A Week in the Kingdom – Atemlose Wildnis (minor spoilers)

Screenshot von The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom. Der Held Link fällt mit ausgebreiteten Amen durch die Wolken, rechts von ihm befindet sich das Logo des Spiels. Darüber der Schriftzug "A Week in the Kingdom"

Als The Legend of Zelda: Breath of the Wild in mein Leben trat, war dieses gerade aufgrund zahlreicher Faktoren in keiner allzu schönen Lage. Nähere Details erspare ich euch (und mir), aber BotW ist wahrscheinlich neben Spelunky eines der emotional betrachtet wichtigsten Spiele für mich. Sehe ich das Spiel von damals als Offenbarung des Gaming an? Sicherlich nicht, dafür hat es stellenweise zu viele Macken. Aber nichtsdestotrotz hat es einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen eingenommen. Umso gespannter war ich auf Tears of the Kingdom. Das lupenreine Sequel des meistverkauften Zelda-Spiels aller Zeiten. Mit derselben Open World und vielen offenen Fragen nach einem eher verhaltenen Marketing. Muss BotW seinem Nachfolger etwa Platz machen?

Ich bin nun schon eine ganze Weile durch Hyrule unterwegs – knapp 65 Stunden zeigt die Switch angeblich an, es fühlt sich allerdings nach viel weniger an. Die Zeit raste, während ich TotK erkundete, die Mechaniken und viele Aspekte der Geschichte und Welt kennengelernt habe. Ich versuche auf so wenige konkrete Dinge aus dem Spiel einzugehen, wie mir nur irgendwie möglich ist. Dies ist schließlich kein Review zu den zahlreichen Tränen des Königreichs (eine salziger als die andere!). Ich möchte lieber darüber erzählen, welche Gedanken und Gefühle mich während dieser zig Stunden begleitet haben. Wie diese sich entwickelt haben. Und was das letzten Endes für Tears of the Kingdom und seinen Stellenwert bei mir bedeutet.

Screenshot aus TotK

Zurück nach Hyrule! 

Oh, Nintendo. Du alter, tattriger Videospielgigant, der stellenweise immer noch in der Vergangenheit lebt. Du verschläfst immer wieder Trends und bleibst konservativ bei deinen Traditionen. Und schaffst es dann doch alle Jahre wieder uns zu überraschen. Als BotW zum Launch der Nintendo Switch erschien, hast du es gleich zweimal geschafft. Mit einer Konsole aus lauter praktischen Puzzleteilen und einem Bruch in der Designphilosophie des Zelda-Franchise.

Mich hat Nintendo mit diesem Bruch gewonnen. Vor BotW habe ich nur das alte Link’s Awakening gespielt, alle anderen Zelda-Ableger waren bereits nach kurzer Zeit uninteressant. Ich weiß nicht wirklich, woran das liegt, denn diese Art von Action-Adventure – ob nun 2D oder 3D, gefällt mir eigentlich richtig gut. Lediglich Links Abenteuer…naja…

Breath of the Wild hingegen hat mich gepackt. Als Fan vieler Open World-Spiele und zugleich Kritiker von deren zunehmenden Größen und gleichförmigen Designs, war Hyrule ein frischer Wind. Dass einerseits Erkundung so stark in den Vordergrund rückte und andererseits das Spielerlebnis selbst sich so auf “uns” fokussierte, sei es durch Atmosphäre oder Gameplay, hat mich enorm begeistert. Das Spiel gewährte mir einen Eskapismus, den ich zu der Zeit brauchte, in der ich es gespielt habe. Und es offenbarte auch viel darüber, welche Art von Videospiel ich mir für die Zukunft wünschte.

Und jetzt geht es zurück nach Hyrule. Zuletzt war ich im Vorfeld eines Spiels so in Vorfreude, als – wie sollte es auch anders sein? – Spelunky 2 enthüllt und alsbald veröffentlicht wurde. Wochenlang habe ich auf meine Vorbestellung hingefiebert und damit meine Frau derart angesteckt, dass wir kurzerhand am Releasetag noch eine zweite Version gekauft haben zum parallelen Spielen. Nintendo wünscht sich sicherlich mehr Kundschaft wie uns…

Screenshot aus TotK
Nicht wirklich ein Hype-Train, aber so ähnlich

Die Tränen des Königreichs

Die letzten 65 Stunden in Tears of the Kingdom haben mir vor allem eine Sache klar gemacht: Eine so emotionale Verknüpfung wie Breath of the Wild wird das neue Spiel nicht erringen können. Und dennoch ist es – gänzlich analytisch betrachtet – ein weit besseres Spiel. Vielfach habe ich den Gedanken, dass Breath of the Wild die Demo zum sechs Jahre später erscheinenden Sequel darstellt. 

Nintendo baut auf einer ganzen Reihe von guten Elementen und Kritikpunkten auf, die damals bei Breath of the Wild aufgekommen sind. Ich hatte diese stellenweise auch, bin ja nicht blind. Und dennoch haben sie mich damals nicht so richtig berührt. Waffen zerbrechen, rutschiger Regen, unausgegorene Schadensverteilung bei Kämpfen – dies alles hat es in der Form wieder in Tears of the Kingdom geschafft. Sicherlich ist die bereits im Vorfeld von Nintendo präsentierte Fuse-Fähigkeit eine wundervolle Möglichkeit, um aus einem billigen Stock einen unbarmherzigen Monstertöter zu machen. Aber auch der zerbricht früher oder später. 

Nach Hyrule zurückzukehren war im ersten Moment unglaublich. Neue Gebiete, neue Fähigkeiten und eine narrativ vollkommen andere Ausgangslage. Und während ich BotW für seinen Sinn für Einsamkeit und Isolation geschätzt habe, treibt mich TotK mit Mysterium und sogar einigen guten Storysequenzen voran. Ich finde es faszinierend, dass hier der Wechsel des Cinematic Directors von Hiroki Hirano zu Daisuke Nobori stellenweise spürbar ist. Noch immer ist Link die Teilnahms- und Sprachlosigkeit in Person. Das würde wohl zu viele Fans vor den Kopf stoßen. Aber gerade im direkten Vergleich zu BotW hat die gesamte Vorgeschichte der Welt und die Art ihrer Integration viel mehr Sinn und Zweck.

Und dann gab es Momente, die mein Narrativität liebendes Herz bluten ließen. Wenn Sequenzen sowohl spielerisch, als auch inszenatorisch nahezu identisch ablaufen, weil Nintendo nicht zu viel Puzzle zutrauen will. Warum geht es an einer Stelle und an einer anderen nicht? Der Mainquest soweit zu folgen, ließ mich hier und da regelrecht sprachlos zurück. Warum nur? Das wird wohl ein Mysterium des Spiels bleiben.

Ein Krok, sie zu knechten

Ein weiterer, sehr stark vertretener Punkt in der Kritik an BotW wurde vielfach im Village-Discord über die letzten Jahre diskutiert. Die Abkehr vom herkömmlichen Zelda-Schema zu einer offenen, freien Struktur hin hat gerade dem Rätseldesign sehr zugesetzt. Ich habe schon damals den Punkt gesehen und verstehe jeden, der dies konkret bemängelt hat. Mich hat es nicht sonderlich gestört, da BotW für mich mehr war als die Summe solcher einzelner Elemente. Tears of the Kingdom hingegen wirkt da aus verschiedenen Gründen auf mich weitaus zerfaserter. In der Week of the Kingdom sind ja bereits die drei Ebenen der Spielwelt angeklungen – auf den ersten Blick haben sie mich fasziniert und zugleich ratlos zurückgelassen. Vor allem der Untergrund ist auf eine seltsame Weise verwirrend gewesen. Doch ich mache gerade einen Sprung zu weit und will gerade hier nicht zu viel wegnehmen.

Rätsel sind meiner Ansicht nach ein schwieriges Thema. Sind sie zu abstrakt, reißen sie uns aus der Immersion der Spielwelt heraus. Je deutlicher oder integrierter sie werden, desto banaler erscheinen sie mir. Aus diesem Grund fand ich damals im direkten Vergleich Immortals: Fenyx Rising als direkter Genrekonkurrent für Spielertypen mit Faible für Rätsel empfehlenswerter. Hier war die Balance aus “abstrakter Einbindung” sehr gelungen. Breath of the Wild hingegen hatte großteils seine Schreine und ansatzweise die Titanen, deren Design allgemein ernüchtern konnte.

Tears of the Kingdom hingegen macht diesen zusätzlichen Schritt. Sicherlich gibt es weiterhin die Schreine…und gottseidank sind hier die Kampfschreine nicht so banal, sondern mit Herausforderungen verbunden! Aber auch andere Rätsel sind weitaus besser eingeflochten. Die Koroks wurden ergänzt durch einen wundervollen Missionstypen, wo sich bereits zahlreiche Spieler:innen architektonisch an den kleinen Waldgeistern abreagiert haben. In Teil 3 können wir dies dann sicherlich beim Opfer der toxischen Arbeitswelt Hyrules und seiner Werbeschilder tun…

Apropos Bauen – die Kreativität kocht nur so über, wenn wir versuchen, in Schreinen oder auf den Himmelsinseln unsere Ziele zu erreichen. Oder es ruht auf Sparflamme. Nintendo schafft es nämlich immer wieder seine Steuerung und Menüführung so zu erschweren, dass selbst eine spannende Fähigkeit wie Ultrahand zuweilen mühselig wirkt. Ob ich daher architektonische Meisterwerke schuf oder einfach nur wieder Brett an Brett geklebt habe, war stets eine Frage meiner Lust. Die Freiheit in Tears of the Kingdom nahezu alle Herausforderungen auf mehrfache Weise angehen zu können, führt zuweilen zum Weg des geringsten Widerstandes. Außer auf den “Titanen”…

Wusch, schwitz, britzel, tropf

Dies wird ein schwieriges Thema. Ich möchte so unbedingt über die Aspekte rund um den “Titanenersatz” von Tears of the Kingdom schreiben. Aber ich will euch die Vorfreude auch nicht vermiesen…oder diese unnötig anfachen. 

Ich bin erst nach knapp 20 Stunden das erste Mal fündig geworden. Die Hauptquests habe ich großteils ignoriert, die Spielwelt und ihre drei Ebenen haben mich immer wieder abgelenkt. Und dann war ich komplett woanders, als mir das Spiel einzureden versucht hat. Ha, ich folge doch nicht Nintendos Anweisungen!

Was ich dann fand, war überraschend und irgendwie auch nicht. Kennt man ein Nintendo-Franchise, kennt man alle. Ein Umschwung wie BotW war mit diesem Teil wirklich nicht zu erwarten. Was ich aber nicht erwartet habe, war die geringe Schrittdistanz, die Nintendo auf seine Zelda-Rätselfans zugegangen ist. Im Gegenteil: Ich finde, dass diese “Titanen” deutlich darstellen, wie herkömmliches Zelda-Design innerhalb der Breath of the Wild-Spielphilosophie aussehen kann. Ich schätze, viele Spieler:innen könnten davon ernüchtert sein. Doch meiner Freude über diese halbe Rückkehr zu den bekannten Wurzeln, tut dies wahrlich keinen Abbruch. 

Die anschließenden Spielstunden ließen mich allerdings nachdenken. Und ich kann mich dem Eindruck nicht verwehren, dass bei Tears of the Kingdom mehr möglich sein könnte. Vielleicht passiert das noch in den nächsten ca. 40 Stunden. Aber wenn ich jetzt schon denke, dass Breath of the Wild nur ein Schritt hin zu Tears of the Kingdom darstellt…würde dann ein dritter Teil oder ein neuer Ableger dieser Philosophie nicht auch Tears of the Kingdom irgendwie in den Schatten stellen? Dieser Gedanke lässt mich ein wenig traurig zurück.

Wenn die Tränen trocknen…

Doch 65 Stunden Spielzeit hatten bisher genug Gelegenheit, um meine Vermutungen vergessen zu machen. Und wenn ihr die ersten Eindrücke der anderen Villager in dieser Woche gelesen habt, dann habt ihr eine ungefähre Stimmungslage darüber, was The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom für ein Spiel ist. Ein Spiel voller Hype. Überraschungen und Enttäuschungen. Fortschritt und Rückschritt. Ein Spiel, an dem sich die Geister scheiden könnten, obwohl Verkaufs- oder Reviewzahlen eine sehr deutliche Sprache sprechen werden.

Ich habe nur eine Stimme von so vielen unzähligen Spieler:innen von Tears of the Kingdom auf dieser Welt. Auch wenn die letzte Träne aus dem Königreich verblassen wird, bleibt dieses Spiel in meinen Erinnerungen. Vielleicht nicht so sehr in meinen Herzen wie Breath of the Wild. Aber sicherlich in den Herzen und Gedanken so vieler anderer Spieler:innen, die mit Link ein zweites Mal in die atemlose Wildnis von Hyrule gestürmt sind und die zahlreichen Geheimnisse ergründet haben.

Und wo wir dabei sind: Es wird Zeit nach Hyrule zurückzukehren!