Marvel’s Spider-Man 2 (Review)

Artwork zu Spider-Man 2

In den letzten Monaten dominierten in Hollywood die Streiks der Filmautor- und Schauspieler:innen die Schlagzeilen. Eines der zahlreichen Projekte, welches aufgrund der berechtigten Forderungen der Streikenden auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, ist der von mir sehnlichst erwartete Beyond the Spider-Verse-Film. Ich liebe die Idee, die hinter Spider-Man als Heldencharakter steckt und das offene Ende des letzten Films….Die Zeit vergeht einfach zu langsam! Zumindest hat Insomniac Games dieser Tage ein klein wenig Spinnen-Abhilfe geschaffen und mit Marvel’s Spider-Man 2 Nachschub geliefert. Doch so richtig stillen konnte der Titel meine Sehnsucht nicht, obwohl die Tage mit Peter und Miles aufregend, actiongeladen und zuweilen auch emotional waren.

Insomniac’s Reise zu Spider-Man 2 

Vor fünf Jahren hat mich Marvel’s Spider-Man extrem begeistert und berührt. Der Titel war spielerisch flott ohne zu banal zu werden und hatte narrativ einiges zu bieten. Wer es gespielt hat, wird die große Entscheidung wohl ähnlich stark empfunden haben. Aber zugleich waren es auch die Charaktere, die mich enorm in ihren Bann zogen – egal ob auf Seite der Helden oder der Bösewichter. 

Das Miles Morales-Spin Off zum Launch der PlayStation 5 war dann spielerisch einen Ticken besser, weil das Kampfsystem einige spektakuläre Ergänzungen bekam. Aber die Story knirschte an einigen Stellen, obwohl ich Miles nicht nur wegen der aktuellen Filme richtig toll finde. Diese Entwicklung setzt sich in meinen Augen bei Spider-Man 2 fort. Spielerisch wird der Titel immer besser, während ich – gerade rückblickend – ein wenig ernüchtert von der Geschichte bin. Aber ich greife mein Fazit vor…

Kann es nicht einmal ruhig und entspannt in New York bleiben?

New York ist mal wieder in Gefahr! Und nur unsere beiden Spinnenmänner haben das nötige Know-How, um sich dem Schrecken entgegen zu stellen. Spider-Man 2 beginnt spektakulär, mit einem Setpiece alá God of War und einem weiteren Beleg dafür, warum es gerade Insomniac Games sind, welche die PlayStation 5 derzeit am meisten ausreizen. Doch trotz unserer erfolgreichen Verteidigung der Stadt, verliert Peter seinen neuen Job bereits an Tag 1. Währenddessen tut sich Miles enorm schwer, das Essay für seine College-Bewerbung auszufüllen. Komplett normale Probleme aus dem Leben eines Spider-Man: Mit der Maske gewaltige Bösewichter bezwingen, ohne dem Alltag unterliegen.

Großstadtschungel-Jagdfieber 

Doch es wartet noch eine viel größere Bedrohung auf die Stadt und wer das Promomaterial, geschweige denn das Cover des Spiels, gesehen hat, wird wissen, worauf wir hier zusteuern. Freunde des Spider-Verse werden hier wie bereits in den Vorgängern sehr auf ihre Kosten kommen. Auch ich war die meiste Zeit während des Spielens sehr angetan, einige Änderungen zur üblichen Spider-Man-Lore sind sehr erfrischend. Aber es fehlte mir ein wenig “Esprit”.

Erst jetzt im Nachgang leuchtet mir ein, was mir persönlich fehlte. Gerade die Charaktere sind es, die mir hier an vielen Stellen zu kurz kommen. Insomniac unterwirft sie weitestgehend dem Plot und vergisst dabei alles weitere. Es bleibt vielfach oberflächlich und oder gekünstelt. Dabei lagen die Zutaten mit der Rückkehr von Harry Osborne, einem schaurigen Kraven sowie dem brutalen Venom bereit. Beim Kochen würde man sagen, es braucht noch ein Weilchen. Dadurch fehlte es dem Spiel trotz vielen tollen Momenten (Tiger!!) ein wenig das Besondere, was gerade den Erstling in meinen Augen sehr hat hervorstechen lassen.

Mächtige Spinnen!

Bereits in Spider-Man: Miles Morales hat das Kampfsystem einige neue visuelle und auch spielerische Tricks auf Lager gehabt. Diese Weiterentwicklung setzt sich in Spider-Man 2 fort. Nicht nur wird Spider-Peter mit mechanischen Spinnenbeinen auf das Level der Diversität von Miles befördert, auch ein Parrying gehört nun zum Spinnen-Repertoire. Auf den ersten Blick mag dies nicht ganz zur Agilität des Spiels passen, allerdings haben wir auf diese Weise gerade gegenüber den größeren Gegnern zu Beginn mehr Optionen. Eine einfache und sinnvolle Ergänzung, wie ich finde. 

Zugleich erringen wir im Verlauf der Hauptstory für Peter und Miles gleichermaßen immer wieder neue Fähigkeiten. Unser Arsenal wird dadurch immer voller und wir müssen uns irgendwann entscheiden, welchen Angriff wir auf die jeweilige Tastenkombi legen wollen. Dazu kommen noch die Gadgets aus den ersten beiden Spielen und selbstverständlich lassen sich alle Fähigkeiten mit der Zeit nach und nach aufwerten. 

Insomniac Games versteht sich wie so oft darauf, das Kerngameplay ihrer Spiele so spaßig und abwechslungsreich wie möglich zu gestalten und sich zudem immer wieder zu steigern. Gerade die neuen Fähigkeiten im Verlauf der Hauptstory sind spielerisch und visuell sehr interessant, auch wenn Spider-Man-Puristen zuweilen ein wenig die Nase rümpfen würden, was ihre Spider-Men mittlerweile alles können.

Screenshot zu Spider-Man 2

Big Apple in all seiner Pracht

Stealth ist hingegen noch ein Stück weit übermächtiger geworden. Bereits in den Vorgängern war der heimliche Angriff – ob nun von einer hohen Stelle oder schleichend von hinten – die beste Wahl, um sich im Gefecht optimal zu schlagen. Schon früh schaltet sich allerdings eine Fähigkeit frei, mit der wir eigene Fäden durch die Level spinnen können. Diese sind permanent verfügbar, unendlich pro Level nutzbar und unsere Gegner haben kein Mittel gegen diese Netze, außer sie entdecken uns direkt. Es passt zu Spider-Man, aber irgendwie hätte ich mir hier sowie bereits bei den Vorgängern mehr Herausforderung gewünscht.

Doch der wahre Star des Spiels ist eindeutig New York City. Insomniac Games hat die Map fast verdoppelt im Vergleich zu den beiden Vorgängern und die Liebe zum Detail sucht seinesgleichen. Überall lebt die Stadt, der Verkehr fließt, die Menschen scheinen “ihr Leben” dort zu leben. Manche New Yorker bleiben auch stehen, wenn sie uns entdecken und wollen einfach nur irgendwie “ihren” Spider-Man erleben. Es ist unglaublich, wie das Studio es schafft, dass dies alles gleichzeitig passieren kann, während wir im Affentempo darüber schwingen, ohne die Performance zu beeinträchtigen. Und gleichzeitig verlieren wir so nie das Gefühl, nicht Teil dieser lebendigen Welt zu sein.

Ein Highlight ist selbstverständlich auch wieder das Traversal. Ein Schwung durch die Straßen der Metropole ist leicht, mehrere Schwünge eventuell ebenso. Doch richtig Geschwindigkeit nehmen wir nur auf, wenn die zugrunde liegende Pendelphysik beherrscht wird. Mit bereits aktiven oder später erwerbbaren Zusatzfähigkeiten erweitert sich unsere Fortbewegung zusehends und wird auf diese Weise ungemein vielfältig. 

Wie im Fluge durch das Spiel

Eine Ergänzung im Vergleich zu den Vorgängern ist der Wingsuit, der bereits sehr früh freigeschaltet wird. Dieser lässt unsere Spider-Men im Falle eines “Falles”  durch die Gassen zischen und anderweitig die weiten Strecken der Stadt überwinden. Vereinzelte Windkanäle lassen uns manche Strecken zudem noch weitaus schneller zurücklegen als das Schwingen. Nur Schnellreise ist schneller: Nicht einmal zwei Sekunden dauert der Wechsel von Spider-Man an den neuen Ort. Das Halten der Taste, um Schnellreisen zu können dauert länger als das Laden. The Power of PS5!

Screenshot zu Marvel's Spider-Man 2

Ansonsten würde ich die zahlreichen Nebenaktivitäten mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten. Viele Nebenmissionen werden in der Hauptstory kurz eingeführt und anschließend können wir uns mehr oder weniger entscheiden, ob wir diese angehen wollen. Es lohnt sich, denn die Erfahrungspunkte dieser Missionen sowie Tech-Fundstücke und Token sind notwendig für das Aufwerten von Fähigkeiten, Suit und Gadgets.

Vor allem die Abwechslung stimmt hier: leichtes Sammeln, kurze Rätsel oder Herausforderungen zur Auflockerung sowie eigene Nebengeschichten finden hier Platz. Vor allem Fans der vorherigen Spiele dürften hier mal begeistert, mal mit einem Tränchen in den Augen vor dem Fernseher sitzen. 

Auf der anderen Seite ist das Spiel weitaus kürzer als der erste Ableger. Das bedeutet, dass es die doppelte Map gibt, aber weitaus weniger Inhalt. Ob dies dem engen Releasekalender von Sony geschuldet ist, lässt sich schwer anhand des Spiels sagen. Da zugleich die Hauptstory kürzer ist, hinterlässt mir das einen leicht fahlen Beigeschmack. Gerade einmal 20 Stunden habe ich für meinen Durchgang gebraucht, Platin folgte dann wenige Stunden später.

Spider-Man 2 ein Kandidat für The Game Awards?

Weitere Wermutstropfen sind die zahlreichen Fehler im Spiel. Oftmals ist mir das Spiel in einer Sequenz abgestürzt, die KI der Gegner verhält sich manchmal wirklich strunzdämlich und einmal führte mich mein Speicherstand in einen Softlock. Eine der zahlreichen Tutorialeinblendungen blockierte komplett, meine Tasteneingaben wurden vom Spiel nicht erkannt. Ein Neustart des Checkpoints führte ebenso in diese Blockade wie ein Neuladen desgleichen Savefiles. Erst ein kompletter Neustart der Mission auf einer neuen Datei befreite mich und setzte das Spiel fort. 

Wer der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft etwas abgewinnen kann, kommt an Marvel’s Spider-Man 2 nicht vorbei. Wie bereits bei den beiden bisherigen Spielen beweist Insomniac Games wieder, warum sie zu den stärksten Studios von Sony gehören. Zahlreichen Bugs zum Trotz ist Spider-Man 2 technisch beeindruckend, die Set-Pieces ungemein stark inszeniert und spielerisch legt das Spinnen-Duo ein enormes Tempo an den Tag. Kaum ein Blockbuster schreibt sich derzeit so viel “Spielfreude” und Spaß auf die Fahne. Lediglich storytechnisch fehlt es an der Wucht, zu viel Fokus liegt auf Plot statt auf Charaktere oder Stimmigkeit. Zum güldenen Thron des Jahres langt es aber dann in seiner Gesamtheit leider nicht, ein Pflichtkauf für PlayStation 5 ist Spider-Man 2 aber allemal.

Jagdfieber auf PlayStation 5 mit hoher Temperatur gemessen.