Lost in Play (Review)

Artwork zu Lost in Play

Das Jahr 2022 entwickelte sich über die letzten acht Monate zu einer kleinen Achterbahnfahrt. Spiele, die ich mir jahrzehntelang erhofft habe, breche ich nach wenigen Spielstunden ab. Andere Spiele, deren Genre mir zuweilen nicht so nah erschien, überzeugen mich auf ganzer Linie. Und dann natürlich die ganze Fülle an Spielen aus dem Indie-Bereich, die mal ein unerwarteter Hit oder ein ernüchternder Flop geworden sind. Die letzten Tage gesellte sich ein weiterer Titel in diese Reihe von Indies hinein: Lost in Play. Doch auf welche Seite schlägt die Waage dieses Mal aus: Hit oder Flop? Bitte nicht schummeln, Ampel erst einmal ignorieren und vorerst den Text lesen!

Mit Herz, Charme und Fantasie durch Lost in Play

Im Vorfeld habe ich nicht viel von Lost in Play erwartet. Das Adventure von Happy Juice Games hat mir in seinen Trailern nicht allzu gut vermitteln können, was auf mich zukommt. Offensichtlich war natürlich der Artstyle des Spiels. Angelehnt an amerikanische Zeichentrickserien wie Disenchantment wurde die farbenfrohe Welt der Fantasie zweier Geschwister sehr lebhaft auf mein Steam Deck gebracht. Wenn die Ladezeiten zwischen den einzelnen Abschnitten nicht gewesen wären, könnte das Adventure beinahe als solch ein Zeichentrickfilm durchgehen.

Die Geschichte erzählt von zwei Geschwistern, die sich aus Langeweile beim Spielen eine ganze Fantasiewelt erdenken. In dieser Welt lauern immense Gefahren und nur mit der Hilfe unterschiedlicher Wesen gelingt es den beiden, rechtzeitig wieder nach Hause zu finden. Lost in Play hat keine hochdramatische oder emotionale Narrative zu bieten, sondern überzeugt mit einer abwechslungsreichen und zuweilen humorvollen Abenteuergeschichte. Ich finde es erstaunlich, wie sehr ich das Spiel, seine Welt und die Charaktere trotz einfachstem Storytelling ins Herz schließen konnte. Meine Hochachtung haben hier vor allem die Animationskünstler, die dem Zeichentrick mit winzigen, kleinen Augenblicken enorm viel Leben eingehaucht haben. Andere Adventure-Spiele aus diesem Jahr haben dies nicht geschafft.

Screenshot aus Lost in Play
Sei nicht so kurz, mein kleiner Frosch!

Doch schon schnell enthüllte sich vor mir die wahre Natur von Lost in Play. Anders als viele andere Indies verlässt sich Happy Juice nicht nur auf sein Äußeres oder vage Andeutung tieferer Bedeutung. Lost in Play ist hingegen ein simples Point’n’Click-Adventure, in dem wir jeweils eine der Figuren durch geschlossene Levelabschnitte steuern. Diese Level bieten nicht nur den schier grenzenlosen Einfallsreichtum der beiden abenteuerlichen Kinder, sondern ein aus dem Genre altbekanntes, mehrschrittiges Missionsdesign. Hier mal einem viel zu kurzen Frosch helfen, an seinen Hut im Baum zu kommen. Dort den Bruder aus einer misslichen Pinocchio-esken Lage befreien. 

Zu kurz gedacht, zu leicht gemacht

Aufgelockert wird dieses aber durch einstweilige Schiebe- oder Logikrätsel, die clever in den jeweiligen Moment der Handlung eingewoben sind. So erhalten wir an einer Stelle nur dann unsere Belohnung, wenn wir unterschiedliche Erinnerungsfragmente in die richtige Reihenfolge bringen. Oder es gilt einen Mühlestein so einzukesseln, dass dieser sich nicht mehr bewegen kann. Es sind leider nicht allzu viele neue Ideen darunter. Doch diese Abschnitte haben dem Pacing von Lost in Play sehr gut getan, da der sonstige Ablauf schnell monoton hätte werden können.

Ein Grund für diese Monotonie dürfte die Schwierigkeit von Lost in Play sein. Während manche Adventures – gerade älterer Schule – oftmals unsere Gehirnwindungen verknotet haben, kommen die Level hier sehr einfach daher. Das Item-Management beschränkt sich stets auf einzelne Abschnitte und auch das Missionsdesign nimmt uns schnell die richtigen Schlüsselobjekte wieder ab, nachdem wir diese gefunden haben. Die Babbelsprache der anwesenden Personen war vielleicht nicht der schönste Klang, den meine Ohren je vernommen haben. Aber in Verbindung mit den bildhaften Sprechblasen half sie sehr, um das simple Rätseldesign schnell zu durchschauen. Dann noch ein wenig Aufmerksamkeit für das Level und das Spiel ist schon fast durch. 

Screenshot aus Lost in Play
Lara Croft GO lässt hier freundlichst grüßen

Wer Herausforderung sucht, der kann sie unter Umständen in den Puzzle-Segmenten von Lost in Play finden. Ich musste beispielsweise noch einmal eine Nacht drüber schlafen, um die kniffligste Lösung eines Tiefseefisch-Rätsels zu knacken. Zugegeben, danach wirkte es simpel und ich fühlte mich blind, aber das lässt sich im Nachhinein immer sagen. Wer allerdings wirklich Hilfe benötigt und des Rätsels Lösung nicht erträumen möchte, für den hat das Spiel auch was parat. Ein Tastendruck enthüllt uns schnell, wie eine etwaige Lösung oder der Weg dahin aussehen könnte. Die wenigen Momente, in denen ich es ausprobiert habe (natürlich für euch und diese Review, nicht für meine eigene Blödheit!), waren zum Glück nicht allzu offensichtlich, aber dennoch ein guter Denkanstoß.

Solide und spaßig – was will man mehr?

Wer Happy Juice Games bisher nicht auf dem Zettel hatte, sollte das Studio spätestens jetzt im Blick behalten. Lost in Play ist nicht das innovativste Spiel unter den Adventures und schafft es auch nicht, dem Jahr 2022 seinen eigenen, individuellen Farbtupfer zu verleihen. Doch der Titel hat mir knappe drei Stunden Spaß von vorne bis hinten gemacht. Wie in einem spielbaren Cartoon wandern wir durch die Level, begegnen skurrilen Figuren und lösen das ein oder andere Rätsel.

Lost in Play versprüht so viel Charme und schafft es auch ohne Innovationen oder Fortschritte innerhalb seines Genres ein gutes Spiel zu sein. Was will man mehr? Also ich kann den nächsten Titel des Studios kaum erwarten. Und ihr solltet reinschauen, sofern ihr Adventures liebt, humorvollen Fantasywelten was abgewinnen könnt oder einfach nur einen soliden, spaßigen Titel ohne große Schwächen erleben wollt. Kein echter Hit, aber weit von einem Flop entfernt.

Fantasievoll verträumt auf Steam Deck. Ein herzlicher Dank geht an Joystick Ventures für die Bereitstellung des Mustercodes.