Rite (Review)

Super Meat Boy hat in den frühen Tagen des modernen Indie-Spielemarktes ein Trendgenre etabliert, das in vielerlei Hinsicht an frühe Jump & Runs der 80er erinnert: Das pixelgenaue 2D Jump & Run auf einem einzelnen oder wenigen Bildschirmen. Ende des Monats kommt mit Rite ein neuer Vertreter des Genres, der angenehm leichtgewichtig daher kommt und komplett ohne Story oder sonstigen Ballast direkt zur Sache kommt.

Mechanisch betrachtet ist Rite enorm simpel, denn es gibt je nach Zählweise nur zwei bis drei Aktionen, die man ausführen kann. Man kann seinen Charakter nach links oder rechts bewegen, springen und, wenn man eine Wand entlang rutscht, einen Wandsprung durchführen. Auf alle weiteren Fähigkeiten, die sonst häufig Verwendung finden, wie Doppelsprung oder Dash verzichtet der Titel. Das hat den Vorteil, dass man das Spielprinzip in Windeseile verinnerlicht hat, bedeutet aber umgekehrt, dass spielerische Abwechslung ausschließlich durch die Gestaltung der insgesamt 160 Level geschaffen werden kann.

160 Level klingt zunächst nach einem Mammutspiel, allerdings muss man berücksichtigen, dass jedes Einzellevel nur aus exakt einem Bildschirm besteht, der zudem auch noch in aller Regel in gewisser Hinsicht eine Symmetrie aufweist. Um ein Level erfolgreich abzuschließen, braucht man im Erfolgsfall sicherlich weniger als eine Minute. Wie bereits zu Beginn angedeutet heißt das aber noch lange nicht, dass man Rite in einer Sitzung abschließt, denn der Anspruch gerade an die Genauigkeit des Spielers ist in vielen Leveln geradewegs enorm. Zwar schwankt der Schwierigkeitsgrad erheblich und selbst in der letzten Welt gibt es immer wieder Level, die man realistisch im ersten Versuch abschließen kann, aber dennoch gibt es unzählige Situationen, in denen man pixelgenaue Sprünge durchführen muss, die hinsichtlich ihres Timings oftmals kaum reaktiv zu beherrschen sind.

Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir in der Hinsicht ein Level, in dem man mit Wandsprüngen exakt durch eine Lücke springen muss, die so hoch ist wie der Hauptcharakter. Wie üblich ist die Kollisionsbox ein wenig enger als der Charakter selbst, so dass es grundsätzlich ein wenig Spielraum geben könnte, der Sprungbogen frisst diesen Spielraum aber gehörig auf. Später wird die Bedingung für einen derartigen Sprung noch einmal drastisch verschärft, indem oberhalb der Lücke Stacheln angebracht sind, so dass man nicht nur präzise in das Loch wandspringen muss, sondern obendrein bei einem Überschießen das ganze Level von vorn beginnen muss.

Die sehr häufig eingesetzte Symmetrie des Leveldesigns – entweder indem das Level an einer Achse gespiegelt ist, oder in dem an das Level erst von links nach rechts und dann von rechts nach links abhüpfen muss, bedingt, dass ein besonders markantes Element in der Herausforderung von Rite die Wiederholung ist. Der bereits angesprochene Wandsprung beispielsweise ist für sich ziemlich schwierig, aber wenn man nur einen solchen Wandsprung schaffen muss, ist das eine merklich andere Situation als wenn man vier oder mehr am Stück schaffen muss. Das bedeutet nämlich, dass man eine recht hohe Sicherheit für jeden Einzelsprung benötigt, da einen anderenfalls die multiplikativen Erfolgswahrscheinlichkeiten verzweifeln lassen.

Über das gesamte Leveldesign hinweg schafft Rite es allerdings, einen sehr guten Rhythmus aufzubauen und den Spieler durchweg zu motivieren und zu fordern. Etwas eigenwillig erscheint jedoch die Entscheidung, die letzte Welt hinter einem Sammelgegenstand zu verschließen. In jedem Level gibt es nämlich 20 goldene Artefakte zu sammeln, die in den allermeisten Levels an schwierigere Routen und Umwege gebunden sind. Das Spieldesign impliziert eigentlich recht stark, dass diese Sammelgegenstände nur als Zusatzherausforderung dienen, doch wenn man nach der vierten Welt die fünfte betreten möchte, muss man in allen vorherigen Levels alle goldenen Artefakte (in einem Durchlauf) eingesammelt haben. Man kann dem Spiel hier keine mangelhafte Transparenz vorwerfen, denn diese Freischaltbedingung ist, wenn man sich die Weltenauswahl anschaut, von Beginn an ersichtlich, dennoch ist es etwas fraglich, diese Bedingung an das Betreten der letzten Welt zu setzen, gerade wo bin dahin die goldenen Artefakte keinerlei Rolle spielen.

Rite ist ein gut designtes, forderndes und motivierendes Jump & Run mit einer eingängigen und simplen Spielmechanik und zahlreichen kniffligen Leveldesigns. Einige Sprungpassagen verlangen in meinen Augen eine Präzision, die Auswendiglernen nahezu zwingend erforderlich macht, was ich etwas schade finde, doch davon ab ist Rite eine gute Wahl für geübte Jump & Run-Spieler.

Getestet auf Nintendo Switch. Vielen Dank an IndiEXP für die Bereitstellung des Testmusters.