Racco Venture (Review)

Zum Jahresabschluss gibt es noch einmal eine feine Auswahl neuer Indie-3D-Jump & Runs. Qubyte hat den Waschbären Raccoo im Gepäck, der bereits seit geraumer Zeit auf dem PC im Early Access sein Unwesen treibt und nun endlich im fertigen Spiel auch auf die Konsole losgelassen wird. Mit einem Look, der stark an Super Mario 3D World erinnert verspricht Raccoo Venture viele Stunden anspruchsvoller Hüpf-Action.

Raccoo muss zu Beginn des Spiels feststellen, dass das Haus seines Großvaters ausgeräumt wurde und dabei insbesondere das geliebte Schachbrett gemopst wurde. Das Brett wurde in seine einzelnen Felder zerbrochen und sowohl die Schachfiguren, als auch die Felder des Brettes über sechzehn Level verstreut. Nun ist es am Spieler, Raccoo dabei zu helfen, sich durch die kniffligen Level zu schlagen und unterwegs die erinnerungsträchtigen Teile des Schachspiels wieder aufzulesen.

Spielerisch ist Raccoo nicht allzu kompliziert. Der Waschbär kann laufen, springen, Objekte hochheben und werfen und eine Stampfattacke ausführen. Anders als in vielen anderen 3D Jump & Runs gibt es keinerlei Möglichkeit, die Kamera manuell zu verstellen. Stattdessen passt die Kamera sich dynamisch an die Position des Spielers an und zeigt das Geschehen zumeist aus einer ordentlichen Perspektive. Allerdings ist es gelegentlich schwierig, Abstände bei schwebenden Plattformen abzuschätzen und besonders in der zweiten Hälfte muss man einige Male in Richtung der Kamera springen, ohne die Zielplattform sehen zu können. So sehr die Idee sympathisch ist, ohne eigene Kamerasteuerung durch geeignetes Leveldesign auszukommen, so wenig gelingt leider im weiteren Verlauf die Umsetzung.

Die Spielmechanik ist größtenteils gut gelungen, allerdings muss man hiervon eine ganz entscheidende Ausnahme machen: Das Kampfsystem. Zwar ist Raccoo Venture kein besonders Action-orientiertes Jump & Run, dennoch muss man sicher immer wieder mit wendigen und recht kleinen Gegnern herumschlagen, denen man nur mit einer langsamen Stampfattacke zu Leibe rücken kann. Mit diesem Angriff zuverlässig zu treffen ist selbst nach mehreren Stunden Spielzeit noch eine signifikante Herausforderung. Viele Gegner lassen sich zudem mit der Stampfattacke gar nicht verletzen und müssen mit Gegenständen abgeworfen werden, die man in der Spielwelt findet. Dass man nicht mehr springen kann und sich quälend langsam durch die Spielwelt bewegt, wenn man etwas trägt, trübt da den Spielgenuss schon erheblich.

Das Leveldesign ist größtenteils unterhaltsam und hat auch einige interessante Ideen zu bieten, allerdings ist Raccoo Venture ungewöhnlich streng, was scheinbar optionale Spielaufgaben anbelangt. In jedem Level gibt es zwei Spielfiguren und vier Schachfelder zu finden und was zunächst wie das Äquivalent der Sternmünzen von Super Mario wirkt, stellt sich schnell als entscheidende Schranke für den Spielfortschritt heraus, denn um die fünf Welten des Spiels freizuschalten, muss man ausreichend viele Schachfiguren und Schachfelder im Gepäck haben. Man benötigt zwar nicht alle diese Sammelgegenstände um alle Welten freizuschalten, schon aber den Großteil.

Leider sind die Aufgaben, die mit den Sammelgegenständen verbunden sind, in erheblichem Maße frustrierend und teilweise geradewegs nervenaufreibend. Besonders nennenswerte Beispiele sind eine Aufgabe, bei der man zehn Kürbisse zu einer Vogelscheuche tragen muss oder acht Äpfel durch ein Labyrinth zu einem Altar – diese Missionen sind nicht eigentlich schwierig, dafür aber unheimlich ermüdend. Für ein anderes Schachfeld muss man zunächst eine zeitlich enorm knapp gestaltete umfangreiche Tauchsequenz absolvieren, dann unter unzähöigen Stampfern hindurchschlüpfen um einen Schalter zu aktivieren, die Stampfer noch einmal zurück überwinden, einen Apfel auflesen und dann hinter den Stampfern (ein drittes Mal unter den Stampfern herlaufen!) in einen Kochtopf werfen.

Ein Highlight des Spiels ist eine Spezialfähigkeit, die man etwa in der Mitte des Spiels freischaltet: Mit speziellen Kristallen, die sich an verschiedenen Stellen im Spiel finden, kann man einen Klon seines Charakters erzeugen, der – je nach Farbe des Kristalls – entweder genau die gleichen Bewegungen durchführt wie der Hauptcharakter, oder aber sich spiegelverkehrt bewegt. Diese Idee wird ausführlich exploriert und für einige interessante Rätsel genutzt.

Racoo Venture ist ein grundsätzlich solides Jump & Run mit einigen guten Ideen, insbesondere im Zusammenhang mit den Klon-Waschbären. Allerdings gibt es eine ganze Menge nerviger Aufgaben, der Schwierigkeitsgrad ist ziemlich hoch und die unangenehm niedrige Geschwindigkeit, wenn man einen Gegenstand trägt oder taucht, schränkt den Spielspaß bedeutend ein. Für Genre-Fans kann Raccoo Venture einen Blick wert sein, man muss aber eine beachtliche Frusttoleranz mitbringen.

Vielen Dank an Qubyte für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Xbox Series X.