Glyph (Review)

In einem 3D Jump & Run spielt man üblicherweise Charaktere mit annähernd menschlichen Körperformen. Deutlich seltener ist auf Grund der ungünstigen Dimensionen für präzise Sprünge ein Vierbeiner. Doch kugelförmige Charaktere sind eine Seltenheit, nicht zuletzt weil Kugeln auf kleinen Plattformen zu einer fummeligen Angelegenheit werden können. In Glyph schlüpft man in die Rolle eines Insekts, das sich größtenteils in Kugelform fortbewegt und darf sich auf teilweise haarsträubenden Kursen als Hüpfspielmeister beweisen.

Die Geschichte von Glyph wird in kurzen Konversationen mit einem zweiten Insekt, das in jedem Level zu finden ist, erzählt. Glyph muss einen alten Tempel aus den Klauen eines großen bösen Wächterroboters befreien und um gegen diesen antreten zu können, muss Glyph allerlei Münzen, Diamanten und Käferabzeichen sammeln. Zwar gibt es noch viele Details, die im Laufe des Spiels erklärt werden, allerdings ist es nicht sehr angenehm, die Konversationen zu starten oder zu lesen und so habe ich mich bereits nach kurzer Zeit ausschließlich auf das Jump & Run Gameplay konzentriert.

Mechanisch gesehen ist Glyph ein äußerst ungewöhnliches Spiel. Zwar kann Glyph wie zu erwarten rollen und springen, hinzu kommen aber ein Stampfmove, bei dem Glyph nach unten rauscht und dann wie ein Ball wieder nach oben stößt und ein Kurzstreckenflug, mit dem Glyph in der Luft viel Geschwindigkeit aufbauen, aber auch effektiv vor einer Kollision abbremsen kann. Interessant ist dabei, dass Glyph sich sehr stark an der realen Physik orientiert, was Abstoßung von geraden Flächen, Kanten und Ecken anbelangt. Auf der anderen Seite ist der Stampfmove erstaunlich statisch und die Sprunghöhe des Rückstoßes scheint nur von der Beschaffenheit des Untergrunds abzuhängen, nicht von der Fallhöhe. Etwas ungewöhnlich ist die Handhabung der Sprungfähigkeit. So kann man jederzeit in der Luft abspringen, sofern man seit dem letzten Kontakt mit einer nicht tödlichen Fläche nicht gesprungen ist. Man kann also beispielsweise von der Kante einer Plattform herunterrollen und dann erst in der Luft springen. Stößt man sich den Kopf an einer nicht tödlichen Plattform, kann man anschließend ein weiteres Mal springen. Wenn man eine besondere Oberfläche berührt, kann man sogar einmalig einen Doppelsprung durchführen.

Die Kombination der Manöver, die einem im Spiel zur Verfügung stehen, machen einen Großteil des Spaßes in Glyph aus. Beispielsweise kann man nach einem Stampfer mit einem Doppelsprung und einem gut getimten Flugmanöver deutlich höher gelangen, als wenn man die gleichen Moves mit einem etwas großzügigeren Abstand ausführt. Selbst in der Mitte des Spiels habe ich noch mehr über die Mechaniken im Spiel gelernt. Die Spielmechanik von Glyph ist frisch und unterhaltsam, birgt aber auch ein außerordentliches Frustpotential. Leider ist es nämlich an vielen Stellen so, dass minimale Unterschiede in der Eingabe ganz gewaltige Unterschiede im Ergebnis zur Folge haben, insbesondere wenn man in Kontakt mit gewölbten Untergründen gelangt.

Das Leveldesign in Glyph ist in zwei Kategorien geteilt, Erkundung und Time Attack. Der Großteil der Level sind Erkundungslevel, in denen man verschiedene Sammelgegenstände sammeln kann, die verwendet werden um weitere Level freizuschalten. Um ein Erkundungslevel erfolgreich abzuschließen, muss man zwischen einem und drei Schlüssel sammeln und dann das Levelziel erreichen. Die Erkundungslevel sind abwechslungsreich gestaltet, werden zum Ende hin aber stellenweise geradezu sadistisch, weil man teilweise sehr viele äußerst knappe Sprünge über winzige Plattformen in ziemlich ungünstigen Winkeln absolvieren muss, bevor man das Level abschließen kann. Ein Level hat mich zum Ende des Spiels hin fast drei Stunden Spielzeit gekostet, was in Anbetracht des Levelumfangs von etwa fünf Minuten eine Menge ist.

In der Spitze nicht ganz so schwer, aber dafür über das ganze Spiel hinweg erstaunlich anspruchsvoll sind die Time Attack Level, die stets eine sehr kurze Aufgabe von etwa 20 bis 40 Sekunden bietet, die man möglichst schnell absolvieren muss, um wiederum Sammelgegenstände zu erhalten, mit denen man neue Level freischalten kann. Die kniffligsten und mitunter haarsträubendsten Sprungpassagen finden sich in den Time Attack Levels, allerdings stellt die geringe Spieldauer dieser Level sicher, dass man nicht exzessiv viel Zeit in einem einzelnen Time Attack Level zubringt. Ein kleines Lob übrigens noch in Sachen Gewalt: In Glyph kann man selbst nicht kämpfen und es gibt auch nur in sehr wenigen Levels Gegner, die dann aber ihrerseits auch nicht direkt töten, sondern Glyph nur durch die Gegend schubsen.

Technisch ist Glyph ordentlich, aber leider nicht fehlerfrei. Insbesondere die Framerate kann stellenweise etwas instabil werden und gelegentlich kommt es zu recht deutlichen Hängern, die durchaus den einen oder anderen Neustart verursachen können. Davon ab ist die Grafik simpel, aber zweckmäßig und vor allem leicht zu lesen, was essentiell ist in Anbetracht der schnellen Entscheidungen, die das Spiel vom Spieler abverlangt. Allerdings ist die Kamera gelegentlich ein echtes Ärgernis. Zwar kann man die Kamera über den rechten Stick frei bewegen, aber das Eigenverhalten der Kamera ist in engen Situationen, die in Glyph gerade die besonders stressigen sind, ziemlich unglücklich. Wenn ein Objekt zwischen Glyph und der Kamera ist, zoomt die Kamera gerne nah an Glyph heran, bis man Glyph sieht und sorgt damit teilweise dafür, dass Geometrie, an der man sich gerade verzweifelt entlang hangelt, unsichtbar wird. Das ist im Allgemeinen kein völlig unübliches Kameraverhalten, für Glyph wäre aber eine Lösung mit Semitransparenzen nahezu Pflicht gewesen.

Glyph ist ein sehr interessantes und kreatives 3D Jump & Run mit gutem Leveldesign. Allerdings ist das Spiel auch in ungewöhnlichem Maße frustrierend und verlangt eine Präzision, die kaum mit absoluter Sicherheit erlernt werden kann. Dadurch wirkt Glyph stellenweise ein wenig so, als wäre eine ordentliche Portion Glück involviert. Hat man die Mechaniken einmal wirklich verinnerlicht, belohnt Glyph den Spieler aber auch mit einigen wirklich rasanten und intensiven Spielmomenten.

Getestet auf Nintendo Switch.