Kamiwaza: Way of the Thief (Review)

Artwork zu Kamiwaza: Way of the Thief

16 Jahre sind eine lange Zeit. In dieser Spanne fließt sehr viel Wasser den Rhein hinunter und es werden viele Wunden geheilt. Doch auch das ein oder andere Videospiel gerät in einer solchen Zeit in Vergessenheit. Wer erinnert sich heute noch an Kamiwaza für PlayStation 2? Zugegeben, die meisten von uns dürften diesen Titel eher nicht kennen, erschien das Stealth-Spiel doch lediglich in Japan. NIS America bringt nun das Spiel als Remaster unter dem Titel Kamiwaza: Way of the Thief auf aktuelle Plattformen. Doch konnte der Dieb mit dem Herz aus Gold auch das meine stehlen?

Kamiwaza und der Zahn der Zeit

In der Regel bin ich kein Freund von Portierungen oder Remaster-Veröffentlichungen. Ich stehe zudem manch verfrühtem Remake skeptisch gegenüber. Für mich gibt es allerdings eine Ausnahme: Wenn das betroffene Spiel auf diesem Wege erstmals den Weg über gewisse Ländergrenzen geschafft hat. Kamiwaza erschien 2006 exklusiv im Land der aufgehenden Sonne und der Release kommende Woche bringt den außergewöhnlichen Titel auch zu uns. 

Den Weg des Diebes bestreiten wir als Ebizo, seines Zeichens junger, aufstrebender Halunke im feudalen Japan. Doch dies soll sich eines Tages ändern. Ebizo entdeckt, dass die anderen Mitglieder seiner Diebesbande Menschen auf ihren Raubzügen umbringen. Erschrocken und angewidert von dieser Ehrlosigkeit rettet er das kleine Mädchen Suzuna aus einer Villa und flieht mit ihr gemeinsam quer durch das Land. Einige Jahre später hat sich Ebizo als Suzunas Ziehvater zur Ruhe gesetzt und verdient sein Geld auf ehrliche Weise.

Das wachsame Auge des Gesetzes ist stets auf uns gerichtet!

Leider holen uns die Geister der Vergangenheit schnell ein. Suzuna erkrankt, aber es fehlt das nötige Kleingeld, um die wichtige Medizin zu besorgen. Widerwillig trifft Ebizo die Entscheidung, das Geschäft als ehrenhafter Dieb erneut aufzunehmen.Zum Glück war der Zahn der Zeit gnädig mit Ebizos diebischen Fähigkeiten. Ganz anders sieht dies allerdings beim Gamedesign von Kamiwaza aus.

Hau das Schild!

Hier sind enorme Nagespuren an Kamiwaza: Way of the Thief zu erkennen. Sicherlich, die Remaster-Version selbst ist technisch einwandfrei, läuft flüssig und hat abgesehen von für PS5-Verhältnisse recht lange Ladezeiten. Aber dies spricht eher für die Portierungsqualitäten des Spiels, als dessen Design. Und so muss ich konstatieren, dass ich überall ein paar interessante Ideen sehe, diese aber alle auf ihre Weise nicht zu Ende gedacht sind oder sich torpedieren.

Es beginnt bei dem für mich persönlich größten Pluspunkt des Spiels: sein Leveldesign. Kamiwaza entführt uns in eine japanische Region mit mehreren mehr oder weniger offenen Gebieten. Die Welt ist unterteilt in mehrere Teilbereiche, die wir frei erkunden können. So gibt es kleinere Ortschaften wie Ebizos Viertel, die über mehrere Gebäude verfügen. Oder komplexere Anwesen wie eine große Villa, eine Diebesgilde oder ein Gefängnis. Alle Gebiete stehen via Übergänge miteinander in Verbindung und es braucht lediglich einen Ladebildschirm, um zum nächsten Bereich zu springen. Hier können wir uns dann, wenn wir heimlich genug unterwegs sind, in den Gebäuden des Levels auf die Suche nach Diebesgut machen. 

Leider sind die Gassen der Stadt recht leer und trist, was sicherlich dem Alter des Spiels geschuldet ist. Das hat allerdings zum Nachteil, dass sich bereits nach kurzer Zeit ein gewisser Sättigungseffekt einstellt. Innenräume, aber auch die Wege zwischen den Objekten der Begierde wirken oftmals austauschbar. Es hilft auch nicht, dass die Städte nur sehr wenige NPC beherbergen, um mehr Lebendigkeit zu suggerieren. Beinahe schon zu funktional gedacht.

Das Runde muss ins Eckige

Doch selbstverständlich ist das Leveldesign nicht der einzige Aspekt, der es Kamiwaza schwer gemacht hat, meine Gefühle für sich zu gewinnen. Stealth besteht in der Regel daraus, vorsichtig durch die engen Gänge zu schleichen und dabei den anwesenden Menschen aus dem Weg zu gehen. Eine Anzeige zeigt an, wie sichtbar bzw. nah sich ein anderer Mensch unserer Position befindet. Dennoch sind Sichtbereiche nicht immer nachvollziehbar. Manchmal können wir sehr nah an einen NPC und er bemerkt uns nicht, egal ob in geduckter oder aufrechter Haltung. Und dann gab es Momente, in denen sie uns aus mehreren Metern Entfernung gesehen haben. Frustrierend, wenn uns dies nicht deutlicher vom Spiel kommuniziert wird.

Ähnlich erging es mir mit dem Ausweichmanöver, welches sich für wenige Augenblicke vor dem Entdeckt-werden ergibt. Gelingt es uns, im richtigen Moment auszuweichen, ist der Gegner verwirrt und hat nur einen Schatten von uns gesehen. Theoretisch könnten wir auf diese Weise eine Kombo starten, um Punkte zu verdienen, die wir in der Gilde eintauschen können. Dies ist allerdings nur sinnvoll, wenn wir die Kombo durch weitere Manöver verlängern können. Punkte werden zudem nur gutgeschrieben, wenn ein Diebstahl in dieser Combo erfolgt.

Auf diese Weise dem Gesetz entkommen wirkt so ebenso hakelig wie das Stehlen selbst. Objekte, die wir stehlen wollen, können mit einem Schlag aufgenommen werden. Ist der Gegenstand zu schwer, geht eine Art Lebensbalken herunter und wir müssen öfter zuschlagen. Dies kostet Zeit und kann gegebenenfalls aufmerksame Wächter anlocken. Hier schlägt die Wiederholung dieser Eingabe in eine ähnliche redundante Kerbe und das Stehlen fühlt sich nicht mehr befriedigend an.

Haben wir aber einmal unser Diebesgut bezwingen können, wird dieses – egal wie groß es war – in unserer Rückentasche verstaut. Diese wird immer zunehmend größer und irgendwann reagieren auch normale Bürger auf den Umfang mit Skepsis. Bevor wir also viel zu populär werden und unser Konterfei die Poster der Samurai ziert, sollten wir die heiße Ware schnell loswerden. In der Diebesgilde können wir diese gegen Geld eintauschen, idealerweise stilvoll mit einem Kick der kugelrunden Tasche in die Kasse. Oder wir spenden diese als ehrbarer Dieb an die Bevölkerung, ebenfalls gekickt für zusätzliche Punkte. Aber statt Geld für Medizin steigt unsere Reputation in der Stadt.

Honour among thieves

Denn nur viel Ehre im Leib verspürt, der wird es in Kamiwaza weit bringen. Der aktuelle Status, wie sehr wir gesucht werden, ist lediglich über in der Stadt verteilte Poster einzusehen. Je deutlicher wir wiederzuerkennen sind, desto gefährlicher wird es für uns. Dann hilft auch keine Maske mehr und notfalls sollten wir nicht nach Hause zurückkehren. Tun wir es dennoch, findet das Spiel ein rasches Ende. Gehen Sie nicht über Los, aber auch nicht ins Gefängnis, sondern direkt in die End Credits. Das war…okay, vermute ich mal? Einen faden Beigeschmack hinterließ dies leider schon bei mir.

Puh, noch sieht mir das Poster nicht ähnlich!

Also nicht zu Suzuna zurückkehren, aber was tun? Wir könnten uns draußen stellen, dann wandern wir allerdings ins Gefängnis. Dies kostet uns wertvolle Zeit auf der Uhr oder wir wagen einen Fluchtversuch, beides riskant. Oder weniger riskant: wir stehlen einfach so viele Wanted-Poster wie möglich. Je weniger die Leute sehen, desto eher vergessen sie uns. Diese Option fand ich ebenfalls gewöhnungsbedürftig, gerade weil ich dafür an jedem Schild dutzende Schläge austeilen musste, um es einzusacken. Sehr langsam, sehr nervig. Und ganz und gar nicht mein Fall.

Doch wenn wir erfolgreich sind, das Geld für uns (oder unsere Reputation) eingesackt haben, bieten sich ein paar wenige Möglichkeiten. Wir können das Geld für wichtige Medizin ausgeben und da dies regelmäßig geschehen muss, setzt uns das zeitlich unter Druck. Wir können aber auch andere Items sowie Fähigkeiten kaufen, um noch besser auf selbständige oder Auftragsdiebestouren vorbereitet zu sein. Diese können wir ebenfalls bei der Gilde aktivieren, allerdings sind Missionen zeitgebunden und müssen dementsprechend abgeschlossen werden, damit wir unsere Belohnung erhalten.

Da schleicht sich Kamiwaza doch glatt an mir vorbei

Kamiwaza: Way of the Thief hat mein Herz nicht stehlen können. Es hat mich zu verführen versucht mit einem meiner allerliebsten Genres. Mit einem Setting, in dem ich mich immer wieder verlieren könnte. Und mit einem Konzept, welches ich in dieser Form noch nicht kannte und sehr spannend klang. Doch der Zahn der Zeit hat wie ein hungriger Biber an Kamiwaza genagt. Sechzehn Jahre nach dem Release des Originals in Japan ist das etwas altbackene Stealth-Gameplay mit dem monotonen Diebstahl- und Versteckspiel lange überholt. Eventuell hätte mich das Spiel damals mit weniger Spielerfahrung fesseln können, hat es mich letztlich nicht grundlos angesprochen. Doch die letzten Tage an der Seite von Ebizo schafften dies nicht. Kamiwaza ist ein Liebhaber-Spiel für all diejenigen, denen der Titel auf PlayStation 2 verwehrt blieb. Ich hab mich allerdings zu keinem Liebhaber entwickelt.

Still und heimlich hat sich die PS4-Version auf PlayStation 5 geschlichen. Ein herzlicher Dank geht an NIS America für die Bereitstellung des Mustercodes.