Let’s Sing 2023 + Eurovision DLC (Review)

Artwork zu Let's Sing 2023

Der Eurovision Song Contest 2023 am vergangenen Wochenende demonstrierte uns mal wieder die Höhen und Tiefen eines musikalischen Wettbewerbs. Und die feste Gewissheit, dass Deutschland schicken kann, wen auch immer es will. Am Ende reicht es nicht. Dass wir es vor dem Fernseher alle besser können, wissen wir nicht bloß als Pseudo-Bundestrainer, sondern auch in einem solchen Fall. Let’s Sing 2023 kam daher gerade richtig, um mich auf den Boden meiner Tatsachen zu holen. Und gemeinsam mit dem Eurovision-DLC durfte ich noch ein wenig in besseren Zeiten für deutsche Endergebnisse schwelgen.

Let’s Sing Zeug, das du nicht kennst

Ich hatte mal wieder Lust auf ein Spiel dieser Art. Vor etlichen Jahren – noch auf PlayStation 2 – habe ich die ein oder andere Singstar-Session allein in meinem Kämmerlein gehabt. Selbst im Musikunterricht hat uns unsere (Vertretungs-)Lehrerin Noten auf unsere Singstar-Geschicke gegeben! Was ein Glück, dass ein so musikalisch unpräzises Spiel über unsere Zukunft entschied! Einige Jahre später habe ich dann auf Wii U kurzzeitig durch irgendein Free2play-Spiel den Titelsong von HunterXHunter schief auf japanisch trällern dürfen (ohne Kenntnisse der Sprache selbstverständlich). Und nun mein erstes Let’s Sing.

Die vergangenen Jahre haben mich die diversen Musik-Spiele wenig interessiert, da diese mir oftmals eine eher ungenügende Songauswahl boten. Und auch Let’s Sing 2023 ist da keine Ausnahme, nur wenige der Songs kenne ich, noch weniger mag ich. Diese Spiele stehen und fallen sehr stark mit eben jener Songauswahl, da ist die allgemeine Qualität fast schon zweitrangig. Damals zu Singstar-Zeiten hatte ich die Collection von den Toten Hosen, da war schon sehr viel für mich dabei. Heutzutage kann man sich dank des Internets sein ursprüngliches Paket erweitern – zumindest solange es das eigene Spiel zulässt.

Und so war es dann auch bei Let’s Sing 2023 für mich. Anlässlich des Eurovision-DLC, den uns Koch Media zusätzlich zum Hauptspiel geschickt hat, habe ich mir zwei weitere Pakete gegönnt, um eine relativ große Bandbreite an Songs zu haben, die mir auch nur ansatzweise zusagen. Leider ist hier die Vertriebspolitik von Let’s Sing nicht allzu gut.

Will man zu der Grundliste an Songs (seht euch dafür die Liste unten an) weitere Lieder anstimmen können, gibt es lediglich Fünfer-Pakete zu je 4,99€. Diese sind thematisch aufgeteilt, so besteht der Eurovision-DLC aus Gewinnersongs der Vergangenheit: Satellite von Lena, Euphoria von Loreen, Arcade von Duncan Laurence, Rise Like A Phoenix von Conchita Wurst und Fuego von Eleni Foureira. Eine nette Auswahl, aber im Grunde dasselbe Problem, wie auch im Hauptspiel. Leider gibt es keine Option einzelne Songs hinzuzufügen oder zu kaufen. Andere Karaoke- und Rhythmusspiele bieten dies und gewähren uns so individuelle Möglichkeiten. Sehr schade, dass Let’s Sing dieses Modell nicht ermöglicht.

Complicated

Der Kern von Let’s Sing ist aber selbstverständlich das Singen. Aufgeteilt auf unterschiedliche Modi können wir uns alleine oder mit mehreren Personen an einer Konsole singen und um die Wette singen. Dafür braucht es nicht einmal die Mikrofone, die es in der physischen Retail dazu gibt. Meine Frau und ich haben uns mit unseren Smartphones gewappnet und die App zum Spiel heruntergeladen. Dies klappt im Grunde ziemlich gut, seltener hat das Mikrofon zwischen den Songs die Verbindung verloren. Sehr selten hat allerdings eines unserer Smartphones gar nichts erkannt. Ich gehe davon aus, dieses Problem wird bei den kabelgebundenen Mikrofonen sicher nicht auftreten.

Screenshot aus Let's Sing 2023
Das war mal ein Song, den ich wenigstens irgendwann mal gekannt habe

Prinzipiell ist Let’s Sing 2023 wie nahezu jeder Karaoke-Titel der letzten Jahrzehnte aufgebaut. Der Song spielt im Hintergrund als Musikvideo ab, im Vordergrund läuft die Tonhöhen-Spur. Ich mag es sehr, dass der Liedtext sowohl unten zu sehen ist, als auch direkt bei den einzelnen Tönen. Auf diese Weise können wir uns bei Problemen der eigenen Stimmlage schnell orientieren, wo diese eventuell liegen könnten. Punkte gibt es selbstverständlich nur, wenn die einzelnen Töne und deren Timing gut erwischt werden. Auch wenn Genre-üblich manchmal auch Genuschel reicht, falls uns der Text mal flöten geht.

Ein großes Problem bei Let’s Sing waren aber jene Momente in den Songs, die nicht für eine Einzelperformance live gedacht sind. Der Song Somebody I Used to Know beispielsweise hat eine längere Stelle, in der mehrere Stimmen dermaßen aneinandergereiht werden, dass unser Timing durcheinander gerät. Ich fand hier die Gesangskurve sehr unnatürlich – sicherlich lernbar, aber dafür gibt es bei Live-Auftritten der Künstler:innen nun einmal die Background-Stimmen. Und das sind Profis, ich bin ein kleiner Schmalspur-Unter-der-Dusche-Sänger.

Viel Auswahl und Abwechslung

Als solcher Hobbybarde bietet mir Let’s Sing unterschiedliche Herausforderungen an. Mit bis zu vier Spielern kann ich einzelne Songs oder von mir erstellte Mixtapes angehen. Hier singen alle Spieler:innen gleichzeitig denselben Song und dieselben Textzeilen. Wir vermuten allerdings, dass es hier Probleme geben kann, wenn einige Stimmen zu dominant werden. Dann nimmt das Mikrofon von Person A auch die Stimme der dominanten Person B wahr und das Punktetracking funktioniert nicht so gut für Person A. Ob dies auch bei den Mikrofonen geschieht oder nur bei Smartphone, kann ich leider nicht sagen.

Dann doch lieber gemeinsam Singen! In einer Art Duett-Modus teilen sich die Spieler:innen einen Song und die Punkte werden stattdessen in einer prozentualen Leiste angezeigt. Diese gibt wieder, wie gut die beiden Mitspielenden harmonieren und hat viel Spaß gemacht, da es dort kooperativ und nicht kompetitiv ist. Wer Zweiteres bevorzugt, der findet in den Team-Spielen mit bis zu acht Spieler:innen sein Plätzchen. Zwei Teams treten gegeneinander mit demselben Song an und wer zuerst die jeweilige Herausforderung geschafft hat, dessen Team erhält einen Punkt.

So kompliziert ist das Duettsingen gar nicht

Doch auch Soloplayer kommen auf ihre Kosten. Der Worldwide-Mode lässt uns über das Internet gegen andere Spieler antreten. Dies ist allerdings nicht live, sondern basiert lediglich auf den Leistungen anderer Gesangstalente. Und dann gibt es noch eine Herausforderungs-Kampagne. Diese Kampagne gefiel mir außerordentlich gut, auch wenn ich die freischaltbaren Avatare als “Gesangslegenden” eher gruselig als nacheiferbar empfand. Hier gibt es kurze Herausforderungen, in denen wir eine bestimmte Aufgabe so gut es geht lösen müssen. Bis zu drei Sterne können wir bekommen und haben lediglich einen Ausschnitt der jeweiligen Songs zur Verfügung. Der Modus könnte mit ein wenig mehr frischen Ideen richtig gut werden, so kratzt es spielerisch an der Oberfläche. Egal ob ich ihn mag oder nicht, aber da geht mehr!

Let’s Sing 2023 könnte mehr

Und das ist dann wohl auch mein abschließendes Fazit für Let’s Sing 2023: Da geht noch mehr! Gefühlt hat sich das Genre in den letzten Jahren kaum nach vorne bewegt. Es wird noch immer dieselbe Form der steifen Präsentation genutzt. Songtexte und Stimmlagen werden weitestgehend immer noch vor stellenweise unscharfen Musikvideos abgespielt. Da erwarte ich mir einfach mehr von einem modernen Karaoke-Spiel, aber vielleicht sind da auch eher meine Erwartungen das Problem.

Spielerisch gibt es aber einige Herausforderungen und Modi, die mir sehr zugesagt haben. Ob gemeinsam im Duett die beste Chemie performen. Oder durch die Herausforderungen Text und Stimmlagen nicht erkennen können. Dies geht alles über das herkömmliche Karaoke hinaus und erweitert das Genre. Leider gibt es kleinere Momente in den Songs, die nicht ganz für “uns” geeignet sind und Dinge verlangen, die gesanglich so kein gutes Werk ergeben würden. Aber insgesamt ist mein Eindruck positiver Natur. Es steht und fällt wie so oft in dem Genre von der vorhandenen Songauswahl. Wenn diese euch zusagt, dann könnt ihr gerne meine Ampel um ein wenig Grün ergänzen.

Geträllert auf Xbox Series X via Smartphones. Ein herzlicher Dank geht an Koch Media für die Bereitstellung der Mustercodes.

Screenshot der Songliste aus Let's Sing 2023
Songliste des Hauptspiels Let’s Sing 2023