Abenteuer Spieleentwicklung – Teil 3: Vaporware

Die Entwicklungsumgebung steht, die Idee ist klar umrissen, erste Publishing-Erfahrung gesammelt, Diplodocus Games fand sich binnen weniger Monate also auf einer Erfolgsspur? Nun, in dieser Ausgabe von Abenteuer Spieleentwicklung sprechen wir über das SRPG-Projekt, das mein Einstieg in die Spieleentwicklung mit Unity war und in den folgenden Monaten den Großteil meiner Freizeit verschlingen sollte. Wie man bereits daran ablesen kann, dass ich es vier Jahre später immer noch SRPG-Projekt nenne, hat leider nicht alles, was einen guten Anfang nimmt auch ein gutes Ende.

Anders als die meisten SRPGs sollte unser Spiel nicht in einer Fantasy- oder Mittelalter-Umgebung spielen, sondern in der Zukunft. Die Geschichte wurde nie vollkommen fertig geschrieben, die grundlegende Idee war jedoch, dass der Spieler die Kontrolle über zunächst nur einen einzelnen Charakter, einen Professor auf einer Raumstation, die der kooperativen Forschung zwischen verschiedenen Völkern dient, übernimmt. Er wacht auf Grund von großem Lärm auf und versucht herauszufinden, was auf der Raumstation los ist. Wie sich schnell herausstellt, ist er mitten in einer Invasion erwacht und nimmt zusammen mit der Sicherheitschefin und einer Krankenschwester reiß aus.

Einfarbige Blöcke und Platzhalter-Charaktere – Eine erste Implementation des Wegfindungsalgorithmus demonstriert hier die korrekte Darstellung der Reichweite des Charakters.

Der Rest des Spiels sollte sich dann darum drehen, herauszufinden, dass eine religiöse Gruppierung eines eigentlich sehr friedlichen Volks die Station eingenommen hat, weil sie auf der Suche nach der Reinkarnation eines Gottessohns sind, der der Sage nach den Untergang des Volks einleiten würde, und die Raumstation zurückzuerobern. Dabei sollte der Spieler stets die Möglichkeit haben, zwischen aggressiven und friedlichen Techniken zu wählen. Jeder Charakter verfügt über zwei Lebensleisten, eine Lebensenergie und eine Überzeugungsleiste. Während man die Lebensenergie mit drei verschiedenen Typen von Angriffen – Schusswaffen, Klingenwaffen und Nahkampf – senken kann, gibt es drei verschiedene Argumenttypen – wissenschaftliche respektive religiöse Argument, politische Argumente und moralische Argumente – die die Überzeugungsleiste ins Visier nehmen. Ähnlich wie in Fire Emblem bilden die physischen Angriffe und die Argumente jeweils ein Kräftedreieck.

Ein SRPG habe ich mir vor allem aus zwei Gründen als erstes großes Projekt ausgesucht: Einerseits kommt es mit relativ simplen 2D Grafiken aus – was meiner künstlerischen Unfähigkeit entgegenkommt – und es ist ein eher algorithmisches Genre, in dem ich mich als theoretisch orientierter Informatiker schnell heimisch fühle. In der Tat war gerade die Programmierung der Wegfindung und der KI der Gegner interessanter als man zunächst meinen würde, da selbst effiziente Algorithmen wie der Dijkstra-Algorithmus, wenn auf einen einzelnen Frame, sprich 16 Millisekunden, beschränkt, zu einem Problem werden können. Es ist also wichtig, bestimmte Berechnungen auf mehrere Frames zu verteilen, zu puffern und vorsichtig zu aktualisieren. Die Gestaltung eines relativ flexiblen Levelziel- und KI-Systems sowie eines Leveleditors – bedienbar mit dem Touchscreen des Wii U GamePads – haben den Großteil meiner Entwicklungszeit eingenommen, besonders in Anbetracht der notwendigen Optimierungen um das Spiel hinreichend flüssig zu halten.

Eine der Portrait-Zeichnungen, die meine Frau für das Spiel entworfen hat.

Drei Sachen, die mir besonders wichtig war, war, dass das SRPG keine endlichen Ressourcen, keine Grindingmöglichkeiten und keine Zufallselemente hat. Trotz der grundlegenden Nähe zu Fire Emblem unterschied sich das SRPG-Projekt also in seinem Spielfluss schon früh deutlich von seinen Vorbildern. Diese Designentscheidungen sind mit Vor- und Nachteilen verknüpft, die sich im Weiteren auf das Leveldesign ausgewirkt haben. Dadurch, dass die Zahl der Erfahrungspunkte, die man erhalten kann, bis zu einem Punkt fixiert ist, kann man die Schwierigkeit der Level ziemlich fein abstimmen, allerdings gibt es zwei Stolpersteine. Einerseits ist es keine gute Idee, schwache Charaktere anzubieten, die zu Beginn sehr stark sind, wie es in SRPGs oft der Fall ist, da man in diese Charaktere versenkte Erfahrungspunkte nicht wiedergutmachen kann.

Auf der künstlerischen Seite hat meine Frau mich nach Kräften unterstützt und Charakterart und Story übernommen, während ich selbst die Pixelart für das Spiel erstellen musste. Tatsächlich war das Erstellen der Pixelart neben dem Leveldesign klar die größte Herausforderung für mich und leider sind bis heute noch nicht alle Charaktere, die angedacht sind, bereits in Pixelart-Form umgesetzt. Nach aktuellem Stand existieren acht der geplanten 20 Level des Spiels, sowie 12 der geplanten 20 spielbaren Charaktere in Pixelart. Die Promotion und Hochzeit haben aber insgesamt einiges an Zeit in Anspruch genommen, so dass das SRPG-Projekt wesentlich länger gedauert hat als ursprünglich geplant. Was das SRPG-Projekt jedoch endgültig in den Tiefschlaf versetzt hat, war eine andere Entwicklung.

Das erste Level im Spiel: Der Professor beginnt seine Reise durch die Raumstation. Dieser Screenshot entstammt dem aktuellen Build des Spiels, der zuletzt Ende 2017 bearbeitet wurde.

Seit Ende der 90er Jahre wollten mein bester Freund und ich zusammen ein Spiel entwickeln, bestenfalls ein 3D Jump & Run wie Super Mario 64. Nun mag besagter Freund SRPGs überhaupt nicht und zu allem Überfluss wurde mit dem nahenden Ende unserer Promotion die Zeit knapp: Mein Freund wollte ziemlich weit weg ziehen, so dass regelmäßige Treffen zur Spiele-Entwicklung nur noch beschränkt möglich waren. Nach kurzer Experimentierphase habe ich zu allem Überfluss tatsächlich eine Arbeitsgrundlage für ein 3D-Spiel gefunden und so musste eine harte Entscheidung getroffen werden: Das SRPG-Projekt abschließen, dafür aber womöglich unser Jugendtraumspiel wohl nie verwirklichen zu können, oder aber das SRPG-Projekt auf Eis zu legen bis hinter die Fertigstellung eines noch viel ambitionierteren Projekts.

Ganz leicht ist mir die Entscheidung nicht gefallen, aber im Endeffekt sollte es das 3D Jump & Run statt dem SRPG-Projekt werden, dem ich ab Ende 2016 meine gesamte Aufmerksamkeit schenken sollte. Das SRPG-Projekt liegt auch heute, nach der Fertigstellung von Regina & Mac noch auf Eis, ist aber noch nicht endgültig tot. Die übrigen Level sind bereits grob skizziert und ich hoffe, dass ich noch rechtzeitig, bevor Nintendo den Wii U eShop schließt, alle Level fertiggestellt bekomme. Mit einem Sohn, der unsere ganze Aufmerksamkeit verlangt und verdient, wird allerdings insbesondere auch die Zeit meiner Frau, an der Geschichte und den Artworks zu arbeiten, knapp. Dass das SRPG-Projekt je das Licht der Welt erblickt, ist derzeit alles andere als gewiss.