Resident Evil Village (Review)

Promobild Resident Evil Village. Ein im Dunkeln schwach ausgeleuchtetes Gesicht eines Mannes bei leichtem Schneefall, darunter überlagert von Logo von Resident Evil Village.

Wenn mir jemand vor zwei Wochen erzählt hätte, dass ich just in diesem Augenblick an einer Review von Resident Evil Village sitzen würde –  zerrissen von den unterschiedlichen Eindrücken, die mich das neue Horror-, oder vielmehr Action-Abenteuer von Capcom zugleich lieben und hassen lassen -, dieser Person hätte ich wohl nicht weniger als ein Kopfschütteln übrig gehabt. Doch plötzlich sitze ich hier. Tippe Worte in ein fast leeres Dokument und versuche zu verarbeiten, was meine wilde Hatz durch das rumänische Dörfchen nach knapp zehn Spielstunden in mir hinterlassen hat. Und berichte darüber, wie ich ein streckenweise haarsträubendes Spiel nichtsdestotrotz unterhaltsam fand.

Schaurige Rückkehr mit Resident Evil Village

Die Resident Evil-Reihe hat sich oftmals nicht gerade mit Ruhm bekleckert, gerade der sechste Hauptteil stellt für einige – auch für mich – ein wenig eine Zäsur dar, weswegen ich seitdem dem Franchise den Rücken gekehrt habe. Doch dem guten Ruf von Resident Evil 7 sowie der über die Jahre erschienenen Remakes ist es zu verdanken, dass ich mit Village wieder eingestiegen bin. Für genau solche Lausbuben wie mich, die einfach den Vorgänger überspringen, hat Capcom ein knappes Recap an den Beginn gestellt. Allerdings muss ich nach Abschluss des Spiels einräumen, dass es dieses kaum gebraucht hat.

Resident Evil Village spielt einige Jahre nach den schrecklichen Ereignissen von Teil 7 und Ethan Winters, der mittlerweile mit seiner Frau Mia eine kleine Tochter hat und nach Europa gezogen ist, muss mit ansehen, wie Chris Redfield vor seinen Augen Mia tötet. Ethan und das Baby werden daraufhin verschleppt, doch ein Unfall mitten in der rumänischen Einöde verschafft ihm die Möglichkeit zu fliehen. Auf der Suche nach seiner Tochter verschlägt es ihn in ein von Lykanern überranntes Dorf. Die Einwohner, die eigentlich unter dem Schutz des Überwesens Mutter Miranda und ihrer vier Lords stehen, sind diesen Werwölfen wehrlos ausgeliefert. In dieser drohenden Gefahr erfährt Ethan, dass seine Tochter von Miranda entführt wurde. Grund genug für Ethan nach dem Tod seiner Frau nicht auch noch seine Tochter verlieren zu wollen und den Kampf mit Lykanern und anderen Ausgeburten des Schreckens aufnehmen zu wollen.

Screenshot aus Resident Evil Village. Darstellung von Lady Dimitrescu im Zentrum, rechts und links jeweils eine ihrer Vampirtöchter.
Eine Review wäre ohne einen Blick auf Lady Dimitrescu einfach nicht vollständig

Man muss allerdings konstatieren, dass Resident Evil Village in bester Tradition zu anderen Ablegern der Reihe steht und trotz großem Raum für die Story genau diese nicht wirklich gut zu vermitteln weiß. Dies ist insofern bei Village ärgerlich, weil das Ende viel auf die emotionale Bindung der Spieler:innen zu Ethan Winters einzugehen versucht, dieser aber wahrscheinlich einen der langweiligsten Protagonisten der Videospielgeschichte darstellt. Kenner von Resident Evil VII dürften allerdings einige offene Fragen aufgelöst bekommen. Schwieriger gestaltet sich hingegen die starke Fragmentierung des Spiels, welches sowohl die Story als auch das Gameplay mitunter ein wenig in Mitleidenschaft zieht.

Resident Evil Village lässt sich im Großen und Ganzen in sechs spielerische Abschnitte unterteilen, die größtenteils andere spielerische Herangehensweisen fordern. Jeder basiert darauf, dass man aus der Egoperspektive die verzweigten Areale, egal ob das titelgebende Dorf, das Schloss der Lady Dimitrescu oder eine Reihe anderer Setpieces, erkundet und dort entweder Rätsel löst oder sich mit Lykanern, Ghulen und anderen Ungeheuern herumschlägt. Dabei sammelt man Waffen und Crafting-Material ein, um aus diesen wiederum Heiltränke, Munition oder explosive Geschosse wie Rohrbomben zu basteln.

In den Arealen versteckte oder von Gegnern fallen gelassene Schätze können beim Händler Duke verkauft und gegen Upgrades oder Munition eingetauscht werden. Aufgrund der Masse an Nachschub, die sich in Schubladen, Kisten und anderen Orten finden und bei Duke kaufen lässt, sollte Capcom allerdings langsam darüber nachdenken, Resident Evil nicht mehr als “Survival”-Horrorspiel zu vermarkten. Näher an der Realität wäre die Bezeichnung Horror-Ego-Shooter und unter dem Gesichtspunkt kann Resident Evil Village einige Male durchaus punkten. 

Inwieweit diese Abschnitte allerdings mal mehr, mal weniger Action oder Horror, Rätsel oder Shootereinlagen bieten, ist sehr unausgewogen. Die einzelnen Abschnitte verzahnen sich nicht wirklich organisch miteinander und sorgen dadurch für einen recht fragmentierten Eindruck. Ohne genau auf die Inhalte der Abschnitte eingehen zu wollen, um niemanden von euch zu sehr zu spoilern, aber Spieler:innen mit einem Faible für grotesken Horror kommen genauso auf ihre Kosten wie Shooter-Fans.

Diese Variabilität erkauft sich Village allerdings dadurch, dass nach einzelnen Abschnitte der jeweilige Designfokus komplett verlassen wird. So wird beispielsweise der sehr gute, psychedelische Horror nach einer knappen Spielstunde schon wieder verlassen und taucht in der Form leider nicht mehr auf. Eine bessere Streuung der einzelnen Elemente, um das Pacing des Spiels runder zu gestalten, wäre sicherlich zu bevorzugen gewesen. Lediglich die beiden größten Kartenareale könnte man als Weiterentwicklung zueinander betrachten, allerdings liegen hier etliche Spielstunden dazwischen.

Mutation zum Actionspektakel

Mit Resident Evil Village entwickelt sich die Reihe mehr als zuvor zu einem Ego-Shooter, allerdings kann das Gunplay an der Stelle noch nicht mit den Branchenführern mithalten. Zwischen Pistolen, Schrotflinte oder auch Scharfschützengewehr kann man nicht nur dank der adaptiven Trigger des DualSense auf PlayStation 5 gut unterscheiden, sie fühlen sich auch sehr charakteristisch an und versprühen Spielspaß. Andere Modelle derselben Kategorien hingegen wirken eher wie Reskins mit leicht verbesserten Werten. 

Artwork aus Resident Evil Village. Darstellung aus dem Fabrik-Levelabschnitt
Düstere Setpieces wie dieser stehen symptomatisch für die Neuausrichtung der Reihe

Das Level- und Gegnerdesign der einzelnen Areale sorgt dafür, dass man auf dem Standard-Schwierigkeitsgrad nur selten gefordert wird und sich die meisten Gegner – egal ob Standard oder Boss – auf dieselbe Weise erledigen lassen. Zudem ist die KI der Gegner in den meisten Fällen keiner Rede wert, gerade die “unbesiegbaren” Gegner sind mehr als Spannungstreiber verwendet, statt spielerisch zu fordern. Dafür lassen sich diese viel zu leicht düpieren. Sollte dann mal ein Gegner zu nahe gekommen sein, kann man sich durch eine Abwehrbewegung kurzzeitig schützen – ansonsten ist man für mehrere Sekunden in einer Sequenz gefangen, die auf Dauer ziemlich nervig sein kann. Flexibilität und Strategie werden selten abverlangt, erst ein recht später und in den sozialen Medien stark kritisierter Abschnitt versucht ein wenig aus diesem starren Korsett auszubrechen. Wenn nach diesem nicht der anspruchsloseste Abschnitt des gesamten Spiels kommen würde, wäre dies zusammen mit dem sehr gelungenen Endbosskampf ein guter Abschluss von Resident Evil Village gewesen. 

Das Auf und Ab bei Resident Evil Village zeigt sich in nahezu allen Facetten des Spiels wieder. Während die vereinzelten Puzzle des Spiels recht anspruchslos daherkommen, überzeugt das Dorf mit vielen kleinen Geheimnissen sowie optionalen Gefechten und Bosskämpfen, die sich bei jeder Rückkehr von Neuem eröffnen und eine gründliche Erkundung belohnen. Während die Soundkulisse an einigen Stellen wirklich fantastisch ist und für eine sehr dichte Atmosphäre sorgt, wirken die englischen Synchronsprecher stellenweise fehl am Platz. Und während die PlayStation 5 mit den adaptiven Triggern jeder Waffe ein individuelles Gefühl verleiht, ist die Optik mancherorts ein wenig altbacken und zeigt wenig von seinem Platz innerhalb einer neuen Konsolengeneration. 

Letztgenannter Aspekt wird allerdings gut durch das Artdesign von Resident Evil VIllage kaschiert, welches manchem Levelabschnitt oder Gegner einen klaren Wiedererkennungswert verleiht. Auf diese Weise wirkt das Dorf und seine nahegelegenen Gebiete trotz viel Tod und Verderben sehr real und lebendig. Unterstützt wird das zudem von einer Reihe lesbarer Dokumente, die das Worldbuilding abrunden und abseits des Hauptplots dem Spiel ein stimmiges Gesamtbild verleihen.

Fazit

Egal wie man es dreht und wendet, Resident Evil Village kann man mit einem einzelnen Statement sehr schwer gerecht werden, denn es macht zu viel richtig und zugleich so viel falsch. Und so wirkt der Teil oftmals, als hätte Capcom die besten Zutaten aus dem gesamten Franchise  in einen Topf geworfen, erneut wie bei Resident Evil 6 mit einem leichten Übermaß an Action gewürzt und so ein Spiel kredenzt, welches das Fanlager in zwei Hälften spalten wird. Jene, wie auch mich, die kein Problem mit der Abkehr vom Survival haben, weil einige Level von Village eine gute Mischung aus Ego-Shooter und groteskem Horror bieten und die einer Weiterentwicklung der Reihe zum Horror-Shooter offen gegenüberstehen. Und jene, die sich einen hoch budgetierten Survival-Horror wünschen, weil man sich in dem Genre beinahe nur noch bei Indie-Entwicklungen gehört und aufgehoben fühlt. Durch den steten Wechsel guter, belangloser oder sogar schlechter Elemente leidet allerdings leider der Gesamteindruck. 

Getestet auf PlayStation 5.