Haven (Review)

Haven ist das neueste Werk von „The Game Bakers“. Selbstpubliziert ist es aktuell auf der PlayStation- und der Xbox-Familie und auch auf dem PC (Steam und GoG) erhältlich wobei die Switch-Version für 2021 angekündigt ist. Einige mögen dieses Studio vielleicht für ihre 2016er Titel „Furi“ kennen. War jenes noch ein Gameplay orientiertes Erlebnis mit herausfordernden Bosskämpfen und viel Action die Shoot em‘ Up und Hack n‘ Slay vereint hat, erwartet uns bei Haven ein gediegenes Rollenspiel-Abenteuer bei dem die Liebe im Mittelpunkt steht.

Kay und Yu sind zwei Liebende die zueinander gefunden haben und sich dazu entschlossen haben, ihre jeweilige Heimat hinter sich zu lassen, um auf einem neuen Planeten endlich gemeinsam und ungestört glücklich sein zu können. Doch damit wird ihre Beziehung erst überhaupt auf die Probe gestellt und der Spieler darf den Verlauf ihrer Geschichte beginnend auf diesem Planeten miterleben, und zu einem kleinen Teil auch beeinflussen.

Ich habe Haven auf der PS5 in sieben Sitzungen und rund 10 Stunden beendet. Die PlayStation 5 Version bietet Grafik-Optionen die entweder die Optik oder die Performance bevorzugen sollen. Beide Varianten laufen auf 60 FPS. Erstere Variante bietet jedoch mehr Details in der Umwelt. Leider scheint das Spiel nicht sonderlich gut optimiert zu sein, denn in diesem Modus sind mir regelmäßig Slowdowns aufgefallen die den Eindruck natürlich trüben, zumal das Spiel die Hardware normalerweise nicht gerade fordern dürfte. Man kann nur hoffen, dass das kein schlechtes Zeichen für die Switch-Version ist. Prinzipiell sieht das Spiel nämlich schon so aus, als ob alle Plattformen keine Probleme damit haben sollten.

Doch wie genau spielt sich das Spiel? Im Grunde gibt es zwei verschiedene Spielkonzepte. Im Vordergrund steht die Exploration des Zersplitterten Planeten. Die Fortbewegung geschieht hier vorrangig über die Gleitstiefel, die eine besondere Substanz genannt Flow als Antrieb nutzen. Flow ist im Universum von Haven etwas ganz natürliches, das jedem Planeten innewohnt. So gleitet man in hoher Geschwindigkeit über die außerirdischen blauen Wiesen, überwindet die einzelnen Fragmente des Planeten über blaue Flow-Brücken die die einzelnen Stücke des Planeten zusammenhalten, bekämpft einheimische Lebewesen die durch eine Rote Masse korrumpiert wurden und sammelt verschiedene Pflanzen, die man zur Nahrungsaufnahme oder zur Heilung zurück in den Unterschlupf der beiden bringen kann.

Im Unterschlupf selbst, dem sogenannten „Nest“ (es ist ihr Raumschiff), spielt es sich hingegen wie eine Visual Novel. Mit einer frei beweglichen Kamera kann man die beiden Liebenden bei ihrem Alltag beobachten und diverse Tätigkeiten und Objekte auswählen. So kann man die beiden in der Küche kochen lassen, sie aufs Sofa setzen um zu plaudern, sie gemeinsam duschen lassen oder neue Heil-Gegenstände herstellen lassen. Das alles ist am Anfang noch ganz charmant anzusehen und gibt den beiden Protagonisten viel Charakter. Die meisten der Tätigkeiten (wie auch das Besiegen von Gegnern) steigern dabei die Bindung des Paars, was im Grunde ein ganz normales Erfahrungspunkte-System ist.

Die englischen Synchronsprecher leisten eine ordentliche Arbeit und füllen die Charakter-Artworks während der Gespräche mit Leben. Das Nest ist als Ruhepol gedacht und es macht seine Sache auch ganz gut. Die denkwürdigsten Momente des Spiels passieren innerhalb dieses Schiffes. Wenn Kay von Dingen erzählt die ihm auf dem Herzen liegen und Yu sich von einem Pickel auf seinem Rücken ablenken lässt und ihn sogar unterbricht um ihn auszudrücken, kann ich bestätigen, dass das die Dynamik einer echten Beziehung unter Umständen ganz gut einfängt. Leider läuft man nie in die Gefahr etwas falsch zu machen. In manchen Dialogen kann man aus zwei verschiedenen Antworten wählen, doch gefühlt hat dies so gut wie keinen Einfluss auf den Ausgang der Situation. In meinem Durchgang war es mir auch nicht möglich, die Bindung der beiden zu senken. Diese Beziehung ist also wunderbar einfach. Das nimmt dem ganzen leider auch etwas die Spannung.

Nun sind Yu und Kay aber ausgeruht und gehen wieder auf Erkundungstour. Anfangs findet man noch relativ häufig ein paar Verbesserungen und Elemente die den Gameplay-Loop erweitern und das Kämpfen interessanter gestalten. Doch schon nach der fünften oder sechsten Spielstunde muss man sich darauf einstellen, keine große Abwechslung mehr zu erleben. Selbst die Umwelt sieht oft verwirrend gleich aus. Das höchste der Gefühle ist eine andere Farbpalette für die allgegenwärtige Flora und Fauna die hauptsächlich aus Wiesen und Seen besteht. Insgesamt lässt auch die Steuerung zu wünschen übrig, denn standardmäßig ist das Drehen der Kamera beim Gleiten deaktiviert. Das ist wirklich unschön! Das lässt sich zwar im Optionsmenü einschalten, dann jedoch kann es dem Spieler extrem leicht passieren, dass man ungewollt die 180° Wende vollführt, die sich automatisch ausführt sobald man nur kurz in die entgegengesetzte Blickrichtung des Charakters drückt. Insgesamt bin ich mit der Steuerung unzufrieden und habe mich auch bis zum Spiel-Abschluss damit nicht anfreunden können.

Hauptsächlich reinigt man die vom Rost besudelten Orte indem man darüber gleitet und folgt blauen Flow-Linien um an Höhe zu gewinnen und neue Orte zu erreichen. Das Kämpfen selber funktioniert besser, hat aber seine ganz eigenen Unzulänglichkeiten. Grundlegend steuert man beide Helden gleichzeitig in einem rundenbasierten Kampfsystem, vergleichbar dem ATB aus FF7. Wenn du nicht handelst, versäumst du deinen Angriff. Kay belegt das Digipad und Yu die Face-Buttons. Drücke und halte eine der vier Richtungen oder Tasten um eine Aktion einzuleiten und auszuführen und achte dabei darauf was der Gegner vorhat. Das ist wirklich ganz unterhaltsam und bietet später auch ein paar spannende taktische Kämpfe die die Daumen-Koordination auf die Probe stellen. Das ist ein interessantes Konzept an das man sich gewöhnen muss und welches ich auch bis zum Ende hin nicht vollständig verinnerlicht habe. Anders als beim Explorieren schiebe ich hier die Schuld jedoch auf mich selbst da ich anscheinend nicht in der Lage war, den richtigen Daumen in der richtigen Reihenfolge von der Taste zu nehmen Zu oft wollte ich einen Gegner rempeln bevor ich ihn mit einem Schuss attackiere und habe die Aktionen vertauscht ausgeführt. Ganz ohne Probleme ist das Kampfsystem jedoch auch nicht: Die Zielauswahl erfolgt automatisch. Das Spiel versucht dynamisch das passende Ziel zur Aktion auszuwählen. Wenn z. B. ein Gegner gerade verletzlicher ist als sonst werden die Figuren dieses Ziel priorisieren ob man es will oder nicht. Oft genug habe ich dadurch den Todesstoß eines anderen Gegners versäumt und anschließend noch Schaden durch jenen eingesteckt. Ein lästiges Manko das aber anlässlich der niedrigen Schwierigkeit verschmerzbar ist.

Nach und nach erfährt man mehr über den Hintergrund der beiden und auch über den Zersplitterten Planeten auf dem sie sich befinden und das Ganze ist wirklich recht interessant und für mich persönlich auch der Hauptantrieb an dem Spiel gewesen. Ich möchte darüber allerdings nicht zu viele Worte verlieren und euch alles vorweg nehmen. Leider ist die Präsentation etwas altbacken und lässt auch zu wünschen übrig. So gibt es zum Beispiel ein paar Ruinen die man erkunden kann. So treten beide Charaktere z. B. in ein verlassenes Haus und der Spieler darf sich anhand der Zeilen die beide von sich geben in seinem Kopf ausmalen wie es darin wohl aussieht. Der Spieler wartet nämlich vor der Tür bis der Dialog abgeschlossen ist. Das ist schade und uninspiriert wo man sich doch anscheinend so viel Mühe mit der Lore von Haven gegeben hat.

Trotz allen Gemeckers, hatte ich meinen persönlichen Spaß an dem Spiel gehabt. Die Mischung aus Erkunden, Kämpfen und Beziehungsalltag hatte einen gewissen sanften Flow. Begleitet wird das Ganze von passender Musik die auch wie bei Furi von Danger komponiert wurde. Die Musik hat schon Ohrwurm-Charakter und ist leichtherzig, elektrisch und poppig. Man muss sich nur darauf einstellen, dass die Musik zu keiner Zeit eine Pause einlegt. Jede Sekunde des Spiels ist von einer Melodie unterlegt. Das ist grundsätzlich nichts Schlimmes, aber der ein oder andere Moment hätte auch mal Ruhe vertragen können.

Erwähnen möchte ich hier noch die PS5-spezifischen Features. Das Spiel bietet über die Cards eine bebilderte Hilfe zum nächsten Spielziel an. Der Controller unterstützt die adaptiven Trigger und das haptische Feedback was man allerdings nur beim Gleiten über Wasser merkt. Außerdem gibt es einen Zweispieler Modus den ich aber selbst nur kurz ausprobiert habe. Beim Erkunden scheint dies keinen Mehrwert zu bringen, da der zweite Spieler an den ersten gebunden ist, allerdings dürfte das Kämpfen damit wesentlich einfacher und koordinierter laufen.

Alles in Allem bot mir Haven eine willkommene Abwechslung in seiner Prämisse mit liebenswerten Charakteren und einer Feel-Good-Stimmung. Leider schöpft Haven sein eigenes Potenzial ganz und gar nicht aus und dauert länger als es nötig wäre. Dennoch kann ich das Spiel empfehlen, nur eben nicht uneingeschränkt. Wer Interesse am Konzept hat, ob Single oder Vergeben, darf hier gerne zuschlagen.

Getestet auf PlayStation 5. Vielen Dank an The Game Bakers für die Bereitstellung des Testmusters.