverine und dank dem Insomniac Games-Leak noch von einem anderen Spin-Off zum letztjährig erschienenen Spider-Man 2. Wir wissen grob und offiziell unangekündigt von einem Ghost of Tsushima 2 sowie einem The Last of Us 3, aber die könnten 2024 erscheinen…oder 2034. Wer weiß das schon ohne Ankündigung? Und wir wissen, dass The Last of Us: Factions, das vermeintliche Live-Service-Spiel von Naughty Dog, eingestampft wurde. Der Rest ist Spekulation. Sicherlich werden die Bend Studios weiterhin an ihrem Multiplayer-Ding werkeln. Santa Monica wird nicht nur an neuen God of War-Updates arbeiten. Und Studios wie Housemarque, Polyphony oder Guerilla Games sitzen mit Sicherheit nicht faul in der Gegend herum und bewundern die Natur (zu gönnen wäre es ihnen!). Und hoffentlich ist ein neues Astrobot bei Team Asobi in Entwicklung. Aber ja…all das ist Spekulation.

Wie soll unter solchen Voraussetzungen die Hoffnung entstehen, dass Sony Interactive Entertainment PlayStation VR 2 perspektivisch langfristig unterstützt?

Ein Ausblick in die Zukunft

Denn zur Wahrheit gehört auch, dass der aktuelle Trend bei PlayStation VR 2 nach unten zeigt. Der happige Einstiegspreis (plus eine teure Konsole!) im Vergleich zur Konkurrenz wie Meta Quest 3 schreckt ab. Im Zuge dessen hat Bloomberg vor wenigen Wochen berichtet, dass Sony die Produktion von PlayStation VR 2 vorläufig ausgesetzt hat. Zusammen mit den Entlassungen und den Schließungen im VR-Bereich wird der Ausblick düsterer. 

Und doch gibt es genug Gründe zur Hoffnung. Ausgehend von den oben gezeigten Zahlen stimmt zumindest der Support durch externe Studios, egal ob Indies oder Thirds. Zahlreiche Spiele wurden von PSVR portiert oder mit Updates versehen, Blockbuster wie Resident Evil 4 und Village erhielten einen VR-Modus. Es mag zwar DAS DING fehlen, welches PSVR 2 definiert, aber wir befinden uns noch früh in seinem Lebenszyklus. Abschreiben darf man es daher definitiv nicht.

Quo vadis, PlayStation VR 2?

Der größte Fehler, den Sony bereits bei PSVR gemacht hat und hier wiederholt hat, sind die Kosten. Die PlayStation 5 kostet derzeit bei Amazon 449 Euro, PlayStation VR 2 ohne Spiel 549 Euro. Das sind die reinen Anschaffungskosten, um VR auch nur zu ermöglichen. Zum Vergleich: Meta Quest 3 – Ende letzten Jahres erst erschienen – gibt es wahlweise bei Amazon für 550 mit Spiel (warum auch immer) und 650 Euro ohne. Achja, Recherchen sind doch was feines…

Meta Quest 3 hingegen hat die Spiele-Applikationen direkt auf dem Gerät, weshalb nicht einmal ein PC erforderlich ist (anders als bei z.B. HTC Vive). Verbunden werden kann das Gerät via Meta Quest Link dennoch und abwärtskompatibel ist die Brille sowieso. Auch dies war ein Fehler bei PlayStation VR 2.

Zumindest in einem Punkt scheint Sony wohl in der Zukunft umschwenken zu wollen. In einem Blogpost auf dem PlayStation Blog gab Sony bekannt, dass gegenwärtig eine Kompatibilität mit dem PC geprüft wird. Wie diese aussehen soll, lässt sich nur spekulieren. Ganze Spiele oder nur einzelne Applikationen. Lediglich von Sony veröffentlichte Spiele oder eventuell Support für “alle” VR-Titel (auch via Steam). Die Bandbreite ist groß. Die Meldung gibt zumindest Hoffnung, dass Sony PlayStation VR 2 noch nicht vollends begraben möchte.


Was lässt sich nun, nach 400 Tagen PlayStation VR 2 und mehr als 3600 Worten von irgendeinem unbedeutenden Kerl am Rande des Internets, abschließend sagen? Die Lage ist ernst bei PSVR 2 und doch anders als in den Endzügen von Vita sowie Wii U. Ich wage mich aus dem Fenster und nenne die Gründe vielschichtiger, als sie auf dem ersten Blick erscheinen. PlayStation VR 2 wirkt auf mich wie ein Opfer seiner Zeit. Getrieben von dem Wunsch, ein technisch hochwertiges Update zu “Project Morpheus” zu erschaffen, um dann infolge von Pandemie und Umwälzungen in der Industrie zum Bauernopfer zu werden.

Denn Sony geht es auf der Oberfläche auch abseits von VR nicht gut. Den großen Publishern geht es nicht gut. Investoren rennen weg, Spieletrends werden mehr denn viel zu teuer und riskant. Es stellt sich also nicht die Frage nach PlayStation VR 2, nachdem ich mich für euch (aber weitestgehend für mich) auf dieses Thema gestürzt habe. Der Titel sollte eher heißen: Quo vadis, Gaming?