Abenteuer Spieleentwicklung – Teil 1: Erste Schritte

In der sechsteiligen Reihe Abenteuer Spieleentwicklung nimmt euch unser Redakteur Sebastian mit auf seine nunmehr über vier Jahre dauernde Reise in die Videospiel-Entwicklung.

Als Informatiker und Videospielfan liegt es eigentlich nahe, dass man auch gerne einmal sein eigenes Videospiel entwickeln würde. Wenngleich ich seit ich programmieren kann immer mal gern ein wenig an einem Spiel programmiert habe, ist nie ein richtiges Projekt daraus geworden. Ein Pac-Man-Klon, ein Tetris und ein Yoshi-Fan Jump & Run mit gerade einmal vier mageren Levels sind aus meinen Programmierunterfangen hervorgegangen. Warum nicht mehr? Wer mich kennt, weiß, dass ich kein großer PC-Spielefan bin und der Motivation hat es stets geschadet, dass ich meine Spiele nie auf einer von mir bevorzugten Plattform würde spielen können. Da es mich beruflich auch eher in die Theorie als in die Spieleentwicklung verschlagen hat, sollte Spieleentwicklung also immer ein Traum für mich bleiben.

So dachte ich jedenfalls bis ca. 2015, als ich ein wenig über den Unity-Support für Wii U gelesen habe und mir gedacht habe, dass das doch einen Versuch wert sein könnte. Also habe ich mir flugs die Personal Edition von Unity heruntergeladen und wenig herumexperimentiert, wie man in dieser Engine programmiert. Bis dahin habe ich ausschließlich mit Entwicklungsumgebungen ohne festes Anwendungsfeld wie QBasic, Delphi, Eclipse und Visual Studio gearbeitet, so dass zunächst durchaus verwirrend war, wie man in Unity denn überhaupt programmiert. Denn tatsächlich ist Programmierung natürlich nur ein Teil der Spiele-Entwicklung und Unity von vorneweg darauf optimiert, komfortabel zwischen den verschiedenen Aufgaben wechseln zu können.

So kann man im Editor mit Hilfe so genannter Prefabs – zuvor zusammengestellten prototypischen Spielelementen – ein Level oder eine Spielumgebung zusammenstellen, ohne selbst Hand an den Code zu legen, man kann Texturen und Meshes (3D-Objekte) importieren und konfigurieren und Musik einbinden. Für größere Teams, in denen nicht jeder eigene Programmierkenntnisse mitbringt ist das äußerst wertvoll aber auch für mich als halbwegs erfahrenen Programmierer hat sich dieses mächtige Interface – wenngleich ich es zunächst ein wenig gescheut habe – im Laufe der Entwicklungszeit als äußerst hilfreich erwiesen. Eine nette Sache ist zudem, dass man Unity anhand freier oder kostenpflichtiger Pakete, die von der Community und Unity selbst zur Verfügung gestellt werden, erweitern kann und so durchaus auch für Spielfreunde mit einer frischen Idee aber ohne Programmierkenntnisse möglich ist, ein gutes Projekt umzusetzen.


Bei den ersten Schritten zur Spiele-Entwicklung habe ich als Platzhalter Grafiken aus bekannten Spielen gemopst. Dass die Charaktere auf dem Kopf stehen, liegt daran, wie Unity Texturen auf Würfel legt.

Zunächst war mir allerdings nicht so sehr danach, mich mit den Möglichkeiten der Oberfläche auseinander zu setzen, so dass ich mich nach kurzem Schauen eines Tutorials darauf zurückgezogen habe, alles außer der unmittelbaren Darstellung des Spiels per Quellcode zu lösen. Mein erster Test sollte es sein, eine kleine Spielszene zu programmieren, die ich mir zutraute. Meine Wahl für mein erstes Spiel fiel auf ein SRPG im Stile von Fire Emblem. Erstaunlich schnell hatte ich eine erste minimal-Demo fertig, in der man seine Figuren rundenbasiert bewegen konnte und gegnerische Figuren – ohne nennenswerte KI – ihrerseits Züge umsetzen konnten. Ein Screenshot zeigt diesen ersten Gehversuch.

Nachdem ich mir nun halbwegs sicher war, dass Spieleentwicklung mit Unity eine Sache ist, die ich mir zutrauen würde, habe ich mir die tatsächlich beeindruckend große Masse an Unterlagen von Nintendo angeschaut, die unter anderem die Lizenzbedingungen und die Entwicklungsbedingungen betrafen. Auf der damals eigens für Indie-Entwickler eingerichteten Website musste man unter Angabe seiner persönlichen Daten und der eigenen Erfahrung sowie Ausbildung einen Antrag stellen, als Entwickler zugelassen zu werden. Mit dem Antrag einher geht zudem ein äußerst restriktiver NDA-Vertrag, der vertrauliche Informationen seitens Nintendos schützen soll – und als vertraulich gilt an dieser Stelle so einiges, von dem man niemals damit rechnen würde, dass es vertraulich sein könnte. Es sei also bereits für die weiteren Teile dieser Serie vorgewarnt: Die Einblicke geschehen stets unter der Einschränkung durch den NDA, ein freudiges Bild wie ich das Dev Kit auspacke, ist also leider ausgeschlossen.

Das „Studio“ musste bei der Anmeldung bei Nintendo fix einen Namen erhalten. Grund für meine Namenswahl „Diplodocus Games“? Ich möchte vorrangig Spiele entwickeln, die mir selbst Spaß machen und mein Spielegeschmack ist doch eher antiquiert, so dass es nahe liegt, mich als Videospiel-Dinosaurier zu bezeichnen. Mein Lieblings-Dinosaurier ist der Diplodocus. Beim Logo-Design demonstriere ich das volle Ausmaß meiner künstlerischen Fähigkeiten.

Am sechsten August 2015 sollte es schließlich endlich so weit sein: Nintendo hat mich als Spiele-Entwickler für die Wii U zugelassen und mir ermöglicht, ein Entwickler Kit zu kaufen, um mein Spiel angemessen für die Zielplattform zu testen. Nach kurzer Absprache mit meiner damaligen Verlobten (heute Ehefrau), da die zu zahlende Summe für das Dev Kit durchaus ziemlich hoch ist, habe ich eines dieser mysteriösen Arbeitsgeräte erstanden und wartete für die nächsten Wochen auf meine Lieferung aus den USA. Der Preis der Hardware selbst ist ebenfalls unter NDA, was die Größenordnung anbelangt würde ich sagen, dass es teurer ist als ein gut ausgerüsteter Gaming-PC, aber deutlich günstiger als ein durchschnittlicher Gebrauchtwagen. Insofern also für eine Nebentätigkeit eine finanzielle Hürde, die aber realistisch auch ohne großes Marketing-Budget potentiell wieder ausgeglichen werden könnte.

In der nächsten Ausgabe von Abenteuer Spieleentwicklung werde ich über meine ersten Schritte auf der Wii U-Hardware und die Erfahrungen mit meinem ersten Wii U-Testprojekt berichten.