The Last of Us Part One (Review)

Artwork zu The Last of Us

Selten fiel mir ein Review so schwer wie dieser Tage. Vor etwas weniger als zehn Jahren erschien mit The Last of Us ein Spiel, das wie für mich gemacht schien. Ich mochte die vorangegangenen Projekte von Naughty Dog sehr und das Abenteuer von Joel und Ellie in der postapokalyptischen Welt versprach mir noch einmal eine Steigerung dessen. Doch über viele Jahre tanzten wir beide im falschen Takt. Die damalige Demo zum Spiel war atemberaubend, intensiv. Doch nach einer gewissen Zeit der Eingewöhnung merkten wir, dass es nicht klicken will. Ein kurzer, ermüdender Tanz wurde frühzeitig beendet und wir suchten uns lieber neue Partner, um die gleiche Aufregung einer ersten Begegnung erneut zu fühlen.

Dank einem zuweilen verfrühten Remake sowie meinem Engagement beim Gaming Village sind wir allerdings wieder aufeinandergetroffen. Und dieses Mal nahm unser Tanz enormen Schwung auf. So sehr, dass ich in diesem Moment ausgepowert vor dem Dokument sitze und sagen kann “Mir fällt dieses Review schwer”. Was für unglaubliche Stunden liegen hinter mir. Gleichermaßen kaum in Worte zu fassen oder mit wenigen Worten einzufangen.

Auftakt zu The Last of Us Part One

3381 Tage ist es heute her, dass The Last of Us auf PlayStation 3 das Licht der Weltöffentlichkeit erblickte. Ein kurzes Stelldichein auf PlayStation 4 als Remastered-Version sowie ein Upgrade für die PlayStation 5 später erschien nun ein Remake für Sonys aktuelle Heimkonsole. Braucht es ein Remake? Dies muss jeder für sich selbst entscheiden, das kann ich euch schon einmal verraten. Für mich war es allerdings eine längst überfällige Chance auf eines der besten Spiele aus Sonys Portfolio.

Naughty Dog ist seit dem ersten Uncharted-Ableger ein Studio, welches die Narrative in den Fokus seines Spieldesigns legt. Über die Zeit war erkennbar, dass sich dieser Fokus von Ableger zu Ableger verbesserte. Uncharted 3 ließ erstmals erahnen, wohin die Reise des Studios narrativ hingehen soll. Wirklich offensichtlich ist dies allerdings nur, wenn man die Entwicklungsgeschichte des Spiels  hinter den Kulissen kennt. Alle anderen sehen nur das abstrakte Vehikel, was sich narrativ nicht zwischen locker leichtem Spiel und ernsthafter Geschichte entscheiden kann. 

The Last of Us plagen diese Umstände nicht. Ganz im Gegenteil, Naughty Dog ist es gelungen ein Spiel auf die Konsole zu bringen, was nicht bloß optisch Eindruck schindet. Was nicht bloß ein wenig Spektakel bietet. Sondern was spielerisch trotz einiger Makel überzeugen kann, variabel ist und zugleich die Narrative in zuvor ungewohnte Sphären transportieren kann.

Die Schokoladenseite von The Last of Us

Wir brauchen nicht drumherum zu reden: Die gesamte Narrative ist die große Stärke von The Last of Us. Doch wer in den letzten Jahren noch nicht davon überzeugt worden ist, dass Videospiele ein gutes Medium zum Erzählen von Geschichte sind, der wird auch nicht von The Last of Us überzeugt.

Die Charaktere machten optisch im Remake noch einmal einen extremen Sprung

Joel ist ein Überlebender einer globalen Katastrophe. Vor zwanzig Jahren überflutete eine bis dato unbekannte Pilzinfektion die Welt und alle Menschen, die sich infizierten, machten fortan als Zombieähnliche Wesen Jagd auf die restliche Menschheit. Joel kam zwar mit dem Leben davon, verlor dabei allerdings seine Tochter. In der neuen, unbarmherzigen Gegenwart versucht sich Joel als Schmuggler durchzuschlagen. Doch seine Wege kreuzen sich mit der Anführerin einer Gruppe von Rebellen, die ihn damit beauftragt, das gegen die Krankheit immune Mädchen Ellie in ein weit entferntes Labor zu bringen. Eine Reise, die für beide Personen zu einer ganz besonderen wird (Schöner Marketing-Satz, findet ihr nicht auch?).

Klasse, wohin man schaut

Jetzt ernsthaft: Ich habe selten in Videospielen eine so “komplette” Geschichte erlebt. Egal ob es um die schauspielerische Leistung sowie die Zeichnung nahezu aller Charaktere geht. Dialoge und Pacing. Worldbuilding auf narrativer Ebene sowie bei der Gestaltung der Level. Aber auch Struktur des Plots sowie Themes. In nahezu jedem Element des Storytelling wächst Naughty Dog hier über sich hinaus. Einziges Manko, wenn man es als solches nennen mag, sind die wiederkehrenden Elemente aus dutzenden anderen Geschichten dieser Art. Und dennoch bekommt man hier ein Gesamtpaket präsentiert, was mehr ist als die Summe seiner Einzelteile. 

Aber zugegeben, ich bin nicht dermaßen emotional mitgenommen worden, wie ich erwartet hätte. Dies mag einerseits daran liegen, dass ich die wichtigsten Plotpoints bereits über die Jahre aufgeschnappt habe. Andererseits aber auch daran, dass die für diese Emotionalität wichtigste Person, Joel, nicht in dem Maße ans Herz gewachsen ist. Keine Frage, ein unglaublich guter Charakter. Aber mein Herz schlägt hier auf Ellies Seite. Und das bittere Ende – so gut ich es auch geschrieben finde – “empfinde” ich daher eher aus ihrer Perspektive. 

Ich will hier nicht mehr auf die Story eingehen. Für all diejenigen, die wie ich unter einem Stein gelebt haben. Aber ich kann euch, sofern ihr Interesse daran habt, dieses Video von Hello Future Me empfehlen, der meiner Ansicht nach sehr gute Arbeit in der Analyse des Storytellings von The Last of Us liefert.

Schleichen, töten, überleben

Auf der spielerischen Ebene hingegen wird das Thema schon schwieriger und nicht mehr gänzlich so überschwänglich.The Last of Us ist ein Third-Person-Shooter mit großen Survival- und Stealth-Abschnitten. Als Joel erkunden wir Straßen, Gebäude oder andere Levelabschnitte auf der Suche nach dem richtigen Weg sowie Ressourcen, um im Falle eines Falles gerüstet zu sein. Die Welt von The Last of Us ist nicht bloß bevölkert von infizierten Klickern. Auch andere Überlebende haben sich an die rauen Bedingungen angepasst. Und so begegnen wir immer wieder Banditen und feindlichen Gruppen, die uns unserer Ressourcen berauben wollen.

Die Werkbank aus The Last of Us Part II findet auch im Remake Verwendung

Ressourcen sind neben den vereinzelten Kettenanhängern der Firefly-Rebellen der wichtigste Grund, um die Level von oben bis unten abzusuchen. Munition für unsere Waffen und Tabletten zum Aufwerten von Joels Werten, aber auch Tuch, Öle oder Klingen helfen dabei, sich so gut es geht auf die anstehenden Aufgaben vorzubereiten. Diverse Rezepte in der Welt helfen uns, speziellere Gegenstände wie Nagelbomben oder temporäre Aufrüstungen unserer Nahkampfwaffe zu craften. Das Menü ist überschaubar und simpel, Crafting funktioniert in “Echtzeit”, damit das System mitten in der Action nicht zu sehr ausgenutzt werden kann.

Dieser Survival-Aspekt ist allerdings auf der voreingestellten Schwierigkeitsstufe nicht sehr fordernd. Leider war das Anschleichen an menschliche und infizierte Gegner und anschließend das heimliche Ausschalten zu effektiv, weswegen mein Verbrauch an Ressourcen sehr gering ausfiel.

Wie eine Fledermaus

Insgesamt fand ich das Schleichen in The Last of Us erstaunlich simpel. Der wichtigste Faktor war hier die Möglichkeit, durch Lauschen und Innehalten Silhouetten zu erzeugen, die uns die Position von Gegnern verraten. Ich muss zugeben, ich bin narrativ betrachtet kein Freund von dieser Mechanik. Eine ungefähre Ahnung, wo sich etwas befindet, finde ich in Ordnung. Aber ein solcher “Röntgenblick”, der sich damit einstellt? Joel war vor der Apokalypse wahrscheinlich heimlich Superheld in seiner Freizeit.

Insgesamt ist das Pacing zwischen den einzelnen Abschnitten allerdings gelungen. Es gibt genug Abwechslung zwischen den Cutscenes und Erkundungsmomenten mit eingestreuten Dialogen sowie Schleich- und reine Actionabschnitte. Wer also von den ewig wiederkehrenden Wellen eines Uncharted genervt war, braucht die hier nur selten zu befürchten. Lediglich ein Fehlschlag beim Schleichen sorgt in der Regel dafür, dass alle Gegner in der Umgebung weitestgehend auf uns aufmerksam werden. Klicker attackieren uns dann direkt, menschliche Gegner versuchen uns zu flankieren. 

Die Gretchenfrage beim Remake

The Last of Us ist ein unglaubliches Spiel. Doch braucht es bereits neun Jahre später ein Remake? Diese Frage kann ich schwer beantworten. The Last of Us Part One ist die beste Version dieses Spiels, die es auf dem Markt gibt. Das Spiel wurde weitestgehend 1 zu 1 neu aufgelegt. Abgesehen von vereinzelten Kameraperspektiven sind selbst die Abläufe von vorgerenderten Cutscenes identisch. Doch gerade das Leveldesign profitiert enorm von der Fülle an neuen Details, gerade auf narrativer Ebene. Gesichter sehen weitaus besser aus, Straßen und Gebäude bieten mehr Feinheiten. 

Doch der grafische Sprung wird in erster Linie durch das enorm verbesserte Lighting getragen. Bot das Original noch starre Lichtquellen, nutzt Part One die Lichtquellen innerhalb eines Levels wie beispielsweise Flammen und indirektes Licht. Schattenwurf oder Reflektionen sind auf diese Weise so realistisch wie nie zuvor. Und das ohne Raytracing!

Woah, bleib mir weg!

Dies sind alles technische Details, die unter Umständen für die meisten Personen keinen Kaufgrund für das Remake darstellen. Spielerisch hingegen ist das Remake sehr selektiv gewesen. Einige Elemente aus The Last of Us Part II haben den Weg in das Spiel geschafft, wie beispielsweise das verbesserte Interface, Werkbänke oder eine andere Form des Bogenschießens. Andere Elemente hingegen, wie das Ausweichen im Nahkampf per Tastendruck, haben es nicht ins Spiel geschafft. 

Auf persönlicher Basis finde ich es schade, dass Naughty Dog eine Chance ungenutzt hat verstreichen lassen: den DLC Left Behind direkt ins Spiel einzubinden. Leider ist dieser weiterhin nur über das Menü ansteuerbar, obwohl er sowohl narrativ als auch spielerisch ideal an einen speziellen Punkt innerhalb des Spiels integriert werden kann. Mich hat der DLC sehr getroffen und eventuell hätte es die Wirkung vom Ende des Hauptspiels noch ein Stück intensiver gemacht, hätte ich den DLC an der “richtigen” Stelle gespielt. Aber ich habe mich halt in Ellie verliebt…

Und nun fordere ich Part II zum Tanz auf!

Mal schauen, ob das so bleibt! The Last of Us Part II habe ich sofort hinterher angefangen, weil mich dieser erste Teil enorm überzeugen konnte. Minimale Schwächen im Gameplay, die sich vor allem auf die Herausforderung auswirken, werden von der spielerischen Abwechslung und dem Pacing überstrahlt. Doch dies alleine macht The Last of Us nicht zu etwas Besonderem. Stattdessen ist The Last of Us auf nahezu allen narrativen Ebenen ein Highlight. Und das trotz allseits bekannter Elemente des Genres. 

Als The Last of Us Part One kann ich das Spiel nur jedem ans Herz legen, der noch nicht in den Genuss gekommen ist und dieser Form von Spielen aufgeschlossen gegenüber steht. Es ist die beste Version des Titels auf dem Markt. Kenner des Spiels werden allerdings diesem Remake wenig abgewinnen können, da die Neuheiten deren damaliges Erlebnis nicht übertreffen können. Kleinere Quality of Life-Verbesserung hat es auf spielerischer Ebene schon, aber nicht genug, um Sonys Preispolitik zu rechtfertigen.

Videospielgeschichte auf PlayStation 5 nachgeholt. Ein herzlicher Dank geht an Sony Computer Interactive für die Bereitstellung des Mustercodes.