Sonic Adventure (Review)

Nachdem Sonic-Fans auf dem Sega Saturn eine außerordentliche Durststrecke durchleben mussten, hat Sega auf der Dreamcast das Firmenmaskottchen wieder zum Star der ersten Reihe erhoben. Im Westen gleich zum Launch hat Sonic Adventure die Spielreihe in 3D neu erfunden und neben allerlei spielerischen Veränderungen auch einen neuen, etwas provokanteren Stil gewählt.

Sonic Adventure hat seine Entwicklung als Rollenspiel begonnen und wohl aus dieser Historie erwachsen ist der drastisch gesteigerte Story-Anteil in Sonic Adventure. Wo in den 2D Klassikern der Großteil der Story nur im Handbuch stattgefunden hat, gibt es in Sonics Dreamcast-Debüt ein vorgerendertes Introvideo zahlreiche Echtzeitvideos und auch abseits der Videos englische Sprachausgabe, die die relativ umfangreiche Geschichte vorantreiben. Doktor Robotnik möchte mit dem Urmonster Chaos, das dem mächtigen Master Emerald erwachsen ist, Sonic und seine Freunde endgültig besiegen und muss zu diesem Zweck die Chaos Emeralds sammeln, um die Kraft Chaos zu mehren. Sonic macht sich natürlich umgehend auf, Robotniks Pläne zu vereiteln.

Sonic Adventure ist in sechs verschiedene Storywege unterteilt, die jeweils mit einem eigenen spielbaren Charakter assoziiert sind und jeweils eine eigene Perspektive auf das Geschehen zeigen. Neben Sonic, Tails, Knuckles und Amy, die bereits aus den Mega Drive-Klassikern bekannt sind, kann man auch in die Rollen der Newcomer Big the Cat und E-102 Gamma schlüpfen. Zu Beginn kann man zwar nur Sonic spielen, indem man auf die anderen Charaktere trifft, schaltet man aber deren Storywege frei.

Jeder Charakter kommt mit seinem eigenen speziellen Gameplay daher. Während Sonic gewohntes Highspeed Jump & Run-Gameplay bietet, muss Tails sich im Wettrennen gegen Sonic unter Beweis stellen, Knuckles muss halbwegs offene Areale nach mit einem Pieps-Radar nach wertvollen Edelsteinen absuchen und Amy muss, mit einem riesigen Hammer ausgestattet, in etwas langsameren Jump & Run-Abschnitten vor einem fiesen Roboter fliehen, der es auf sie abgesehen hat. E-102 bietet Jump & Shoot-Kost und Big schließlich angelt nach seinem verloren gegangenen Freund Froggy.

Leider ist die Qualität der verschiedenen Spielvarianten extrem unterschiedlich. Big the Cat ist an Langeweile kaum zu unterbieten und das einzig Positive was man über ihn sagen kann, ist, dass seine Kampagne relativ kurz ist. Amy und E-102 hingegen sind ziemlich belanglos, ohne den Spieler aber so aktiv zu nerven, wie Big es tut. Knuckles funktioniert dank relativ kleiner Gebiete und fester Verstecke für die Diamantscherben recht gut, wohingegen Tails sich extrem ähnlich zu Sonic spielt. Er läuft etwas langsamer als Sonic, kann dafür aber dank seiner Flugfähigkeit einige Abkürzungen nehmen, die Sonic nicht offen stehen.

Interessanterweise verwenden die übrigen Charaktere Teile von Levels, durch die auch Sonic läuft. Auch wenn das zunächst befremdlich wirkt und die Sorge nährt, dass die Level nicht vernünftig auf die einzelnen Spielstile passen, gelingt diese Mehrfachverwertung trotz hochgradig verschiedener Spielstile erstaunlich gut. Nichtsdestotrotz ist der Qualitätsunterschied zwischen Sonic und seinen Freunden so groß, dass man sich unweigerlich wünscht, dass man einfach noch zwei bis drei weitere Sonic Level anstatt der anderen Charaktere spielen könnte. Für Spieler, die eine geringe Toleranz für schwächere Spielabschnitte haben bedeutet das auch, dass das echte Spielende wohl nicht erreichbar ist. Das Finale des Spiels kann nämlich nur spielen wer alle Storyzweige abgeschlossen hat.

Sonic Adventure ist das erste prägende Spiel für die 3D Sonic-Formel und auch wenn es noch keine Rankings für den Abschluss eines Levels gibt, haben die Entwickler dennoch darauf geachtet, dem Spieler Zusatzaufgaben zu stellen, die den Performance-Aspekt des Spiels auf die Probe stellen. Neben dem reinen Abschluss eines Levels bietet jedes Level noch zwei zusätzliche Missionen, die jeweils mit einem Emblem entlohnt werden. So muss man entweder möglichst fehlerfrei durch den ersten Teil des Levels rennen, um eine Zielzahl an Ringen zu sammeln, oder aber eine gute Gesamtzeit für das Level aufstellen. Tatsächlich steht und fällt Sonic Adventure ungemein damit, ob der Spieler Interesse daran hat, die Läufe durch die Level zu optimieren und einen möglichst flüssigen, schnellen Durchlauf zu erreichen. Die Level sind sehr genau durchgeplant und darauf ausgelegt, dem Spieler einen unterbrechungsfreien Lauf zu ermöglichen. In der GameCube-Neuauflage wurde übrigens noch eine Belohnung für das Sammeln aller Embleme eingeführt, Metal Sonic als spielbarer Charakter. Allerdings muss man hierzu auch die stundenlange Grindaufgabe der Chaozüchtung erfüllen.

Zu seiner Zeit war Sonic Adventure ein Fest für die Augen. Heutzutage wird das Spiel zwar niemanden mehr überwältigen, als frühes Dreamcast-Spiel stellt Sonic Adventure eines der ersten Spiele dar, die ohne die wesentlichen Kinderkrankheiten früher 3D-Spiele auskommt. Perspektivkorrektur, hohe Weitsicht, stabile Framerate (jedenfalls auf der Dreamcast selbst), ansehnliche Texturen und eine adäquate Polygonanzahl sorgen zusammen mit einem guten Artdesign dafür, dass Sonic Adventure auch heute kein hässliches Spiel ist. In Sachen Musik stellt Sonic Adventure außerdem das Debüt der Sonic-Band Crush 40 dar, die Sonic seither mit rockigen Themes versorgt. Die schnelle Rockmusik passt in jedem Fall exzellent zu Sonics Gameplay.

Sonic Adventure ist ein Spiel von wechselhafter Qualität. Einige Charaktere sind schlichtweg langweilig, die Oberwelt kann ein wenig verwirrend sein und die Chao sind in einem auf Geschwindigkeit ausgelegten Spiel nun wirklich fehl am Platz. Doch insbesondere Sonic und Tails spielen sich sehr gut und sorgen dafür, dass Sonic Adventure für Spieler, die Freude an flüssigen, schnellen Runs durch Jump & Run-Level haben, immernoch eine gute Wahl ist.

Getestet auf Dreamcast, GameCube und Xbox 360.