Quintus and the Absent Truth (Review)

Artwork zu Quintus and the Absent Truth

Als Freund der vielfältigen Indie-Szene stolpere ich immer wieder über interessante Titel und speichere sie irgendwo in den unsortierten Akten meines Hinterstübchens ab. Wenn mich daher ein Spiel anspricht, liegt es meist aufgrund einer solch bereits vorhandenen Datei. Doch als die Musteranfrage für Quintus and the Absent Truth bei uns in die Redaktion schwappte, war es erstaunlich leer. Wie kann das nur sein bei einer Prise Horror und einer schneeweißen Maus als Kompagnon? Neugierig, was sich dahinter verbirgt habe ich zugesagt. Und siehe da, nach etwas mehr als zwei Spielstunden weiß ich nun, warum der Titel beinahe komplett unbekannt war. Mein Gehirn wollte mich vor zwei vergeudeten Spielstunden bewahren.

Quintus and the Absent Truth – Horrorspiel mit Mausfaktor

Der Einstieg in diese Review mag harsch erscheinen und vielleicht gibt es nun etliche unter euch die sagen »Hätte er sich vorher doch mal die Trailer angeschaut«. Aber ich bin ein Freund davon, den ersten Eindruck gerne zu hinterfragen. Und verdammt, schaut euch diese Maus im Beitragsbild an! Wie freundlich die uns zuwinkt!

Ganz und gar nicht freundlich geht es hingegen in Quintus and the Absent Truth zu. Das Spiel von Wreck Tangle Games ist ein Horror-Adventure, in dem wir den Komponisten Alan Shaw steuern, der gemeinsam mit seiner Maus einem düsteren Geheimnis auf der Spur ist. Unsere Tochter Lydia wird an ihrem Geburtstag entführt und den Kuchen haben die Schurken einfach im Garten stehen lassen! So hundsgemein zu Kindern im Kaninchenkostüm, aber wenigstens dürfen sich nun die Vögel am Kuchen laben.

Wir steuern Alan aus der Egoperspektive und erkunden auf diesem Weg die insgesamt vier Kapitel des Spiels. Wir schauen uns gründlich in der Umgebung um, finden den korrekten Pfad und müssen an einigen Stellen nicht ganz so knifflige Rätsel lösen. Unsere Maus Quintus hilft uns vereinzelt dabei enge Spalten oder schlecht gelegene Stellen abzusuchen. Der spielerische Anspruch ist allerdings über die gesamte Dauer überschaubar. Kapitel 2 hat einige nette Codes aufzudecken, Kapitel 3 fokussiert sich vor allem auf Erkundung. Doch vor eine echte Herausforderung stellt uns das Spiel nicht.

Wo ist all die Spannung hin?

Dies wäre unter anderen Umständen sicherlich nicht schlimm gewesen. Viele Spiele fahren die spielerische Note hinunter, um mit Spannung, Immersion und Narrative oder anderen Faktoren zu überzeugen. Doch auch hier habe ich bei Quintus and the Absent Truth das Gefühl, dass es nicht über Ansätze hinauskommt. Die Musik wirkt zuweilen bedrohlich, hier und da ist ein kleiner Schockeffekt. Aber leider wirken diese Elemente nicht, weil Sounddesign und Optik immer wieder die Atmosphäre ruinieren. Oftmals sind Animation und Sound zeitlich nicht aufeinander abgestimmt, da die Trigger innerhalb des Levels zu willkürlich liegen.

Wenn also am Ende eines Ganges ein angsteinflößender Geist auf uns wartet, stocksteif wie ein Felsen, wissen wir genau was uns erwartet. Spätestens beim zweiten Mal. Erschwerend kommt hinzu, dass der minimalistische Artstyle jegliches Leben aus dem Spiel saugt. Noch schlimmer – die im Trailer suggerierte Spielmechanik aus Licht und Schatten ist gar keine, sondern lediglich eine optische Spielerei. Die meiste Zeit bewegen wir uns durch Dunkelheit, was bedeutet, dass alles in einen grau-braunen Ton getaucht ist.

Und auch die Story lässt uns zuweilen in der Luft hängen. Während Kapitel 1 eine nette, aber sehr kurze Angelegenheit ist, kommt die Geschichte im zweiten Abschnitt nicht in die Gänge. Das dritte Kapitel ist sogar eine komplette Umleitung (wir spielen hier Quintus direkt!) und obwohl es hier meiner Ansicht nach der stimmigste Abschnitt für das gesamte Spiel ist, fehlt ein großer, narrativer Faden. Erst im letzten Teil nimmt die Handlung Fahrt auf, allerdings wirkt es hier stellenweise so undurchdacht und schnell abgehandelt. Und der große Twist am Ende ist – okayish. Quintus and the Absent Truth ist nichts Halbes und nichts Ganzes in diesem Sektor.

Ein Blick hinter die Kulissen und meine persönliche Zeitschleife

Es hilft dem Spiel allerdings auch nicht, dass ich weite Teile von Kapitel 1 und 2 noch einmal wiederholen musste. Im zweiten Abschnitt bin ich gefühlt ewig durch die Hallen eines Tonstudios gewandelt. Ziel ist es Regale aus der Ferne zu verschieben, doch es blieb ein Regal felsenfest stehen. Ein Weiterkommen unmöglich und ein Blick auf den Walkthrough der PC-Version von 2020 bestätigte mich leider: ein Bug. 

Also, raus aus dem Spiel und über “Fortsetzen”…oh! Quintus and the Absent Truth hatte meinen Fortschritt aus dem ersten und zweiten Kapitel nicht gespeichert und ich durfte wieder von vorne beginnen. Es gibt auch kein manuelles Speichern, weswegen ich im zweiten Anlauf das gesamte Spiel am Stück durchzog. Kurz genug war es ja, dennoch sehr nervig. 

So sieht das Spiel die meiste Zeit aufgrund von Dunkelheit aus

Nach dem Durchspielen war allerdings wieder alles so, wie wir es erwarten durften. Über eine Kapitelauswahl ließen sich nun alte Abschnitte wieder erleben. Knapp zwei Stunden, wenig Grusel und einen simplen Gamerscore von 1000 mehr auf meinem Konto später habe ich aber noch nicht genug von Quintus bekommen und in “The Experience” hineingeschaut. Dies ist ein kurzes Kapitel, in dem uns der Chefdesigner Orion Moon durch eine virtuelle Ausstellung mitnimmt und in Reimform Kommentare zu unterschiedlichen Elementen zum Besten gibt. Diese knapp zehn Minuten waren fantastisch, zeigten sie doch Hintergründe zum kreativen Prozess des Spiels sowie warum was wie ins Spiel gekommen ist und was warum nicht. Solche virtuellen Führungen mit Entwicklerkommentar dürfen gerne mehr Spiele haben. Auch in Reimform!

Quintus and the Absent Truth erblüht rot

Solltet ihr es bis hierhin geschafft haben, dürfte euch die rote Ampel unten nicht mehr überraschen. Mir fiel es schwer positive Eindrücke zu vermitteln, da Quintus and the Absent Truth über einige Ideen nicht hinauskommt. Wäre das gesamte Spiel wie Kapitel 3, hätte ich über gewisse Unzulänglichkeiten in Animationsstil und Narrative sowie die nicht ausgereiften Gameplay-Elemente hinwegschauen können. Doch so ergibt sich ein bedrückendes Gesamtbild von einem Spiel, was dem Konzept nach eine sehr interessante Angelegenheit hätte werden können. Gerade weil mir “The Experience” gezeigt hat, wie sehr die Entwickler hinter ihrem Projekt stehen, tut es ein wenig weh am Ende sagen zu müssen, dass dieses Spiel wohl nicht empfohlen werden kann. Keine Überraschung, dass ich mich im Vorfeld nur sehr dunkel an das Spiel erinnern konnte.

Getestet auf Xbox Series X. Ein herzlicher Dank geht an eastasiasoft für die Bereitstellung eines Mustercodes.