Der große Village-Jahresrückblick 2023

Sascha Ritter (Knightingale)

2023 dürfte wahrscheinlich für mich das beste Spielejahr seit langer Zeit gewesen sein. Dies lag aber nicht nur an Titeln dieses Jahres, denn mit Outer Wilds und Hollow Knight habe ich zwei Hochkaräter nachgeholt, deren Qualität für mich unbestreitbar ist. Dieses Jahr kam da leider nichts heran und ich vermute bei den zahlreichen Backlog-Titeln, die mir der Releasekalender dieses Jahr beschert hat, dass da auch nichts dran kommen wird. Nichtsdestotrotz war 2023 unglaublich und hatte so viele Überraschungen und TOP-Ereignisse zu bieten.

Die Überraschungen meines Jahres

Wer mir nach dem Release von Dragon Quest Treasures und meinem gebrochenen Herzen gesagt hätte, dass ich zum Zeitpunkt dieses 2023er Jahresrückblicks doch noch die Rückkehr von einem Dragon Quest Monsters-Ableger feiern darf, den hätte ich für verrückt erklärt! Und doch hier sitze ich und neben mir liegt die Switch mit DQM: Der dunkle Prinz. Faszinierend und komplett unerwartet.

Das Jahr 2023 begann für mich aber sehr unerwartet. Nicht nur hat Microsoft fast aus dem Nichts mit Hi-Fi Rush einen der besten Titel des Jahres aus dem Hut gezaubert. Es hat mir als komplett unrhythmischen Stock so viel Spaß mit dem Finden des richtigen Taktes beschert, wie kaum ein Rhytmus-basiertes Spiel zuvor. Und dass auch noch vom eigentlichen Horror-Studio Tango Gameworks. Überraschender geht es kaum auf dem Niveau der großen Studios.

Nicht minder überraschend fand ich dieses Jahr die Entwicklung von Dont’nod. Das französische Studio hat nicht nur mit Harmony einspannendes Adventure auf den Markt gebracht, welches fortan auf seinen Einsatz auf meinem endlosen Backlog wartet. Auch Jusant hat mich vor wenigen Wochen hellauf begeistern können. Das entspannte Kletterabenteuer ließ mich eine wunderschöne, melancholische Welt erleben und hat sich ganz fest an mein Herz gekrallt.

Mit diesem hat auch Meg’s Monster gespielt, welches ich für das Village reviewen durfte. Das außergewöhnliche Indie-Rollenspiel erzählt eine emotional sehr ergreifende Geschichte und schafft es dabei, manche Spielelemente zu seinem Vorteil zu nutzen. Ein Spiel, was ich gar nicht auf dem Schirm habe, passiert selten. Dass es mich dann auch noch derart abholt, ist etwas ganz Besonderes für mich.

Die Enttäuschung meines Jahres

Wirkliche Enttäuschungen kann ich kaum nennen. Von Titeln wie Starfield, die mich nicht lange halten konnten, habe ich nicht im Vorfeld leider nicht so viel erwartet. Es sind vielmehr kleinere Elemente aus vereinzelten Spielen, sei es der zähe Gameplayloop von Forspoken oder der im Franchise vergleichsweise geringe Umfang von Spider-Man 2, die mich ernüchterten. Auch Assassin’s Creed: Mirage wird mir – obwohl mir die Rückbesinnung weitestgehend gefällt – nicht allzu gut in Erinnerung bleiben.

Und auch DQM: The Dark Prince hat sich hier einzureihen. Die schwache Performance auf Nintendo Switch erinnert mich daran, warum ich mir sehnlichste eine neue Konsole von Nintendo nächstes Jahr wünsche. Und die steifen Cutscenes sowie die dürftigen Dialoge einer ansonsten passablen jRPG-Geschichte erinnern mich daran, wie wenig Aufwand Square Enix in dieses Nischenspiel zu stecken schien.

Wirklich enttäuschend war da auf Spielebene aber allen voran Storyteller. Als eines meiner Most Wanteds im März gestartet, entpuppte es sich leider nach wenigen Spielstunden als Enttäuschung vom Jahr 2023. Ich habe vor anderthalb Jahren bereits die Demo gespielt und gefühlt hat sich das Hauptspiel kaum weiterentwickelt. Nach nicht einmal drei Stunden war ich durch und es gab im Grunde nichts, was ich nicht bereits aus der Demo kannte. Sowas geht gar nicht.

Die Spiele meines Jahres

Mit einem Score von 96 hat The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom nicht nur die Massen begeistert. Auch ich fand es weitestgehend besser als den Vorgänger. Doch abschließend zünden konnte das Spiel nie bei mir, da haben zahlreiche andere Titel mein Herz schneller (und intensiver) im Sturm erobern können.

So hat sich mit Cassette Beasts mein Pokémon-Frust des letzten Jahres enorm verflüchtigt. Das Indie-Rollenspiel, welches meiner Ansicht nach zu den besten Monstersammel-RPGs zählen darf, hat mich enorm begeistert. Es offenbart, wie die Basis von Pokémon sich sinnvoll erweitern und ergänzen lässt, ohne dass zu viel der eigenen Identität verloren gehen könnte. Und mit einem Banger von Soundtrack hat mich das Spiel komplett für sich vereinnahmen können.

Narrativ fand ich das Jahr weitestgehend solide, wirklich überzeugen konnte mich aber mit einem gänzlich frischen Take lediglich der jüngste Indie-Darling Slay the Princess. Das Visual Novel ist kurz, aber hat mich enorm in seinen Bann gezogen. Ob ich die Prinzessin am Ende wirklich geschlachtet habe, sie mich ausbluten ließ oder wir gemeinsam in den Sonnenuntergang reiten – alles liegt mehr oder weniger in meinen Händen. Meine Entscheidungen formen die Personen und die Welt und lassen mich in tiefsinnige Themen des Existenzialismus eintauchen. Für solche Spiele liebe ich die Indie-Szene!

Doch das unangefochtene Spiel meines Jahres war im Endeffekt Lies of P. Die Studios hinter dem atmosphärischen Soulslike haben das Genre genau analysiert und ihren eigenen Touch hinzugefügt. Kaum ein Spiel in diesem Jahr ist so ähnlich zu seinen Vorbildern und könnte doch nicht so grundverschieden sein. Ich liebe (nahezu) alles an Lies of P, von der Welt über die Figuren, hin zum gesamten Gameplay und Leveldesign. Es hat seine kleineren Macken, aber die verblassen vor einem der intensivsten Erlebnisse der letzten Jahre.

Ob DQM: The Dark Prince es hätte schlagen können? In meinem Herzen sicherlich, denn obwohl Technik und andere Aspekte das Spielerlebnis trüben, ist Dragon Quest Monsters zurück. Das Spielprinzip der fantastischen Joker-Reihe ist auch dreizehn Jahre nach dem letzten EU-Release unangefochten in seinem Subgenre. Monster sammeln, trainieren und fusionieren, um noch stärkere Monster zu züchten, ist zwar ein ewiger Grind, aber im Grunde genau das, was das Genre ausmachen sollte.