Tomb Raider: Definitive Edition (Review)

Kürzlich erst habe ich Naughty Dogs Hollywood-Shooter Uncharted viele Jahre nach Release eine – leider völlig unverdiente – Chance gegeben. Nachdem auch Uncharted 2 mich in keiner Weise hat mit der Reihe versöhnen können, bedurfte es schon ein wenig Überzeugungsarbeit meiner Kollegin Sandra, um Tomb Raider überhaupt noch eine Chance zu geben. Einen Klon der für mich schlechtesten Spielerfahrung seit Mass Effect 3 zum Wii U Launch habe ich nicht eben als attraktiv empfunden. Zum Glück hat Sandra aber eine ordentliche Überzeugungskraft und so stand diesen Januar Tomb Raider: Definitive Edition auf dem digitalen Speiseplan.

Tomb Raider: Definitive Edition erzählt die Geschichte von Lara Crofts erstem Abenteuer als junge Archäologin von gerade einmal 21 Jahren. Leider ist Archäologie aber augenscheinlich ein sehr gefährliches Geschäft, denn schon früh im Spiel wird Lara gefangen genommen, kräftig vermöbelt und muss sich zu allem Überfluss gegen einen übergriffigen Geiselnehmer zur Wehr setzen. So wird Lara unvermittelt zur effizienten Killerin ausgebildet. Obwohl sie im weiteren Spielverlauf noch einige Male mit sich ringt, wenn sie Menschen oder Wildtiere über den Jordan schickt, akzeptiert sie Schusswaffengewalt doch ziemlich schnell als ideale Problemlösungsstrategie.

Spielerisch kombiniert Tomb Raider: Definitive Edition drei verschiedene Konzepte. Haupt-Gameplayelement ist Cover-Shooter-Gameplay mit gelegentlichen kleinen Stealth-Anteilen. Mit vier verschiedenen Schusswaffen, darunter insbesondere einen Bogen, muss Lara sich im Verlauf des Spiels sicherlich ca. 200 menschlicher Widersacher entledigen. Dabei ist es oft, aber nicht immer, nötig, sich hinter zahlreichen Deckungsmöglichkeiten zurückzuziehen um gegnerischen Angriffen aus dem Weg zu gehen. Allerdings gibt es drei Punkte, die Tomb Raider sehr positiv von Uncharted absetzen. Zunächst einmal wäre da, dass die Steuerung wesentlich sensibler und schneller ist als in Uncharted, dann der Umstand, dass die Kämpfe wesentlich variantenreicher sind und schließlich, dass Square Enix wesentlich weniger gerne mit schier endlos erscheinenden Gegnerwellen auf den Spieler wirft, als Naughty Dog.

Variantenreichtum kommt bei den Kämpfen in Tomb Raider auf zwei Weisen ins Spiel. Viele Kämpfe erlauben mehrere Herangehensweisen. Oft kann man mit dem Bogen heimlich eine gute Zahl an Gegnern mit Kopfschüssen vor dem Beginn des offenen Scharmützels ausschalten und im Kampf hat man zudem oft die Option, Laras athletische Fähigkeiten zu nutzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen, statt sich nur von Deckung zu Deckung vorzukämpfen – obgleich letzteres durchaus eine passable Strategie bleibt. Hinzu kommt, dass es eine deutlich größere Zahl an Gegnertypen als in Uncharted gibt, die sich auch deutlich unterschiedlich verhalten. Auch wenn ich beileibe kein Shooter-Fan bin, haben mit eine Menge Kampfsituationen im Spiel durchaus gut gefallen und alle drei mir bekannten Uncharted-Spiele (1, 2, Golden Abyss) deutlich in den Schatten gestellt.

Was Tomb Raider aber noch deutlicher von der amerikanischen Konkurrenz abhebt, sind die Kletterpassagen. Zwar gibt es auch in Tomb Raider zahlreiche substanzlose effekthascherische Szenen, in denen man halbautomatisch durch auseinanderfallende Geometrie rennt und springt – markant erkennbar an dem Dauer-Rumble des Controllers – darüber hinaus gibt es aber auch durchaus anspruchsvollere Kletterpassagen, die bisweilen gar ein wenig an Prince of Persia erinnern. Besonders interessant sind solche Plattformsequenzen, die im Zusammenspiel mit einem Rätselaufbau recht genaues Timing verlangen. In Anbetracht dessen, dass die Klettermechanik erstaunlich gelungen ist, ist es geradezu traurig, dass die obligatorischen halbautomatischen Hollywood-Szenen zu QTEs verkommen. Mit etwas weniger Bombast könnte man diese Szenen auch mit der normalen Klettermechanik umsetzen.

Die dritte Mechanik im Spiel sind Rätsel, die vorrangig mit Schaltern und den Zugpfeilen spielen. Die Zugpfeile ermöglichen es Lara, Gegenstände zu greifen und zu sich zu ziehen. Zwar ist Tomb Raider sicher kein Knobelspiel, doch gibt es eine ganz ordentliche Zahl an Rätseln, die auch durchaus als ernstzunehmende Spielherausforderung angelegt sind. Wer die Rätsel- und Platform-Aspekte von Tomb Raider besonders mag, kann sich auch an sieben kurzen optionalen Gräbern, die relativ nah am Hauptpfad durch das Spiel positioniert sind, probieren. Jedes Grab enthält eine kurze Rätsel- oder Plattform-Aufgabe, die etwas kniffliger ist als die entsprechenden Aufgaben im Hauptspiel. Wenn man ein Grab erfolgreich absolviert, erhält man eine Karte des Gebiets, in dem man das Grab gefunden hat, um die versteckten Sammelgegenstände leichter finden zu können.

Tomb Raider: Definitive Edition zeichnet sich durch eine ziemlich hohe Schlagzahl aus. Wenn man dem Hauptpfad durch das Spiel folgt, hat das Spiel keine langweiligen Abschnitte, sondern reiht die verschiedenen Spielaufgaben in hoher Schlagzahl aneinander. Abgesehen von den Spektakelszenen ist das Spiel auch durchgehend gut designt und bietet eine gute Mischung aus den drei Spielkonzepten. Die optionalen Inhalte sind abseits der Gräber zwar leider ziemlich achtlos in die Welt geworfen worden, das Hauptspiel und die Gräber bieten aber erstaunlich gutes Gameplay trotz des unbestreitbaren Fokus auf filmisches Spektakel.

Getestet auf Xbox One X.