Stick It To The Stickman (Preview)

Artwork zu Stick It To The Stickman

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Noten bestimmen unsere jungen Jahre. Die Stellung im komplexen Geflecht aus Karriereoptionen definiert den Löwenanteil unseres Lebens. Wir haben dann nur die Wahl zwischen der Flucht, dem Ausharren und dem Kämpfen. Diese bedrückenden Gedanken kamen mir dieser Tage in den Kopf, weil mich Stick It To The Stickman auf eine seltsame Weise dazu motivierte. Und auch wenn ich eigentlich nur das Spiel bzw. dessen Previewfassung an dieser Stelle bewerten möchte, kann ich nicht ignorieren, dass aufgrund dieser Gedanken, die das Spiel in mir auslöst, die actionreiche Klopperei nicht gänzlich zünden konnte.

Karriereängste in Stick it to the Stickman

Stick It To The Stickman ist ein Action-Roguelite, welches im kommenden Jahr für den PC erscheinen soll. Ich habe mir die vergangenen Tage eine erweiterte Demo des Steam Next Festes geladen und das von Free Lives entwickelte Spiel angeschaut. Die Qualitäten des Studios habe ich bereits mit Broforce, einer überspitzten Persiflage bekannter Actionfilm-Klassiker, genießen dürfen. Gerade im Koop war das actionreiche Pixelgewitter sehr spaßig und so stand es für mich außer Frage, auch Stickman einen Blick zuzuwenden.

Also PC angeworfen, Mustercode eingegeben und Strichmännchen installiert. Stick It To The Stickman (bitte nicht verwechseln mit einem beinahe gleichnamigen Adventure) lässt uns ein solches Strichmännchen steuern, welches sich durch die Irrungen und Wirrungen des Arbeitssystems kämpfen muss. Wir starten als arbeitsloser Strich in der Landschaft und erhalten dank einem Freund die Möglichkeit, in einem Bürogebäude einen neuen Job zu beginnen. Dass wir dafür unseren Freund feuern sollen? Selber schuld, würde der Karriero wohl sagen!

Und so verläuft dann das Spiel: Unsere Figur wird zu Beginn gefeuert, doch anstatt das Hinzunehmen, kämpfen wir uns fortan von Etage zu Etage zum Chef hoch und versuchen, dessen Position einzunehmen. Man mag diese Rahmenhandlung ganz nett und spaßig finden und eventuell würde ich zustimmen. Im Großen und Ganzen bietet dieser „Ewige“ Kampf, der in Roguelites zum Gameplayloop gehört, auch eine satirische Überspitzung von Karriere und Karrierestreben der modernen Welt.

Mein Herz hat das Spiel allerdings verloren, als mir die – für das Spieldesign betrachtet Kleinigkeit – Möglichkeit des Verlassens der Spielerlobby (Stickman ist mit mehreren Personen spielbar) präsentiert wurde. Ein sensibles Thema, welches im Kontext noch stärker wirkt. Ich würde mir wünschen, dass Free Lives im endgültigen Spiel eine Triggerwarnung implementieren würde beim Laden des Spiels. Damit dann Personen, die im Gegensatz zu mir ein reales Problem mit der Thematik haben, vorbereitet sind oder sich dementsprechend für das Spiel entscheiden können.

Fliegende Tassen, brachiale Tritte und angetackerte Kollegen

Spielerisch stößt mir Stick It To the Stickman allerdings nicht so sehr auf. Wirklich begeistern konnte es mich hingegen auch nicht. Gerade wenn man sich bereits den ein oder anderen Roguelite-Titel gegeben hat, erkennt man hier zahlreiche Mechaniken des Genres wieder. Wir kämpfen uns Schritt für Schritt durch stellenweise prozedural generierte Etagen nach oben, erledigen andere Strichmännchen und steigen so weiter und weiter auf. Vereinzelt gibt es temporäre oder feste Upgrade-Möglichkeiten, um Moveset oder unsere Statuswerte zu optimieren. Welche Perks oder neuen Angriffe wir erlernen können, ist vom Zufall abhängig. Wir sind also stets auf der Suche nach der idealen Strategie, um so weit es geht nach oben zu gelangen.

Geht uns auf dem Weg nach oben die Puste aus (oder das Lebenslicht), erhalten wir eine Bewertung des Durchgangs. An dieser orientiert sich eine Belohnungsskala und wenn wir genug Punkte gesammelt haben, können wir diese gegen Optimierungen eintauschen. Diese verändern eventuell das Layout der Etagen oder geben uns zusätzliche oder verbesserte Eigenschaften.

Doch wehe, wir gewinnen einen Durchgang. Dann geschehen nicht nur diese Dinge, sondern auch die Schwierigkeit für das Gebäude steigt in den folgenden Durchgängen. Auf diese Weise besitzen wir stets eine Metaprogression, die trotz Wiederholung einen Fortschritt generiert und zugleich von unseren eigenen Fähigkeiten abhängt. Ein simples und durchdachtes System, welches sich hoffentlich mit zusätzlichen Firmengeländen noch variabler darstellt. In der Preview-Version war lediglich das Bürogebäude freigeschaltet, andere Arbeitgeber wie der Flughafen werden im Hauptspiel vorhanden sein. Und dann auch gewisse Tweaks an Perspektive und allgemeinem Gameplay vorweisen, worauf wir bereits in den Trailern einen Blick erhaschen durften.

Wackelpudding definiert Stick It To The Stickman

Aus diesem Grund kann ich bisher auch nur das 2D-Beat’em Up Level- und Gamedesign bewerten. Und das war abseits der einfachen und zugänglichen Roguelite-Progression nicht gänzlich mein Fall.

Sobald wir uns aufmachen, um den CEO des gegenwärtigen Durchgangs herauszufordern, stehen uns je nach Klasse zu Beginn nur drei Angriffe zur Verfügung. Diese werden in Form kleiner Piktogramme am unteren Bildschirmrand in fester Reihenfolge dargestellt. Das bedeutet, nach und nach wandert unsere Angriffsmöglichkeit von links nach rechts und am Ende wieder an den Anfang zurück. Dies hat zwei Konsequenzen zur Folge: 

Erstens ist es uns nicht möglich, entsprechend der Situation den richtigen Angriff auszuwählen. Neue Angriffe werden stets an das Ende dieser Leiste gesetzt. So drückt man wild die Angriffstaste, weil die strategische Komponente hinfällig wird. Und zweitens verliert man auf diese Weise jegliche Kontrolle über Verbrauchs-Angriffe wie Kaffeetassen. Wir müssen die Tasse werfen, ob wir wollen oder nicht. Sofern wir danach keinen Munitionsnachschub erhalten, kann es daher sein, dass ein Slot für Angriffe für eine Weile verloren geht. Ärgerlich.

Ein anderer Punkt ist die Physik der Figuren. Ähnlich zu Spielen wie Fall Guys oder Human Fall Flat basiert auch Stick It To The Man auf einer Slapstick-Physik. Dies mag einige spaßige Momente erzeugen, zum Beispiel wenn wir Gegner wortwörtlich an die Decke kleben. Aber es fehlt dem Kampfgameplay enorm an Präzision. Im Gegenteil, bei zu großen Gegnermassen bleiben wir somit teilweise stecken, Angriffe laufen eventuell ins Leere und es kommt zu unvorhergesehenen Momenten. Chaos ohne nachvollziehbares System nenne ich sowas. Dies ist zu Beginn unterhaltsam, baut sich aber bei wiederholten Durchgängen enorm ab.

2023 wird ein starkes Jahr…

…aber das liegt an einer ganzen Reihe von Videospielen. Stick It To The Stickman gehört wahrscheinlich nicht dazu. Meine persönliche Animosität bezüglich der Inhalte beiseite geschoben kann mich der Titel auch spielerisch nur schwer begeistern. Als Roguelite ist das Spiel schnell zu erlernen und einfach genug, um auch Genremuffel an das Design heranzuführen. Doch die Physik des Spiels sowie die Art des Attackenmanagements haben kaum bei mir zünden können. Im Gegenteil, es sorgte dafür, dass mich die Wiederholungen, anders als bei vielen anderen Genre-Vertretern, langweilten. Ich hoffe daher, dass im vollständigen Spiel und mit den zusätzlichen Leveln ein wenig mehr Varianz seinen Weg hinein findet. Dann könnte Stick It To The Stickman einige unterhaltsame Stunden bieten.

Strichmännchen auf PC und SteamDeck nach Strich und Faden vermöbelt. Ein herzlicher Dank geht an Devolver Digital für die Bereitstellung eines Preview-Mustercodes.