The Last Oricru (Review)

Artwork zu The Last Oricru

Metascore alleine würde wahrscheinlich meine Freude an Spielen zu sehr eindämmen. Denn gerade im Angesicht der Imperfektion oder des Schlechten habe ich bereits zahlreiche unterhaltsame Spielstunden verbringen können. Biomutant im vergangenen Jahr war so ein Beispiel. Deadly Premonition als polarisierendes Beispiel im Allgemeinen. Oder Hellboy: The Science of Evil und Dark Void für mich im Speziellen. Jedes Spiel traf einen Nerv, der individuell auf mich abgestimmt schien. Und auch The Last Oricru gelang dies in der vergangenen Woche. Warum ich unglaublich viel Spaß mit diesem stellenweise katastrophalen Action-RPG alá Soulslike hatte, versuche ich mit euch an dieser Stelle herauszufinden.

Gemeinsam auf dem fremden Planeten von The Last Oricru unterwegs

Sicherlich kann ich den allerersten Punkt, den The Last Oricru für sich verbuchen kann, schnell abhaken. Abseits der ersten Momente auf dem Planeten Wandaria ist das gesamte Spiel im Splitscreen-Koop spielbar. Und so bin ich als Silver, einer der Unsterblichen, die auf dem Planeten gestrandet sind, gemeinsam mit meiner Frau, die ein Hologramm meiner Selbst gesteuert hat, in die Irrungen und Wirrungen der Welt von The Last Oricru reingezogen worden.

Diese Welt ist nämlich meiner Ansicht nach das große Highlight des Spiels. Wir erwachen bei den Naboru, einem menschenähnlichen Volk, die an die Legende der Oricru glauben. Im Grunde sind wir das, sowie drei andere Menschen, die aufgrund eines implantierten Gürtels nach einem Tod wiedererweckt werden. Wir sollen Frieden und Wohlstand auf die Welt zurückholen, doch schnell werden wir in eine Revolution reingezogen. Die Ratkin, ein Volk von genetisch mutierten Riesenratten, wehrt sich gegen die Sklaverei durch die Naboru. Und wir geraten zwischen die Fronten.

Einer labert, einer schnetzelt – gute Arbeitsaufteilung

Das Geflecht an Beziehungen zwischen den Völkern von Wandaria sowie der Grund für unsere Existenz waren sehr spannend. Plot und Weltdesign gehen hier stark Hand in Hand und auch die Charaktere haben hier und da einzigartige Momente. Dazu passt auch das Entscheidungssystem, mit dem wir wirklich nachhaltige Veränderungen hervorrufen können. Stehen wir beispielsweise auf der Seite der Ratten, greifen uns deren Soldaten nicht an, dafür allerdings Naboru. Und vice versa. Ganze Storysegmente verstecken sich dahinter und es würde mich nicht wundern, wenn uns durch die Entscheidungen auch Bosskämpfe durch die Lappen gegangen wären.

The Last Oricru leidet allerdings unter zahlreichen tonalen Problemen, allen voran durch die Dialoge von Silver. Seine Attitüde ist allzu locker und wirkt stellenweise so, als würde unser Held wider Willen den Ernst der Lage nicht erkennen. Wirklich humorvoll fand ich es persönlich auch nicht, irgendwann kamen die Lacher eher über den Dialog anstatt durch den Dialog.

Jeder denkt nur an sich!

Im Koop machen mir persönlich die meisten Sachen mehr Spaß. Resident Evil 6 war beispielsweise trotz all dem C-Movie-Charme im Splitscreen eine echte Bereicherung. Und so reiht sich The Last Oricru nahtlos ein. Die vertikale Teilung sorgt zwar dafür, dass die Übersicht enorm geschmälert wird, was den ein oder anderen unnötigen Tod zur Folge hatte. Aber hey, wir werden doch eh wiederbelebt!

Ein ganz großes Plus dieses Koops ist die Unabhängigkeit beider Spieler. Während Spieler 1 einen Dialog mit einem NPC führt, kann Spieler 2 bereits das Level erkunden. Lediglich Hauptstory-Sequenzen werden als blaue Grenzen für Spieler 2 dargestellt und können nicht allein angegangen werden. Ansonsten kann nahezu alles im jeweiligen Levelbereich selbständig angegangen werden.

Auch Ausrüstung sowie die Levelung des Charakters können individuell angepasst werden. Sobald Spieler 1 die gesammelte Essenz in Level umgewandelt hat, kann Spieler 2 nachziehen und seinem Hologramm einen komplett eigenen Build verpassen. Selbstverständlich kann auch die Ausrüstung individuell angelegt werden und auf diese Weise unter Umständen ein komplett anderer Charakter kreiert werden. Dass meine Frau und ich am Ende im Grunde ähnlich angelegt waren, hatte einerseits mit unseren persönlichen Vorlieben zu tun. Andererseits fordert das Spiel aufgrund seines Designs oder seiner Schwierigkeit kaum eine Varianz im Gameplay oder in strategischer Überlegung. Nicht der einzige Punkt, an dem es dem Spiel mangelt.

Der Beginn allen Übels

Wenn ich wohl jeden einzelnen Punkt, der mir während der 15 Stunden Spielzeit komisch vorkam oder übel aufgestoßen ist, würde ich wohl die Serverlast des Village sprengen. The Last Oricru wirkt an so vielen Stellen unfertig und unausgereift. Dialoge, die nicht voranschreiten, weil die Audio-Datei nicht abgespielt ist. Rauchschwaden mit außergewöhnlicher Ästhetik. Ein Missionsmenü, dessen Buchstaben bis zur Unkenntlichkeit schrumpfen können, weil (nicht) erfolgreiche Missionen nicht als abgeschlossen angezeigt werden können.

Lupe dringend von Nöten!

Levelaufstiege, die nach Verlassen des Menüs wieder zurückgestuft sind, aber die Essenz trotzdem ausgegeben gilt. Und die [Aufstiege] dann erst wieder registriert werden vom Spiel, wenn neu geladen wurde. Bosskämpfe, die mich schrumpfen ließen und ausgeschlossen haben. Und, und, und. Es galt, einige Male neu zu laden. Und dies schadet auf Dauer dem Spielspaß, wenn man nicht gerade wie ich versessen auf gemütliche Koop-Abenteuer ist. Doch auch dieser ist nicht frei von Problemen gewesen.

Kooperatives Spielen hat schon immer mitunter das Problem gehabt, dass auf diese Weise ein Spiel an Schwierigkeit einbüßt. Doch in The Last Oricru erreicht dies ein neues, teilweise abstraktes Momentum. Die Selbstständigkeit beider lokalen Spieler sorgt dafür, dass Bosskämpfe individuell angegangen werden können. Die blaue “Nebelwand” blockiert Spieler 2 auch dann nicht, wenn wir uns als Spieler 1 woanders befinden. 

Das hat zur Folge, dass eine Niederlage bei einem Boss lediglich innerhalb der zehn Sekunden Respawn-Zeit eines gefallenen Spielers möglich ist. Danach wird dieser Spieler wiederbelebt und kann wieder den Weg zum Boss aufnehmen. Beide Spieler können so dem Bosskampf “entkommen”, während der Lebensbalken weiterhin abgeschwächt bleibt. Essenz bleibt ebenfalls bestehen, solange kein richtiges Game Over getriggert wird. Im schlimmsten Fall könnte man eine solche Mechanik ausnutzen. Ein Boss ist bei uns hier extrem in diese “negative” Richtung abgedriftet, weil der Weg lang und der Kampf für uns prinzipiell zu schwer war.

Ein Soulslike-light

Wobei Schwierigkeit immer ein subjektiver Faktor ist. Allgemeinhin sollen Soulslikes fordernd und herausfordernd sein. Und auch wenn ich dies für weite Teile meiner persönlichen Favoriten des Genres nicht bestätigen kann, so ist dies ein Aspekt, an dem es The Last Oricru wirklich mangelt. Im Gegenteil wirkt das Rollenspiel eher so, als hätten die Designer die Soulslike gesehen und das “like” gegen ein “light” getauscht. Viele Elemente finden sich hier wieder, die wir aus dem Genre kennen. Doch keines kann auch nur ansatzweise die notwendige Essenz des Genres einfangen.

Apropos Essenz: Diese ist das Äquivalent zu den Seelen und wichtig zum Aufleveln unseres Charakters. Alternativ können wir diese aber auch gegen Gold eintauschen, um bei den Händlern Ausrüstung und Crafting-Material kaufen zu können. Nicht, dass dies wichtig wäre, da das Spiel wenig dafür tut, um uns zum Experimentieren zu motivieren. 

Simpler Life-Hack: Fallen, sterben, wiederbeleben lassen und dann wieder bei voller Gesundheit sein!

Auch das Kampfsystem kann nicht mit anderen Genrevertretern mithalten. Viele Aktionen unsererseits wirken sehr unpräzise und das Timing oftmals eine Sache des Zufalls. Gegner wiederum haben ihrerseits viel zu präzises Movement, stellenweise unfair. Weichen wir einem Angriff aus, merken wir, dass sich Angriffe des Gegners mit unserem Ausweichen mitbewegen können. Gerade bei Projektilen ist diese Input-Erkennung der Gegner zu beobachten. Eine Ausweichrolle nach links, aber der nahezu gleichzeitige Schuss geht exakt dahin, wo wir hin rollen. So offensichtlich habe ich dies in keinem Ableger des Genres bisher wiedererkennen können. Selbst Dolmen, was ich dieses Jahr bereits testen durfte, wirkte hier wie das weitaus reifere Soulslike.

Zahnlose Tiger, unbedeutende Builds

Es hilft dabei auch nicht, dass das Gegnerdesign mehr oder weniger eindimensional ist. Egal ob Naboru oder Ratkins – hier ist mal ein Schwertgegner, manche mit Schild, da ein Speergegner, und da einer mit Armbrust. Viel Abwechslung findet sich nicht, manches Level bietet eventuell noch Spinnenwesen in unterschiedlichen Größen. und eine dritte Fraktion hat ebenfalls nur sehr wenige Gegnertypen abseits des Mainstreams zu bieten. Hey, da schießt ein Gegner Blitzkugeln. Und der Gegner dort ist unsichtbar. Es wirkt insgesamt sehr oberflächlich, was uns vorgesetzt wird. 

Dies erstreckt sich auch ins Bossdesign hinein. Die meisten Gegner sind stärkere Versionen der Standardfeinde und somit kaum der Rede wert. Erst im späteren Bereich wird durch Fallen im Areal oder das ein oder andere Gimmick das Bossdesign aufgeweicht. Leider eventuell zu spät, um Veteranen des Genres zu überzeugen.

Passend dazu gestalten sich Leveldesign und Buildvarietät durchwachsen. Die einzelnen Level, egal ob in der Stadt, außerhalb davon oder in Tempeln und Höhlen, sind stets sehr linear und bieten nur wenig strategisches Vorgehen. Manchmal gibt es eine Abkürzung, die künftige Wege verknappt, aber spielerisch kam nie das Gefühl auf, einem unbarmherzigen Pfad mit kreativen Ideen zu folgen. Und kurz vor Schluss dann der Schock bei meiner Frau: Aufgrund ehemaliger Erfahrungen mit dem Genre hat sie ihren Charakter in Richtung Dexterity gelevelt. Blöd nur, wenn das Spiel nur zu Beginn eine klare Abtrennung bei den Waffen bietet. Waffen des späteren Spielverlaufs waren vor allem auf Stärke fokussiert. Umverteilung der Skillpunkte? Nicht möglich. Und somit war ihre Auswahl in den Waffen gegen Ende stark eingeschränkt, der anvisierte Build war nicht möglich.

Lieber gemeinsam The Last Oricru erleben, als einsam

The Last Oricru ist ein Spiel mit ein wenig Licht und viel Schatten. Ich war eingesogen von der Welt und den zahlreichen Entscheidungsmöglichkeiten. Doch wäre meine Koop-Partnerin nicht gewesen, die mir als zusätzliche Lichtquelle zur Seite stand, hätte mich das Spiel schwer begeistern können. Dafür hat das Spiel zu viele spielerische sowie technische Mängel, die arg an dem Erlebnis nagen.

Insgesamt ist The Last Oricru im Koop eine Spielerfahrung, die nicht allzu sehr fordert, aber zu unterhalten weiß. Währenddessen stolpert das Spiel wieder und wieder über die eigenen Füße, mit Soulslike-Elementen, die nicht ineinander greifen und Rollenspiel-Anleihen, die mal mehr, mal weniger herausstechen. Sehr schade eigentlich, aber Solo-Soulslike-Fans kann ich diesen Titel daher nur schwer empfehlen. Alle anderen könnten über die vorhandenen Schwächen hinwegschauen und Spaß haben.

Auf PlayStation 5 zur Unsterblichkeit verdammt. Ein herzlicher Dank geht an Plaion für die Bereitstellung des Mustercodes.