Five Dates (Review)

Artwork zu Five Dates. Fünf Frauen sind oben jeweils auf dem Bildschirm eines SMartphones nebeneinander zu sehen. Unten befindet sich der Hauptcharakter vor dem Logo als Hintergrund sowie einem weiteren männlichen Charakter.

Kunstschaffende machen oftmals aus ihrer Not eine Tugend. Und so hat die letztes Jahr über uns hereinbrechende Pandemie nicht nur negative Auswirkungen gehabt. Das Entwicklerteam von Good Gate Media hat mit Five Dates ein FMV-Adventure Ende des letzten Jahres auf den Markt gebracht, welches seine romantisch-komischen Geschichten während des Lockdowns in England spielen lässt. Dennoch schwebte während meiner Dates ein schlechtes Omen über mir. Das bisher letzte Spiel von Good Gate Media, ebenfalls unter Lockdown-Bedingungen entstanden, hat meine bisher einzige rote Ampel im Village kassiert. Ob dieses Schicksal auch Five Dates drohte?

Qual der Wahl bei Five Dates

Vinny ist Single, doch gleichzeitig auch der Einsamkeit des Lockdowns überdrüssig. Daher probiert er auf Drängen seines besten Freundes Callum eine Dating-App aus, die ihm in Windeseile fünf auserwählte Partnerinnen vorschlägt. Five Dates ist ein linear erzähltes Full Motion Video Adventure, in dem die Szenen komplett mit Handy- oder Tabletkameras aufgenommen worden sind. Die Schauspieler:innen, allen voran Taheen Modak als Vinny, machen das Beste aus den spartanischen Lockdownbedingungen. Er und die Anderen hauchen den Charakteren viel Leben ein. Dies ist auch wichtig, um in den Dates herauszufinden, welche Frau am besten “zu uns” passt, und bis in die letzte Runde der Dating-App vorzudringen.

Screenshot aus Five Dates. Szene mit Vinny in der Frontalansicht, unten befinden sich Die Auswahlmöglichkeiten "Accept" und "Refuse".
Klassisches FMV-Gameplay in leicht verändertem Gewand, da Entscheidungen Ziele verfolgen

Die Dating-App in Five Dates operiert in gewisser Hinsicht wie ein sportliches Turnier. Zu Beginn wählen wir aus den fünf Interessentinnen lediglich beim Blick auf deren knappen Profile drei Partnerinnen für ein Videodate aus. Anschließend fällt in jeder Runde ein Date heraus, sofern man es selbst geschafft hat das Date erfolgreich abzuschließen. Dies klingt zunächst leichter, als es sich im Endeffekt herausstellt. Denn Five Dates bekommt es recht gut hin, eine solide, spielerische Basis für das Entscheidungs-basierte Adventure zu erschaffen.

Ein einzelner Durchgang dauert beim ersten Mal knapp anderthalb Stunden. Dies ist eine übliche Filmlänge und ist sicherlich davon abhängig, wie erfolgreich wir uns als Vinny in den Dates schlagen. Während unsere Entscheidungen zu Beginn – also Interessen, Beruf und Sternzeichen – sehr wenige Auswirkungen auf den späteren Verlauf der Dates haben, üben während der Dates unsere Aussagen einen enormen Einfluss aus. Ein falsches Wort und unsere Gegenüber verliert schlagartig jedes Interesse an uns. Das richtige Wort hingegen bringt uns einem zweiten oder dritten Date stetig näher. Es ist von elementarer Bedeutung in Five Dates, die Charaktere korrekt einzuschätzen, deren Worte und Mimiken korrekt zu deuten und dementsprechend zu reagieren.

Wahrheit oder Pflicht

Hilfreich ist in dem Fall sicherlich, dass Vinny für sich selbst betrachtet eher ein “leerer” Protagonist ist. Wir wissen nichts über ihn, weswegen wir uns bei den Antworten nahezu komplett auf das Gespür der Autor:innen sowie unserer eigenen Vorstellung, was Paige, Saffron oder eine andere der Datingpartnerin hören will, verlassen können. Oft fällt dies relativ leicht, weil die Frauenrollen sehr klischeebehaftet daherkommen. Es verbirgt sich dennoch manch Stolperstein in den fünf Dating-Geschichten. Das Date mit einer speziellen Frau beispielsweise ist sehr wendungsreich und hebelt seine eingangs aufgesetzten Klischees gut aus. Dadurch wirken die drei Dates mit ihr sehr unterhaltsam, auch wenn hier der korrekte Pfad meiner Ansicht nach der deutlich “schwerste” ist.

Screenshot. Szene mit Saffron, die vor der Kamera eine Yoga-Pose macht. Links neben ihr steht ein Tisch mit Büchern sowie Kunstskulpturen.

Im richtigen Moment das Richtige zu tun und zu sagen, kann im normalen Leben sehr anstrengend werden. Bei Five Dates hingegen haben wir den Vorteil, dass wir bei einem erneuten Durchgang wissen, was wir bereits in den vorherigen Läufen durchgemacht haben. Und so puzzlen wir uns gedanklich nach und nach den Weg in ein erfolgreiches drittes Date mit allen fünf Frauen. Dieses Vorwissen, verbunden mit einem gewissen empathischen Gespür, haben für mich Five Dates ein wenig über die herkömmlichen Movie-Adventures hervorgehoben. Entscheidungen in Videospielen sollten die Handlung nicht “irgendwie” voranbringen und lediglich die Richtung auf der Storyachterbahn bestimmen. Die daraus resultierenden Ereignisse sollten Konsequenzen haben, neue Pfade eröffnen und eventuell auch in Sackgassen führen. Ansätze dieser Qualität sind hier gut zu erkennen, auch wenn das Spiel leider nicht das komplette Potenzial ausschöpft.

Von Klischees und Widersprüchen geschlechtsreifer Großstädter

Ein FMV-Adventure steht und fällt natürlich mit der grundlegenden Story. Und während ich bereits eine Datinggeschichte als sehr wendungsreich beschrieben habe, so fallen die anderen mehr oder weniger stark davon ab. Drei weitere haben sehr sympathische Gespräche mit nachvollziehbaren Charakteren zur Grundlage, enden aber auf einer recht unspektakulären Note. Und die letzte Story zeigt so viele Widersprüche auf, dass deren “gutes Ende” sich komplett falsch anfühlt. Im Gegenteil, die Frau aufgrund ihres Lügengebildes zur Verantwortung zu ziehen, wirkt weitaus authentischer, gerade weil wir nur sehr wenige Hinweise darauf bekommen, warum sie diese Fassade aufgebaut hat. Und die Fassade ist im guten Ende dieses Dates kaum angesprochen.

Screenshot. Szene mit Paige vor einem grauen Vorhang, lächelnd und Kamera mit einem Finger ausschaltend.
Ein falsches Wort und schnell beendet eure Gegenüber das Date

Gleichzeitig sorgt die Rolle von Vinny als Hülle, in die wir uns hineinversetzen sollen, für weitere Widersprüche. So können wir Saffron erzählen, dass wir seit Jahren Veganer sind, während wir gleichzeitig Grace mit unseren reichhaltigen Kochkünsten aus allen Bereichen der Küche beeindrucken können. Oder wir erzählen Paige zuerst, dass wir schon viel Erfahrung im Onlinedating haben, während wir danach Maya das Gegenteil erzählen. Dies ist ein kleinerer Schluckauf im narrativen Getriebe und stört den Gesamteindruck. Zudem kann das Spiel dem thematischen Verdacht anheimfallen, dass Männer sich stets verstellen, nur um mit einer Frau in der Kiste zu landen. Umso bedauerlicher ist es, dass Five Dates wieder und wieder auf Klischees zurückgreift. Denn die Szenen, in denen sich das Spiel nicht darin verliert, zeichnen sich nachvollziehbare Szenarien menschlichen Verhaltens ab.

FMV-Fans sollten Five Dates eine Chance einräumen

Vor wenigen Wochen habe ich den bisher letzten Titel des Studios, Night Book, mit einer roten Ampel bewertet. Der Abstand zu Five Dates ist allerdings trotz einer einzigen Farbe Unterschied gewaltig. Five Dates – geschaffen unter denselben schwierigen, pandemischen Bedingungen – kann auf vielen Ebenen überzeugen. Die Schauspieler:innen sind gut und mit Freude an der Sache dabei. Unsere Entscheidungen treiben nicht nur die Story voran, sondern müssen auf Basis unseres Einfühlungsvermögens zielorientiert getroffen werden. 

Leider schafft es das Spiel nicht immer aus seinen vielfältigen Klischees auszubrechen und so den Dialogen die ab und an aufkeimende Tiefe über die komplette Spielzeit hinweg zu verleihen. Die fünf Date-Geschichten sind zudem von einer teilweise stark schwankenden Qualität und unsere Entscheidungen widersprechen sich beizeiten. Das abgesehen von einer Story der Rest sympathisch, aber belanglos ist, hilft nicht wirklich dabei für Five Dates eine allgemeine Empfehlung zu geben. Dennoch sollten Adventure-Liebhaber einen Blick riskieren, weil dieses FMV mehr Spiel geworden ist, als andere Vertreter seines Genres.

Gespielt wurde die PlayStation 4-Version auf PlayStation 5.