Hot Wheels Unleashed (Review)

Titelbild aus Hot Wheels Unleashed. Darstellung des Logos links oben. Im Hintergrund findet sich eine orangfarbene Kurve mit mehreren Fahrzeugen, die richtung Vordergrund fahren.

Als kleiner Junge muss ich ziemlich sicher ein richtiger Nervsack für meine Mutter gewesen sein. Egal in welchem Geschäft wir unterwegs waren, wenn es dort Hot Wheels-Autos zu kaufen gab, dann wollte ich eines haben. Und gefühlt gab es diese in jedem Supermarkt. Natürlich habe ich nicht immer eines bekommen, ihre Nerven dürften dennoch ausreichend von meinem Gequengel strapaziert worden sein, um schlagartig ein paar Jahre älter zu werden. Jetzt als Redakteur vom Gaming Village brauche ich nicht mehr quengeln, da kommen die digitalen Spielzeugautos direkt zu mir. Ich bin also für euch losgedüst und hab geschaut, ob das kleine Kind in mir von Hot Wheels Unleashed angetan sein wird.

Erfahrenes Studio am Steuer von Hot Wheels Unleashed

Es war mir im Vorfeld kaum bewusst, aber Hot Wheels zählt zu den ältesten Franchises im Videospielfranchise. Bereits 1984 erschien für den Commodore 64 ein Titel, in dem es weniger um Rennen ging. Stattdessen fuhren wir durch eine Stadt, sammelten Fahrzeuge und lackierten diese bei Bedarf um. In Hot Wheels Unleashed geht es nicht ganz so gemütlich zur Sache. Ganz im Gegenteil – Milestone serviert uns einen rasanten Arcade-Racer mit engen Schikanen, waghalsigen Loopings und furiosen Sprüngen. Das im Genre ungemein erfahrene Entwicklerstudio aus Italien hat bereits mit dem Ride-Franchise sowie vielen anderen namhaften Rennspielen überzeugen können. Und auch Hot Wheels Unleashed ist trotz einiger Mankos ein sehr spaßige Angelegenheit geworden.

Artwork zu Hot Wheels Unleashed aus dem Pressematerial von Milestone

Hot Wheels ist ein Racer mit vielen Facetten geworden. In der Kampagne erledigen auf über vierzig Strecken in sechs Umgebungen unterschiedliche Rennmodi. Im Multiplayer-Modus lässt sich gegen Rennfahrer auf der ganzen Welt antreten. Und die zwei Editoren für Rennstrecken und Lackierungen erweitern den Umfang via Onlinesharing enorm. Zudem sammeln wir über den Verlauf des Hauptspiels Hot Wheels für unsere Sammlung oder Dekomaterialien für den eigenen Hobbykeller, der ebenfalls als Umgebung für Rennstrecken dient.

Der Umfang des Arcade-Racers kann sich auf jeden Fall sehen lassen. Gerade aufgrund des Rennstreckeneditoren dürfte der Nachschub an neuem Material auch ohne DLC kein Problem sein, sofern das Spiel seine Fans findet. Mit 66 verschiedenen Fahrzeugen lassen sich zudem zahlreiche Vehikel bereits in der Grundfassung freischalten. Dieser Fuhrpark soll durch kostenlose Updates und künftige DLC zukünftig noch weiter anwachsen. 

Vielseitiger Funracer mit Tiefgang

Milestone hat seine ganze Erfahrung als Entwicklerstudio für Simulationsrennspiele in die Waagschale geworfen und mit Hot Wheels Unleashed einen simplen, aber dennoch tiefgründigen Arcadetitel entworfen. Es beginnt bereits bei der Fahrzeugauswahl, denn jedes Rennauto verfügt über verschiedene Werte in Kategorien wie Geschwindigkeit und Beschleunigung, Bremsfähigkeit und Handling. Das Zusammenspiel dieser Grundfähigkeiten sowie nicht einsehbarer, aber im Verlauf der Rennen ersichtlicher Variablen wie Aufbau und Gewicht des Fahrzeugs, gewähren jedem Wagen ein individuelles Fahrgefühl. Zudem verfügt jedes Auto über einen individuellen Boost, der sich mit der Zeit auffüllt. Einige haben eine lange Leiste, mit der wir stete Zusatzbeschleunigung aktivieren können. Andere Wagen hingegen besitzen einzelne Boostkammern, die wir komplett zünden können für einen starken, aber unkontrollierbaren Boost.

Diesen Boost, der essentiell für den Erfolg in Hot Wheels Unleashed ist, können wir auf vielfältige Weise innerhalb eines Rennens aufladen. Bereits während des Starts können wir aus einer Kombination von Gasgeben und Kreuztaste einen Bonus vom Fleck weg generieren. Die Trigger des DualSense geben hier ein gutes Feedback, dennoch ist es nicht so leicht diesen Bonus zu erhalten. Anschließend füllt sich der Boost mit dem Verlauf des Rennens nach und nach auf. Zusätzlichen Boost gibt es durch Drifts sowie auf speziellen Markierungen, die hin und wieder auf der Strecke angelegt sind.

Rasen ohne Tempolimit

Die Rennen in Hot Wheels Unleashed spielen sich ungemein rasant und sind nicht allzu leicht zu meistern. Für Drifts braucht es ein sehr gutes Timing sowie je nach Fahrzeugauswahl ein anderes Lenkverhalten in den Kurven. Ansonsten prallen wir schnell gegen die Außenwände oder fliegen von der Strecke. Zudem macht uns oftmals die Physik des Spiels einen Strich durch die Rechnung. Fahren wir zu langsam in einen Looping rein, schaffen wir eventuell die Strecke nicht und fallen kopfüber wieder herab. Ein Rempler mit Außenmauer oder Gegner kann ein leichteres Fahrzeug schnell überschlagen lassen. Und die hohen Geschwindigkeiten machen selbst kleinste Erhebungen zur Sprungschanze.

Diese physikalischen Spielereien machen manche Rennen unberechenbar. Es ist daher gut, dass sich Milestone gegen Elemente wie Waffen alá Mario Kart entschieden hat. Eine solche Komponente hätte den Frust zu Beginn enorm gesteigert und die Toleranz zum Erlernen der notwendigen Handgriffe gesenkt. Ziel ist es, Streckenführung und Fahrzeug so gut unter Kontrolle zu haben, dass das Optimum herausgeholt werden kann. 

Zu rasant, um die Übersicht zu behalten

Screenshot. Darstellung aus der Perspektive hinter dem Fahrzeug bei einem Rennen mit Einblendung des Interfaces.
Boost, Boost, Boost!

Hot Wheels Unleashed sieht auf PlayStation 5 richtig gut aus. Je nach Umgebung sind Licht- und Schattenspiele oder Reflexionen sehr detailliert ausgeprägt. Den Fahrzeugen oder den Streckenmodulen erkennt man ihre Kunstoff- oder Metallherkünfte klar an. In der Umgebung “Skyskraper” sind die Momente im Sonnenlicht eine wahre Augenweide. Und auch farblich überzeugt das Spiel mit einer sehr breiten Palette optischer Hingucker, auch wenn sich auf Dauer die immer gleichen Streckenmodule sehr gleich anfühlen. Auch die Musik während der Rennen besteht gefühlt nur aus zwei oder drei sich stetig wiederholenden Stücken. 

Trotz dieser auf Dauer leider einsetzenden Monotonie, sehe ich hingegen das Interface während der Rennen ein wenig kritischer. Wie ihr am Screenshot hierüber erkennen könnt, gibt es in der linken unteren Ecke eine Minimap, die uns die gegenwärtige Position bekannt gibt. Diese ist allerdings stark gezoomt und gibt für die Rennen keinerlei Mehrwert. Eine Übersicht gewährt dieser Ausschnitt nicht, höchstens sehr nahe Konkurrenten kann man auf diese Weise erkennen. Dann ist es allerdings in der Regel zu spät. Eine größere oder detaillierte Map wäre sicher hilfreicher für den Überblick, aber aufgrund des dreidimensionalen Streckenverlaufes schwierig zu bewerkstelligen. Dahingegen würde es helfen, wenn an Checkpoints oder direkt im Interface rechts oben Zeitdifferenzen angezeigt werden. Doch diesen Überblick über andere Rennteilnehmer verwehrt uns das Spiel genauso wie eine Übersicht nach dem Rennen über die gesamten Rennzeiten.

Auch die Bestzeit für eine Strecke speichert das Spiel nicht ab und verwehrt uns so die Möglichkeit, uns langfristig mit uns selbst messen zu können. Dies mag nur eine Kleinigkeit sein, aber ist im Genre schon fast üblich, dass ich diese Möglichkeit hier schmerzlich vermisse.

Vorsicht vor dem Terrordactyl!

Kernstück von Hot Wheels Unleashed ist seine Kampagne. In dieser folgen wir einem Netz an Rennmissionen und schalten auf diese Weise Credits, Zahnräder und Dekomaterialien frei. Es existieren im Grunde zwei Modi: Rennen gegen elf KI-Fahrer, ob im Drei-Runden- oder Start-Ziel-System sowie Zeitrennen. Je besser wir ein Rennen abschließen, desto höher fallen die Belohnungen aus. Ist eine Mission erstmals abgeschlossen, gibt es zudem weitere Belohnungen. Insgesamt fallen die Belohnungen allerdings sehr gering aus, wodurch die Fahrzeugupgrades sowie Überraschungskisten, die man im Laden kaufen kann, auf Dauer sehr viele Rennen und Zeit in Anspruch nimmt. Gerade mit Lootboxen als Mechanik, die uns nur zufällig neue Fahrzeuge zur Verfügung stellen, ist dies umso ärgerlicher. Gottseidank hat das Studio auf Mikrotransaktionen verzichet.

Screenshot. Interface während einem Rennen durch große gelbe Spritzer sowie eine schwarze Grimasse überdeckt.
Beim Bossgegner „Geisterhaus“ verdrecken Geisterwesen unser Interface und blockieren unsere Sicht

Abwechslungsreich sind in der Kampagne hingegen jene Missionen, die einem Geheimnis oder einem Boss zugeordnet sind. Geheimnisfelder gewähren uns größere Belohnungen, allerdings müssen wir bestimmte Bedingungen erfüllen, um sie zu erhalten. In der Regel lautet diese Bedingung “Fahr mit x auf Strecke y”, dennoch gibt es die ein oder andere, die nicht so offensichtlich ist. Bosslevel hingegen sind sehr schwere Rennen, in denen wir zwingend gewinnen müssen, um voranzukommen. Hier kommen dann allerdings je nach Boss erschwerte Bedingungen auf die Strecke. So kann unserer Bildschirm plötzlich von Geistern überdeckt sein, unserer Boost durch Gift gefressen werden oder Eis unsere Steuerung ins Chaos stürzen.

Ist Hot Wheels Unleashed zu stark, bist du zu schwach

Durch diese sehr kreativen Effekte, die wir nach erfolgreichem Abschluss der Mission im Rennstreckeneditor selber verbauen können, richtete sich aber meine Aufmerksamkeit auf ein größeres Problem. Hot Wheels Unleashed ist kein einfacher Racer und Bosslevel müssen zwingend gewonnen werden. Bereits auf dem zweiten von vier Schwierigkeitsgraden (Mittel) ist die KI sehr geübt darin die Boosts für sich zu gewinnen. Im ersten Bosslevel hatte ich dementsprechend starke Schwierigkeiten, das Rennen komplett für mich zu entscheiden.

Als ich es dann allerdings heruntergestellt habe, waren die Rennen viel zu leicht. Die Lücke zwischen “Leicht” und “Mittel” ist enorm, da Gegner langsamer fahren und weniger bis gar nicht boosten. Der eigene Boost selber wiederum füllt sich schneller auf. In einem kurzen Test habe ich zudem festgestellt, dass diese Lücke zwischen “Mittel”, “Harte” (ein Hoch auf deutsche Übersetzungen!) und “Extrem” nicht so stark ausgeprägt ist. Ungeübte Rennfahrer dürften es daher schwer haben, in den vollen Genuß der Möglichkeiten des Spiels zu kommen.

Bau dir die Welt, wie sie dir gefällt…

Neben der Kampagne stellen die Editoren einen großen Fokus von Hot Wheels Unleashed dar. Einerseits haben wir die Möglichkeit, unsere gesammelten Fahrzeuge optisch zu gestalten. Dies ist relativ simpel und erfolgt über verschiedene Segmente, die wir individuell einer Grundlage (Kunststoff, mattes Metall etc.) zuordnen, sowie einer reichhaltigen Farbpalette zum Umfärben.

Übersichtsgrafik zur Umgebung "Skyscraper".
Der Skyscraper bietet sehr viele Möglichkeiten, um sehr faszinierende Kreativstrecken zu bauen

Die Gestaltung der Rennstrecken hingegen stellt weitaus varianten- und facettenreicher dar. Wie bei den realen Sammelspielzeugen von Hot Wheels bietet auch Unleashed ein Baukastenprinzip, indem wir die unterschiedlichen Module vom Start weg auswählen und dementsprechend anpassen. Spezielle Module, wie beispielsweise aus einem Bosslevel gewonnene, haben eine feste Größe und Form, lediglich Farben und selbstverständlich der Standort im Level lassen sich anpassen. Reguläre Streckenmodule lassen sich auch in ihrer Länge und Winkel anpassen, um Kurven, Kuppen oder Senken zu erzeugen. Auf diese Weise ließen sich – ausreichend Kreativität vorausgesetzt – ähnliche spektakuläre Strecken wie in der Kampagne designen. Oder noch spektakulärer!

Es lohnt sich auf jeden Fall die sechs Umgebungen genau zu studieren, um eventuell von versteckten Pfaden, Gegenständen oder ähnlichen zu profitieren. Jede Strecke kann sich nämlich die besonderen Umstände eines Areals zu Eigen machen, um seinerseits spannende Momente im Rennen zu generieren. Da wir zudem den Keller mit gewonnenen Dekomaterialien nach eigenen Wünschen gestalten können, wächst die eigene, individuelle Note enorm. Ich bin selber kein Freund von diesen kreativen Gestaltungsmodi, bin aber sehr angetan von der einfachen und doch mächtigen Form, die Hot Wheels Unleashed offenbart.

…wenn die Welt schon nicht mit dir spielen will

Zu guter Letzt will ich ein paar Worte über den Mehrspielermodus von Hot Wheels Unleashed verlieren. Dieser Text erscheint zum Embargo für Reviews zum Spiel, weswegen ich im Grunde nur mit anderen Spieler:innen spielen konnte, die vorab ein Muster erhalten haben. Und irgendwie hatten nur sehr wenige Tester:innen nur sehr wenig Lust dazu, den Online-Modus auszuprobieren. Meist bestand die Lobby nur aus mir und…gähnender Leere. Das ist schade, denn aufgrund des sehr interessanten Streckendesigns machen Rennen gegen andere Leute sicherlich viel Spaß. Ich hoffe, dies ändert sich mit dem Release am 30. September entscheidend.

Leider bietet das Onlinespielen von Hot Wheels Unleashed kaum Anreize, da es lediglich Einzelrennen für bis zu 12 Personen gibt. Turniere oder andere Modi gibt es nicht und machen so den Multiplayer zum inhaltlich schwächsten Teil des Spiels. Und das obwohl mit Crossplay zwischen Plattformen dergleichen Familie (also beispielsweise PlayStation 4 und 5 gemeinsam) der Pool an Spieler:innen stark erweitert wird.

Noch weniger Inhalt bietet der Splitscreen-Multiplayer. Lediglich zwei Spieler können in einem Offline-Rennen gegeneinander antreten, KI-Gegner fehlen allerdings, um die Rennstrecke noch ein wenig riskanter zu machen. Mir fehlte zudem die Option, den Splitscreen horizontal statt vertikal zu stellen. Allerdings verzeichnet das Spiel hier Punkte dafür, wer ein Rennen gewonnen hat, was zumindest im Zweikampf eine langfristige Note darstellt.

Wer Racer mag, wird auch Hot Wheels Unleashed mögen

Hot Wheels Unleashed hat mich überrascht. Im Vorfeld habe ich einen spaßigen, aber dann doch eher oberflächlichen Racer erwartet. Mir gefiel allerdings sehr gut, dass Milestone seinen Fokus darauf gelegt hat, nicht nur Spektakel zu erzeugen, sondern auch spielerischen Tiefgang zu bieten. Der Schlüssel zum Erfolg in Unleashed ist das Meistern von Streckenführung und Fahrzeug, während die rasante Geschwindigkeit sowie die Physik mehr als einmal versucht uns in die Quere zu kommen. Und mit dem mächtigen Trackeditor ist es möglich das eh schon große Feld an Strecken mit weiteren, kreativen Rennen zu erweitern.

Artwork zu Hot Wheels Unleashed aus dem Pressematerial von Milestone

Leider leidet das Spiel an einigen Kinderkrankheiten, die den Gesamteindruck schmälern. Im Mehrspielermodus fehlt es an Umfang, obwohl das Spiel grundsätzlich viele Strecken und Fahrzeuge bietet. Das Freischalten letzterer ist allerdings sehr langwierig, weil Belohnungen klein und Überraschungskisten eine sehr nervige Mechanik sind. Zudem fehlt es dem Spiel an kleineren Elementen, die im Genre schon lange üblich sind. Nichtsdestotrotz ist Hot Wheels Unleashed ein gutes Spiel geworden, welches Rennspielfans die Wartezeit bis zum nächsten großen Genrehighlight Forza Horizon 5 gekonnt versüßen kann. Zumindest der kleine Junge in mir war sehr angetan!

Getestet auf PlayStation 5. Ein herzlicher Dank geht an Koch Media für die Bereitstellung des Mustercodes!