Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name (Review)

Artwork zu Like a Dragon Gaiden

Mich haben über lange Jahre die Spiele des Yakuza-Franchises kaum angesprochen. Ähnlich wie sein westlicher Konterpart Grand Theft Auto war es vor allem das Setting im Gangstermilieu, welches ich grundsätzlich langweilig empfand. Verdammt, hat mich dann vor wenigen Jahren Yakuza: Like a Dragon eines Besseren belehrt. Die Geschichte rund um den ausgestoßenen Yakuza war humorvoll, actionreich und emotional. Selten hat mich ein Spiel aus dem Stand von seiner Story so beeindruckt. Kein Wunder also, dass der Nachfolger Like a Dragon: Infinite Wealth zu meinen Most Wanted im Januar zählte. Zuvor erschien allerdings im November vergangenen Jahres Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name, das ich zur Einstimmung über die Weihnachtstage aus dem Gamepass geladen habe.

Like a Dragon Gaiden holt Tote ins Leben zurück

Das Spin-Off mit dem ewig langen Namen erzählt uns, wie der Protagonist der zahlreichen anderen Yakuza-Teile, Kazuma Kiryu, plötzlich nach seinem Ableben doch in Yakuza: Like a Dragon auf der Bildfläche erscheinen konnte. Kiryu hat sich mit den Daidoji, einer geheimen Organisation japanischer Politiker, über einen gefährlichen Deal verständigt. Sein Schweigen über die Geheimnisse der Tokioter Unterwelt und seine Identität für den Schutz der von Kiryu geliebten Waisenkinder. Heldenhaft, ehrenvoll und stur, wie Kiryu nun einmal zu sein scheint, lebt er fortan als Daidoji-Agent Joryu im Verborgenen.

Doch die Vergangenheit lässt sich nicht ohne Weiteres auslöschen. Der mächtige Watase-Klan stellt den Daidoji eine Falle, um über den Vorgesetzten von Joryu, Hanawa, an Beweise für das Überleben des Drachen von Dojima zu gelangen. Dass Joryu von alleine zu ihnen kommt, damit hätten die Yakuza aber sicherlich nicht gerechnet.

Mit Sonnenbrille und Anzug macht Joryu eine gute Figur!

Was sich in den darauffolgenden knapp 20 Stunden entspinnt, ist ein abwechslungsreicher Thriller, der parallel zu den Ereignissen von Yakuza: Like a Dragon spielt. Während also Ichiban Kasuga die Hintergründe der letzten achtzehn Jahre Gefängnis und Verrat an ihm aufdecken will, wird Joryu zu einer Schlüsselfigur hinter den Kulissen. Der Plot von Like a Dragon Gaiden ist simpel und spannend und kreuzt gegen Ende das vorherige Hauptspiel an einer sehr wichtigen Stelle. Dennoch wirkt es auf mich nicht so, als wäre es wirklich notwendig,dieses Spiel vor Infinite Wealth zu erleben. Kiryu ist am Ende nicht mehr Joryu, aber immer noch nicht Kiryu, was kompliziert klingt, aber am Ende wenig Relevanz haben dürfte. 

Lasst die Fäuste sprechen!

Was das Ryu Ga Gotoku Studio allerdings wie bereits in seinen anderen Spielen exzellent hinbekommt, sind Dialoge und Struktur der Handlung. Der Aufbau von Like a Dragon Gaiden unterstreicht die Motivation von Joryu und wozu er bereit ist, um die Menschen, die ihm wichtig sind, zu beschützen. Derart gut, dass der Abgesang am Ende – eigentlich komplett losgelöst vom Plot des Spiels – emotional enorme Wucht entfaltet. Nichtsdestotrotz würde ich persönlich sagen, sind sowohl der letzte Hauptteil als auch die Judgment-Spiele eine Klasse für sich.

Ähnlich wie diese als auch die bisherigen Abenteuer von Kiryu ist auch Like a Dragon Gaiden ein lupenreiner Actionprügler. Als Agent in Diensten der Daidoji stehen uns zusätzlich zu unseren brachialen Kampftechniken zahlreiche Gadgets und ein taktischer Kampfstil zur Verfügung. Ganz besondere Freude bereitete mir das Spinnenseil. Mit diesem schnüren wir Gegner kurzzeitig ein und können sie später auch durch die Landschaft werfen. Je nach Stil verändern sich unsere Kampfoptionen und mit der Zeit wachsen unsere Fähigkeiten zusehends. Die langjährige Erfahrung des Studios macht sich hier eindeutig bezahlt, denn Like a Dragon Gaiden spielt sich, sofern wir die Möglichkeiten auch nutzen, sehr variabel in seinem Kampfsystem.

Screenshot aus Like a Dragon Gaiden
Joryu macht auch als Kämpfer mit allerlei Gadgets eine gute Figur!

Dass dies nie notwendig wird, fand ich sehr schade. Ich habe auf dem normalen Schwierigkeitsgrad wenige Probleme präsentiert bekommen und zu wenig in das Kampfsystem eintauchen müssen, um Herausforderungen zu bewältigen. Gegnerdesign ist nach wenigen Stunden repetitiv und verstärkt sich vor allem durch Masse und eine schier unmenschliche Zahl an Lebensbalken. Mit einer unendlichen Tasche voller Heilitems, Sushi und Takoyaki sowie dem legendären Pausenknopf war mein eigenes Leben allerdings nie wirklich in Gefahr.

Sotenbori lädt zum Verweilen ein

Wohingegen nahezu alle Spiele der Yakuza/Like a Dragon-Reihe unerreichbar scheinen, sind ihr unglaublicher Umfang an Nebenaktivitäten. Nach einer längeren, linearen Passage zu Beginn starten unsere Ermittlungen schon bald in Sotenbori. Die Karte des Viertels ist nicht allzu groß, aber was das Herz eines ehemaligen Yakuza begehrt, das findet dieser. Allein Aktivitäten wie Billard, Darts oder Golf oder Brett- und Kartenspiele übertreffen die meisten offenen Spielwelten in Quantität und Qualität. Zusätzlich dazu hat die Stadt zahlreiche Arcade-Automaten und Spielkonsolen mit vollständigen Klassikern des SEGA-Katalogs zu bieten. Diese Masse erstaunt mich wieder und wieder.

Zugleich machen wir während unserer Zeit in Sotenbori Bekanntschaft mit der Informationshändlerin Akame. Für sie und ihr Netzwerk erledigen wir mehr oder weniger ausgefallene Nebenmissionen. Geld und Akame-Punkte sind wichtig, um unsere Fähigkeiten zu steigern und mit den Gegnerhorden und -schwämmen des späteren Spielverlaufs auf Augenhöhe zu bleiben. Leider erfordern die Hauptmissionen sehr häufig, dass wir uns um diese ganzen Nebenaktivitäten kümmern. Dadurch kommt es immer wieder zu einem ungewollten Bruch zwischen der spannenden Handlung und unserem Spielverhalten. Ich sag nichts dagegen, wenn Dartpfeile, ferngesteuerte Rennwagen oder Hostessen einen von der Rettung eines geliebten Menschen abhalten. Aber nur, wenn dies “zu unseren Bedingungen” passiert und nicht vom Spiel aufgedrückt erscheint.

Joryu macht auch auf der Miniaturrennstrecke eine gute Figur!

Viel Abwechslung mit Like a Dragon Gaiden

Die Nebenmissionen sind eine nette Anreicherung der vielfältigen Spielwelt und bieten die ein oder andere Überraschung für Serienveteranen. Gerade für das zweite große Gebiet, eine Amüsiermeile für die Reichen und Verdorbenen, lohnen sich einige Aufträge nachhaltig. Dort befindet sich nämlich unter anderem das Kolosseum, in dem wir unsere Kampffertigkeiten unter Beweis stellen können.

Wer bereits zahlreiche Yakuza-Ableger mit Kiryu gespielt hat, der dürfte abgesehen von der Story wenig Neues mit Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name mitnehmen. Und auch als Überleitung zu Infinite Wealth funktioniert das Spiel nur bedingt. Es füllt Lücken, für die es meiner Ansicht nach kein komplettes Spiel gebraucht hätte. Doch gerade alle, die gerne eine Reihe in all ihren Facetten genießen wollen, die kommen voll auf ihre Kosten. Der Plot ist prinzipiell spannend, gibt Kiryu (zumindest bis Ende Januar) einen emotionalen Abschied und spielerisch gibt es wenig am Spin-off auszusetzen. Lediglich das Pacing ist an vielen Stellen – ob selbst gewählt oder vom Spiel aufgezwungen – ein wenig unausgewogen. Ich mag selber ein größerer Fan von Ichiban oder Yagami sein, doch egal wie oft Kiryu seinen Namen noch auslöschen wird, vergessen werde ich ihn dennoch nicht so schnell.

Die Yakuza auf Xbox Series X in ein neues Zeitalter geführt.


Eine andere Perspektive auf The Man Who Erased His Name gewünscht? Dann schaut doch rein in die Village-Review von Thomas Bastian Hildebrandt!