Crash Bandicoot 4: It’s About Time (Review)

Nach einer fulminanten Karriere auf der PlayStation mit drei der erfolgreichsten Spiele der Hitkonsole musste Crash Bandicoot nicht nur einen Entwicklerwechsel, sondern auch einen drastischen Reputationsverlust hinnehmen. Nach zwei weiteren Hüpfabenteuern und zwei stärker Action-orientierten Spielen wurde es dann für viele Jahre still um den Nasenbeutler. Dank einer außerordentlich erfolgreichen Remake-Spielesammlung konnte Crash sich aber wieder zurückmelden und hat im Jahr 2020 endlich sein erstes neues Abenteuer seit langer Zeit spendiert bekommen. Crash Bandicoot 4 drängt bewusst den verhalten angenommenen bisherigen vierten Teil Der Zorn des Cortex und platziert sich als eigentlicher Nachfolger der PlayStation-Titel.

Wer schon einmal ein Crash Bandicoot-Spiel gespielt hat, wird sich in Crash Bandicoot 4 direkt wie zu Hause fühlen, denn Toys for Bob hat sich sehr eng an den Naughty Dog-Spielen orientiert. Crash muss in seinem neuesten Abenteuer durch die Zeit reisen und besucht dabei elf verschiedene Epochen, die jeweils eine Welt bilden. Im Wesentlichen ist das Spiel strikt linear, an einigen Stellen bietet die Weltenkarte aber kurze Abzweigungen mit optionalen Zusatzlevels. In diesen Zusatzlevels schlüpft man oft in die Rolle eines von Crashs Freunden, die sich leicht anders spielen als Crash selbst, aber immernoch nah genug an Crash sind, dass Totalausfälle wie die Jetski-Rennen in Crash Bandicoot 3 vermieden werden. Einzig Dingodile ist mir negativ aufgefallen, da er sehr wuchtig und schwerfällig ist.

Crash kommt mit seinem altbekannten Moveset daher, so kann er laufen, springen und doppelspringen – diesmal erfreulicherweise zu einem beliebigen Zeitpunkt auf der Sprungkurve – rutschen und wirbeln. Sehr schade ist in meinen Augen allerdings, dass Crash mit dem Rutschen keine Geschwindigkeit aufnimmt, die in einem Sprung konserviert werden kann. Dieser Move war seit Crash Bandicoot 2 für mich die spaßigste Fortbewegungsweise und fühlt sich jetzt in Crash Bandicoot 4 äußerst unzufriedenstellend an. Zwar kann man stattdessen einen Slide mit einem Wirbelangriff kombinieren, um die Geschwindigkeit zu erhalten, aber hierfür muss man den X-Knopf unmittelbar nach dem B-Knopf drücken, was über eine längere Spielzeit eine alles andere als komfortable Eingabefolge ist.

Eine wesentliche Neuerung in Crash Bandicoot 4 sind die situativen Kostüme, die in vielen Levels zum Einsatz kommen und Crash zeitweise besondere Fähigkeiten gibt. So kann Crash die Gravitation umkehren, die Zeit verlangsamen oder wie ein Wirbelwind durch die Luft wirbeln. Durch diese neuen Fähigkeiten haben die Entwickler zusätzliche Freiheiten im Leveldesign gewonnen und diese auch gut genutzt. Besonders die Gravitationsumkehr wird auf interessante Weise angewendet.

Das Leveldesign orientiert sich an den gewohnten Konventionen der Crash-Serie, das heißt, dass die Level strikt linear sind und sich 2D-Abschnitte aus der Seitenperspektive und 3D-Level abwechseln. Im normalen Spielablauf gibt es aber keine reinen 2D-Level mehr. Dafür kann man in vielen Levels ein Rückblendeband finden, sofern man es ohne Lebensverlust zum Fundort schafft. Diese Rückblendebänder schalten optionale, knifflige 2D Level frei. Die so freigeschalteten 2D Level sind zwar stellenweise ziemlich schwierig, aber auch deutlich kürzer als die Hauptlevel des Spiels, die wiederum bedeutend umfangreicher sind als in den Vorgängern. Das hat zur Folge, dass eine Reihe von Zusatzaufgaben, die Crash Bandicoot 4 bereithält, in meinen Augen deutlich weniger unterhaltsam sind, als sie es noch in der N-Sane Trilogy waren oder gewesen wären. Die Time Attacks, die diesmal für einen vollständigen Schwierigkeitsgrad die kniffligen Platin-Medaillen statt der einfacheren Gold-Medaillen fordern betrifft das genauso wie die Todeskopf-Abzeichen, die man dafür erhält, alle Kisten ohne zu sterben zu zertrümmern.

Aber auch Sammelfreunde werden in meinen Augen von Crash Bandicoot 4 nicht allzu rücksichtsvoll behandelt. Alle Kisten in einem Level zu sammeln, wird dadurch erschwert, dass die Entwickler immer wieder einzelne Kisten besonders fies verstecken, beispielsweise oberhalb des sichtbaren Bildausschnittes, im Vordergrund in einem 2D-Abschnitt oder hinter einer fallenden Plattform verborgen. Wenn man dann beispielsweise nach einem an und für sich gründlichen Durchgang durch das Level im Ziel mit 441 von 442 Kisten steht, kann man sich schon einmal veralbert vorkommen. Solche Frustmomente bietet Crash Bandicoot 4 immer wieder und wenngleich das sicherlich kein Genickbruch ist – zumal es einen einfachen Durchlauf durch das Spiel nicht weiter berührt – trübt es doch den Gesamteindruck vom Leveldesign.

Obwohl ich bis hierher einiges zu bemängeln hatte, muss ich aber auch klar sagen, dass das Meckern auf hohem Niveau ist. Crash Bandicoot 4 ist mit großer Sorgfalt gestaltet und schafft es, sowohl fokussiert, als auch abwechslungsreich, umfangreich aber nicht langatmig und fordernd ohne – jedenfalls auf das einfache Durchspielen bezogen – boshaft zu wirken. Hinsichtlich der Präsentation haben die Entwickler zudem wohl so viel Zeit und Geld in das Spiel investiert wie womöglich kein 3D Jump & Run zuvor spendiert bekommen hat. Das zeigt sich einerseits an dem enorm langen Abspann, andererseits aber auch an der optischen Varianz und Detailverliebtheit. Die grafische Ausgestaltung von Crash Bandicoot 4 ist mit so viel Verspieltheit und Details umgesetzt, dass ich einige Male Schwierigkeiten hatte, Spielumgebung und Dekoration zuverlässig auseinander zu halten. Das Spiel läuft auf der Xbox Series X mit stabilen 60 Bildern in der Sekunde und hat in der gesamten Spielzeit auch keine nennenswerten Bugs aufgewiesen. Die Ladezeiten sind auf den neuen Konsolen zum Glück ebenfalls überschaubar. Musikalisch wird gewohnte Crash Bandicoot-Kost geboten, die mir nicht sonderlich im Gedächtnis geblieben ist, aber ein authentisches Crash-Spielgefühl unterstützt hat.

Crash Bandicoot 4 ist eine liebevoll gestaltete Hommage an die PlayStation-Klassiker, die zwar nur sehr vorsichtig neue Ideen einführt, diese aber mit aller gebotenen Sorgfalt umsetzt. Gerade im Vergleich zu Crash Bandicoot 3, das lange als Referenz für neue Crash-Spiele gedient hat, ist Crash Bandicoot 4 ein riesiger Fortschritt, insbesondere was den Fokus auf den Kern des Spiels anbelangt. Auf Grund der in meinen Augen etwas ernüchternden Zusatzherausforderungen schafft es Crash 4 nicht ganz an die Spitze der Crash-Reihe, ist aber zweifelsohne eine gute Wahl für alle Hüpfspielfreunde mit einer Vorliebe für knifflige Sprungpassagen.

Getestet auf Xbox One X und Xbox Series X.