New Pokémon Snap (Review)

Artwork New Pokémon Snap

Als Nintendo im vergangenen Sommer einen Nachfolger zum durchaus beliebten N64-Titel Pokémon Snap ankündigte, fiel ich nicht aus allen Wolken. Das lag nicht an den unerträglichen Leaks im Vorfeld der Pokémon Direct, aber auch erst recht nicht daran, dass mir ein solcher Nachfolger egal gewesen wäre. Aber nach mehr als 20 Jahren Wartezeit einerseits und vier Konsolengenerationen später andererseits, war ich schon sehr verblüfft. Erst in den darauffolgenden Tagen habe ich New Pokémon Snap realisiert und mich dementsprechend auf den neuen Titel gefreut. Und exakt 8104 Tage nach dem Release des Originals in Japan veröffentliche ich meine Review zu dem von vielen Fans ersehnten Nachfolger. Schauen wir mal, wie sich das Spiel nach einer so langen Wartezeit schlagen kann.

Endlich wieder Fotosafari in New Pokémon Snap

Die Lentil-Region ist die Heimat der unterschiedlichsten Pokémon. Doch Professor Mirror wittert ein großes Geheimnis auf den verstreuten Inseln dieses Archipels, weswegen er dort das sogenannte Lumina-Phänomen erforscht. Für diese Forschung sind qualitativ hochwertige Fotos der in der Region lebenden Pokémon notwendig, weswegen ich mir die digitale Fotokamera und das Neo-One, ein Fahrzeug für jedes Terrain, um die Pokémon ungestört erkunden zu können, geschnappt habe und in die Lentil-Region aufgebrochen bin.

Screenshot aus New Pokémon Snap. Darstellung der Zoom-Ansicht während der Fahrt, mit Dodri im Vordergrund, Vivillion im Hintergrund. In der linken oberen Ecke befindet sich ein Sichtfenster mit dem Gesicht von Professor Mirror.
Fotografie ist eine sehr exakte Kunst

Wie bereits im N64-Klassiker bietet New Pokémon Snap mehrere Strecken, auf denen sich Pokémon in freier Wildbahn tummeln. Ausgerüstet mit der Kamera sowie einem Sensor, später auch Samtäpfeln und den wichtigen Lumina-Bällen, begeben wir uns auf eine unblutige Jagd nach den besten Fotos. Wie in einem Rail-Shooter fahren wir auf einer festgelegten Bahn durch das Gelände und fotografieren bis zu 214 verschiedene Pokémon bei den unterschiedlichsten Situationen: 

Bisofanks grasen so in Herden auf einer saftig-grünen Wiese; Magnayens jagen kleinere Pokémon, die verschüchtert in Bäume und auf Felsen klettern; oder ein Hopplo ruht sich nach wilder Hatz über die gesamte Strecke auf dem Rücken eines Chelterrar aus, um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen.

Die Szenerien sind eindrucksvoll in Szene gesetzt, allerdings sollte man eingeräumen, dass es für das Franchise kein gutes Zeugnis ausstellt, wie mit Bandai Namco ein externes Studio das bisher schönste Spiel im Kontext der Reihe auf die Switch zaubert. Sicherlich hätten vor allem die Texturen noch Potenzial nach oben, doch die Taschenmonster und ihre Modelle sind in New Pokémon Snap so lebhaft wie noch nie. Die Strecken wirken dadurch nicht nur sehr farbenfroh, sondern gleichzeitig auch wie ein eigenes Ökosystem.

Eine Pokémon-Wissenschaft für sich

Dieser Eindruck verstärkt sich durch das Forschungslevel der einzelnen Strecken, das sich anhand unserer bis dahin bewerteten Fotos verbessert. Nach jedem Durchgang wählen wir von jeder Pokémon-Art ein Foto aus, welches Professor Mirror präsentiert und anschließend nach Kategorien wie Präzision, Größe oder Pose bewertet. Je höher die Punkte, desto mehr Erfahrungspunkte verbucht er auf das Forschungslevel und jedes Level-Up verändert Vielfalt und Verhalten der auf der jeweiligen Strecke lebenden Pokémon.

Screenshot aus New Pokémon Snap. Darstellung des Bewertungsbildschirmes zweier Bidiza-Fotografien mit Punktzahlen für einzelne Kategorien und Kommentar von Prof. Mirror darunter.
Individuelle Fotos leiden mitunter bei der Bewertung an falscher Perspektive oder Größe

Anders als im Original sortiert Professor Mirror die Fotos eines Pokémon in vier verschiedene Kategorien ein, um diese im Fotodex zu verewigen. Da er allerdings gleichzeitig lediglich ein Foto einer Art bewertet, müssen wir die Strecken öfter befahren. Und dabei hoffen, dass andere Verhaltensweisen vorkommen, um die erforderlichen anderen Kategorien freizuschalten. 

Einen sehr vagen Hinweis darauf, worauf wir achten sollten bei einer Fahrt, geben die Aufträge, die durch Mirror sowie Assistenten des Labors zur Verfügung stehen. Geben wir dann das Foto eines Auftrages ab, schalten sich Stempel oder andere Boni für die nachträgliche Bildbearbeitung frei.

Abgrenzung zum N64-Klassiker

Nichtsdestotrotz sorgen Kategorien und Forschungslevel dafür, dass einerseits die Strecken sehr variabel bleiben. Andererseits sind viele Wiederholungen notwendig, wenn wir unseren Fotodex komplettieren wollen. Nachdem der Abspann bei mir lief, hatte ich 166 Pokémon gesehen und 306 einzigartige Fotos registriert, wodurch ich im Schnitt weniger als zwei Kategorien ausfüllen konnte. Über die vielfältigen Möglichkeiten will ich mich daher kaum beklagen. Leider erweist sich hingegen der Gameplay-Loop auf Dauer als sehr repetitiv und viele Veränderungen finden nicht statt.

Eine Änderung sind beispielsweise die Kristallblumen, welche erst in leuchtendem Zustand gefunden und fotografiert werden müssen. Dies schaltet anschließend für die jeweilige Insel Luminabälle frei. Mit diesen Bällen lassen sich in New Pokémon Snap die wilden Pokémon erleuchten oder inaktive Kristallblumen entzünden. Erwischen wir den richtigen Moment, triggert dies eine neue Verhaltensweise eines Pokémon und es wird eine komplett neue Szene geschaffen. 

Diese Form der Mini-Rätsel unterscheidet Bandais Titel stark von HALs Ableger, wobei auf die dort vorkommenden Entwicklungen leider komplett verzichtet wurden. Für mich als Fan des Originals ist dies sehr schade, denn es fehlen gerade diese Momente – wenn sich Glutexo im Vulkan durch mein (ähem..) nettes Zutun zu Glurak entwickelt oder Karpador im Wasserfall seine Bestimmung als Garados findet.

Mit einem Leuchten in den Augen

Statt Entwicklungen bietet New Pokémon Snap das Lumina-Phänomen, welches leider auch das nervigste Spielelement hineingebracht hat: Bosskampfähnliche Begegnungen. Diese schalten sich je nach Fortschritt in der Story frei, welcher wiederum vom Fortschritt auf den Strecken (Abzweigungen, Forschungslevel, Luminabälle) abhängig ist und stellenweise nicht kommuniziert wird. Haben wir dann auf einer Insel eine Lumina-Zone freigeschaltet, erwartet uns eine gesonderte Strecke. Auf dieser gibt sich ein großes Pokémon zumeist sehr schüchtern und muss mit Luminabällen von uns beworfen werden. Nur wenn es leuchtet, akzeptiert Professor Mirror Fotos dieser Pokémon in der Endabrechnung. Wenn wir das nicht schaffen, heißt das Neustart.

Screenshot aus New Pokémon Snap. Fotografie eines Florges in einem Blumenfeld, welches fröhlich in die Kamera winkt.
Florges hat sich unheimlich gefreut mich zu sehen

Im Großen und Ganzen steuert sich New Pokémon Snap gut, vor allem im Handheldmodus profitiert das Spiel von der Mischung aus Bewegung und Tastenkombinationen. Leider ist trotz Einstellung der sensibelsten Kamera die Bewegung sehr langsam und in den späteren Lumina-Bossfotosafaris hängen wir oftmals hinterher. Eng, schnell und mit vielen Verstecken versuchen die Lumina-Pokémon unserer Kameralinse zu entkommen. Manche schützen sich zudem mit einem gesonderten Schild, den wir erst mit Samtäpfeln bewerfen und entfernen müssen. Obwohl diese Abschnitte nicht schwer sind, so machten sie mir keinen Spaß, weil hier Gameplay und Leveldesign nicht gut miteinander harmonieren.

Ein Fest für Fans der Fotographie

Abseits dessen bietet New Pokémon Snap für Fans von diversen Fotomodi in Videospielen ein beinahe volles Programm. Nach jeder Streckenbewertung können wir von den geschossenen Fotos variabel viele für das eigene Album abspeichern. Erst wenn eine Gesamtgrenze überschritten wird, fragt das Spiel nach, ob die Switch mehr als 200 MB mehr Platz zur Verfügung stellen soll. Diese Fotos können wir zudem in einem begrenzten Bereich via Foto Plus noch einmal neu aufnehmen. Zwar können diese nicht bewertet, aber wir können diese in verbesserter Form (Winkel, Fokus etc.) im Album speichern. Im Album angekommen stehen weitere Bearbeitungsmöglichkeiten zur Verfügung. Stempel, Rahmen und Filter schalten wir durch Aufträge oder im Spiel integrierte Errungenschaften frei. Damit können wir unserer Fantasie und Kreativität freien Lauf lassen. 

Screenshot aus New Pokémon Snap. Fotografie eines Dodri, welches mit einem Comicrahmen umfasst und Stempeln zusätzlich ergänzt wurde.
Mit Rahmen und Filtern wird aus einem verschlafenen Dodri schnell das Magic-Dodri

Jedes Bild aus dem Album können wir anschließend online anderen Spieler:innen von New Pokémon Snap präsentieren. Es lassen sich leider keine Fotos von Personen in der Freundesliste direkt anzeigen. Hier müssen wir der Empfehlung des Spiels vertrauen, die diese präferiert auszuwählen scheint. Gefällt euch ein Foto besonders gut, könnt ihr Apfelmedaillen hinterlassen, um Fotograf:innen eure Zuneigung zu zeigen. Leider gibt es keine Kommentarfunktion, welche die Community hinter der kreativen Welt des Spiels noch weiter fördern würde.

Rückkehr zur “alten Form” mit New Pokémon Snap

Um auf die Frage zum Einstieg zurück zu kommen: Hat sich die Wartezeit auf New Pokémon Snap gelohnt? Bandai Namco hat viel Liebe zum Detail in das Spiel gesteckt und bleibt relativ nah an der Erfahrung des Originals. Dies stimmt Fans wie mich glücklich, denn so bekommen wir nach 22 Jahren endlich den ersehnten Nachfolger präsentiert. 

Skeptiker hingegen finden weiterhin berechtigterweise dieselben Schwächen im Gameplay vor. Zudem bieten New Pokémon Snaps Änderungen weitere Stolpersteine im Gameplay. Wir erhalten mit dem Spiel keine Weiterentwicklung der Formel, die das Original so beliebt gemacht hat. Das Konzept hat sein vollständiges Potenzial noch nicht ausgereizt, aber nichtsdestotrotz feiert das Spin-Off eine gelungene Rückkehr.

Getestet auf Nintendo Switch.