Memories Off (Review)

Wie der ein oder andere sich vielleicht erinnert, spiele ich bisweilen Spiele auf Japanisch. Darunter auch Visual Novels, die von Natur aus textlastig sind. Neulich brachte Spike Chunsoft gleich sieben Teile der langjährigen „Memories Off“-Reihe in HD auf Steam. Die Sprachauswahl dürfte für manchen ein Hindernis sein, zur Auswahl stehen Texte auf Japanisch, sowie traditionelles und vereinfachtes Chinesisch. Ich habe natürlich ersteres gewählt und wenn meine Erinnerung unsicher war vereinzelt Worte nachgeschlagen. So konnte ich Memories Off genießen.

Ein Herbst an der Oberschule

Der Herbst ist nicht unbedingt die erste Jahreszeit, die man mit Liebe verbindet. In den kälter und kürzer werdenden Tagen blickt mancher eher wehmütig zurück. Memories Off beginnt im Oktober.

Tomoya ist nicht stolz darauf, aber Entschuldigen liegt ihm wirklich nicht.

Protagonist ist Tomoya Mikami, der im zweiten Jahr die Oberschule besucht, also die vorletzte Klasse. Vom Unterricht bekommen wir nicht allzu viel mit. Tomoya jedoch auch nicht, da er viel verschläft. Das hilft natürlich nicht gerade beim schulischen Erfolg. Aber vielleicht findet sich neben anderen Tätigkeiten jemand zum gemeinsamen Lernen?

Tomoya fällt es zwar leicht, mit anderen zurechtzukommen, aber er verfolgt nicht zielstrebig tiefere Verbindungen. Zumal immer wieder Erinnerungen an eine frühere Beziehung auftauchen, was er noch nicht richtig verarbeitet hat.

Kaoru: „Das hast du gestern vergessen.“ Es ist etwas peinlich für Tomoya.

Ich fand die Geschichte unterhaltsam, es gibt oft Humor. Anspannung und Emotionalität findet sich ebenfalls. Ich habe auch gerne noch andere Entscheidungen ausprobiert.

Wem möchtest du näherkommen?

Im Verlauf kommen mehrere Kandidatinnen vor, mit denen Tomoya je nach Entscheidung vielleicht einen glücklichen Storyabschluss finden kann. Den Anfang macht ein klassischer Typ, eine Freundin seit früher Kindheit. Mit Yue hat Tomoya viele gemeinsame Erinnerungen. Yue ist etwas naiv und Tomoya legt sie gerne rein. Sie ist fröhlich, passend zu den im Namen verwendeten Kanji, wenn auch natürlich nicht immer.

Tomoya bringt Shion mehr über die Lebensweise (?) japanischer Oberschülerinnen bei.

Neue Schülerinnen sind auch gern gesehen. Derer gibt es gleich zwei. Kaoru gibt sich fröhlich und offen, aber Tomoya hat das Gefühl, dass mehr hinter der Fassade steckt. Shion dagegen gibt sich im Gegensatz dazu nicht gerade zugänglich. Sie ist oft wortkarg und distanziert, in Bücher vertieft. Passend dazu kümmert sie sich um die Schulbibliothek. Ist ihre einzelgängerische Art auch nur Fassade?

Eine jüngere Schülerin darf auch nicht fehlen, Minamo füllt diese Position. Sie malt gerne. Krankheitsbedingt kann sie öfter nicht zur Schule kommen, trotzdem scheint sie fröhlich. Wen es interessiert, sie nennt Tomoya trotz unterschiedlicher Klassenstufe nicht „Senpai“. Für mich ist das kein Problem.

„Lass mein Herz deine Leinwand sein und male, wie es dir gefällt. Ich werde für immer dein Zeichenpapier sein.“

Eine Kandidatin, die von Tomoya „Senpai“ genannt werden könnte, gibt es nicht. Denn Koyomi ist nicht im dritten Jahr der Schule. Sie ist schon Studentin und hilft nur zeitweise im Schulladen aus. Ihre Matheschwäche macht etwas Probleme beim Rückgeld. Ausserdem muss sich Tomoya so manches Mal mit unbeliebtem Essen begnügen, da nicht wie gewohnt das Gewünschte für ihn zurückgelegt wurde. Grund genug, ihr näher zu kommen?

Was für eine Kampfspielkombo das wohl sein mag?

Die Qual der Wahl?

In Memories Off kommt es oft zu Entscheidungsmöglichkeiten. Manche davon haben wenig Einfluss, manche führen zu anderen Szenen. Teils gibt es auch kleinere Auswirkungen auf spätere Szenen. Zudem können Entscheidungen auch zu weiteren Entscheidungsmöglichkeiten führen, was nicht so einfach zu überblicken ist.

Und natürlich gibt es Entscheidungen, die zu den einzelnen Routen führen können. Interessanterweise gibt es oft Entscheidungshilfe in Form von Chibidarstellungen einer der potenziellen Partnerinnen. Dadurch wird es leichter, die gewünschte Route zu betreten oder zumindest mehr Szenen mit der Gewählten zu sehen.

Zurückkehren oder noch im Park abhängen?

Pure

Neben der Hauptgeschichte gibt es noch Extras. Pure erzählt dabei Ereignisse aus dem Frühling drei Jahre zuvor, an der Mittelschule. Interessanterweise erinnert mich die Farbgebung der Uniformen etwas an den Vergilbungseffekt von alten Fotos, der auch bisweilen in visuellen Medien als Stilmittel für Erinnerungssequenzen genutzt wird. In Pure werden auch Ereignisse gezeigt oder erwähnt, von denen man in der Hauptgeschichte gelesen haben kann. Auch wenn Pure vor der Hauptgeschichte spielt, kann man Entscheidungen treffen und den Verlauf beeinflussen. Hierbei gibt es keine Chibis als Entscheidungshilfe, aber es gibt unterschiedliche Enden.

Tomoya kennt keine irreguläre Verben. Er passt im Unterricht zu wenig auf.

After Story

Im Gegensatz zu Pure als frühere Ereignisse gibt es in After Story Einblicke, wie es nach Ende der Hauptstory weiterläuft. Allerdings nur für die Hauptroute. Ausserdem gibt es keine Sprachausgabe und keine eingeblendeten Illustrationen der Charaktere.

Es wird aber nicht einfach verliebt herumgeturtelt, Spannung liegt in der Luft. Werden die beiden ein erstes gemeinsames Weihnachtsfest als Paar erleben können?

Fazit

Memories Off hat mich gut unterhalten. Durch verschiedene Routen, Pure und After Story ist der Umfang ordentlich, zudem ist der Preis auch noch gering. Es gibt viel Humor, sei es durch Eigenheiten, Missverständnisse, Situationskomik oder Witzeleien der Charaktere. Aber natürlich wird es auch mal emotionaler und angespannter. Die Charaktere selbst fand ich ansprechend und der Stil gefällt mir größtenteils. Auch die musikalische Untermalung weiß zu gefallen, mal fröhlich, mal entspannt, vereinzelt unheilvoll.

Tomoyas bester Freund. Warum kann er gegen Tomoya nicht gewinnen?

Auf dem Steam Deck sollte man beim Starten der Software entweder den Touchscreen nutzen oder die Standardsteuerung ändern, um eine Maus zu haben. Denn ein vorgeschaltetes Launcherfenster unterstützt die Knöpfe im Gegensatz zum Spiel selbst scheinbar nicht. Eine Kleinigkeit meiner Meinung nach.

Bei der Bewertung muss ich Rücksicht auf die Sprachbarriere nehmen, denn diese Sprachen lernt man hierzulande weniger oft. Für mich persönlich würde es für eine Stufe darüber, für eine grüne Ampel, reichen.

Vielen Dank an Spike Chunsoft für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf PC (Steam Deck).