Super Mario Odyssey (Review)

Seit Super Mario Sunshine hat die Super Mario-Reihe sich über Wii und Wii U hinweg immer stärker auf strikt lineare Level konzentriert und genaue Sprünge über knifflige Plattformsektionen in den Mittelpunkt der Spielerfahrung gestellt. Doch auf der Nintendo Switch hat sich das Team von EPD Tokyo für einen radikalen Kurswechsel entschieden und das wohl offenste 3D-Mario bis dato entwickelt. Super Mario Odyssey steht damit in der Tradition von Super Mario 64 und Sunshine.

Nachdem Prinzessin Peach in Super Mario 3D World eine kurze Verschnaufpause gegönnt war, weil Bowser sein Faible für Entführungen auf andere Weise ausgelebt hat, ist es in Super Mario Odyssey wieder um sie geschehen: Bowser hat die royale Dame verschleppt und es ist an Mario, die bevorstehende Zwangsehe zu verhindern. Wenngleich die Geschichte in einigen ansehnlichen Sequenzen erzählt wird, könnte Nintendo es wohl kaum deutlicher machen, dass die Geschichte in Mario Odyssey in jedem Fall nur schmückendes Beiwerk und keineswegs Kerninhalt ist.

Zu Beginn des Spiels wird Mario in einer etwas ungastlichen schwarz-weißen Umgebung abgesetzt und der Spieler kann sich zunächst ein wenig mit der Steuerung vertraut machen. Das Moveset wurde nach Super Mario 3D World grundlegend überarbeitet und wieder deutlich stärker an Marios 3D Debüt angeglichen. Allerdings wurden nicht einfach wahllos alle Aktionen des 1997er Titels übernommen. Stattdessen hat das Team sehr gründlich danach gefiltert, wie viel Spaß die einzelnen Moves machen. Der Rückwärtssalto, Krabbeln und die verschiedenen Schlag- und Trittvarianten sind rausgeflogen, dafür sind alle dynamischen Sprungvarianten – Doppel- und Dreifachsprung, Seitwärtssalto, Weitsprung, Hechtsprung, Stampfattacke und Wandsprung – mit von der Partie. Wenn es darum geht, sich in der Welt fortzubewegen, hat Mario alle Freiheiten, die man sich wünschen kann.

Neu ist allerdings Marios Mütze Cappy, die nicht mehr nur einfach auf Marios Haupt thront um seine wallende Mähne unter Kontrolle zu halten, sondern Mario als Berater unterstützt. Zum Dank schmeißt Mario seine Mütze auf Knopfdruck kräftig nach vorn und kann die Mütze so als Trampolin verwenden, um besonders weite Distanzen zu überwinden. Vielleicht noch etwas markanter ist die Möglichkeit, sich mittels Cappy zu verwandeln. Trifft Cappy nämlich auf einen Gegner, so verwandelt sich Mario in ebendiesen Gegner und ist so mit einem ganz eigenen Moveset unterwegs. Vom kleinen Gumba bis zum riesigen T-Rex ist die Auswahl an Verwandlungen gigantisch und bis zum Ende des Spiels kommen immer mal wieder neue Überraschungen hinzu. Natürlich ist nicht jede Verwandlung gleichermaßen wichtig oder ausgearbeitet, aber in jedem Fall kann man sich auf eine Menge Abwechslung freuen.

Strukturell erinnern die Level in Super Mario Odyssey auf den ersten Blick stark an Super Mario 64, da die Level offen gestaltet sind und frei erkundet werden können. Allerdings wird man nicht mehr nach dem Sammeln eines Haupt-Sammelgegenstandes – in diesem Fall Monde statt der sonst üblichen Sterne – aus dem Level geworfen. Stattdessen gibt es nur eine sehr kurze Animation und man kann nahtlos weiterspielen. In der Konsequenz sind auch die verschiedenen Levelvariationen, die sich aus der Wahl eines entsprechenden Sterns ergeben, passé.

Allerdings muss man mit der Analogie zwischen Sternen und Monden ein wenig aufpassen. Zwar erfüllen die Monde durchaus die Funktion der Sterne, Levelziele zu markieren und als Zugangsvoraussetzung für weitere Level zu dienen, aber die Wertigkeit eines Mondes ist deutlich geringer als die eines Sternes. Das fängt schon damit an, dass man bis zu 999 Monde sein Eigen nennen kann, wohingegen bis dato das Maximum an Sternen 242 war. Das ließe sich zwar durch eine Erhöhung des Spielumfangs erklären, das ist hier aber nicht der Fall.

Vielmehr ist es so, dass die Entwickler die Erkundung der Spielwelt noch viel mehr in den Fokus gerückt haben und es daher in jeder Welt eine ganze Reihe von Monden gibt, die für eher anspruchslose Tätigkeiten vergeben werden. Mal stampft man auf einen glitzernden kleinen Hügel, absolviert eine kurze 2D Sequenz oder stapelt ein paar Gumbas, sehr viele Monde sind äußerst niederschwellig zu erreichen. Das soll aber nicht heißen, dass Super Mario Odyssey zu einem reinen Spielplatz geworden ist. Es gibt auch weiterhin eine Reihe von Hauptaufgaben in einer jeden Welt zu erledigen, die dann oft auch nicht nur mit einem, sondern gleich drei Monden auf einmal belohnt werden. Meistens sind diese Aufgaben auch in eine kleine Geschichte eingebunden, die auf ansprechende Wiese inszeniert ist.

Die Splitterung in die kleinen Monde hat für das mobile Spielen und als Erkundungsanreiz in einer offenen Welt durchaus einen gewissen Charme und gelegentlich hatte ich den Eindruck, dass Super Mario Odyssey eher das geworden ist, was herausgekommen wäre, wenn Nintendo Banjo-Kazooie weitergedacht hätte, als wenn Super Marios Vergangenheit die wesentliche Inspirationsquelle gewesen wäre. Allerdings bin ich auch der Ansicht, dass die Zahl der verschenkten Monde inflationär ist und dass es ein wenig ermüdend ist, wenn man daran interessiert ist, alle Monde zu sammeln, die vielen Monde, die an anspruchslose Tätigkeiten geknüpft sind, aufzusammeln.

Ein besonderes Ärgernis in der Hinsicht sind übrigens die Monde, die Toadette bereithält. In einem späteren Level des Spiels trifft man auf Toadette, die eine ganze Menge an Aufgaben für den Spieler vorbereitet hat, die im Grunde an Achievements auf den anderen Konsolen erinnern. Immer wenn man eine dieser Aufgaben absolviert hat, kann man zu Toadette gehen und sich einen Mond abholen. Die Sache ist nur, dass es eine echt gewaltige Anzahl an Aufgaben gibt, die man zum größten Teil ohnehin automatisch erledigt, wenn man das Spiel spielt. Jede einzelne erledigte Aufgabe muss man aber separat von Toadette würdigen lassen und anschließen die Mond-Sammel-Animation über sich ergehen lassen. Insgesamt verschlingt das Spiel etwa eine Stunde mit Toadette-Texten und dem Sammeln von Toadette-Monden, ohne, dass der Spieler nennenswerten Input leisten müsste. Was das Entwicklerteam sich hierbei gedacht hat, ist mir ein echtes Rätsel.

Davon ab muss man aber in jedem Fall anerkennen, dass das Leveldesign in Super Mario Odyssey meisterhaft ist und eine tolle Mischung aus durchdachten Aufgabendesigns, kreativen Spielereien und Erkundungsanreizen bietet. Zwar ist der Schwierigkeitsgrad ein gutes Stück zu niedrig – und dieses Mal auch ohne das kleine super-schwere Trostpflaster für Langzeitfans zum Schluss – doch wird Super Mario Odyssey nie langweilig und das ist in meinen Augen das Wesentliche. Es ist auf jeden Fall bemerkenswert, wie viel Spaß es – völlig unabhängig vom zu erreichenden Spielziel – ist, sich durch die Welten von Super Mario Odyssey zu bewegen. Das hängt natürlich im Besonderen an der exzellenten Spielbarkeit, aber auch das Leveldesign spielt hier auf entscheidende Weise mit rein. Das Entwicklerteam hat ein gutes Fingerspitzengefühl für die Größe der Level bewiesen und haben die Level kompakt, aber nicht klaustrophobisch gestaltet. Optisch klar getrennte, interessant gestaltete Gebiete sorgen zusätzlich dafür, dass man sich leicht in den Welten zurechtfindet und auch bei längeren Ausflügen in die gleiche Welt keine Ermüdungserscheinungen empfindet.

Technisch ist Super Mario Odyssey wie man es von der Reihe gewohnt ist, makellos. Mit stabilen 60 Bildern in der Sekunde, einer klaren, farbenfrohen Optik und sehr stimmigen Animationen, sowie einem gewohnt guten Soundtrack gibt es hinsichtlich der Präsentation nichts zu meckern. Einzig, dass das Spiel nicht die native Auflösung des Nintendo Switch-Bildschirms unterstützt, mag dem einen oder anderen Spieler etwas sauer aufstoßen. Die erreichte Auflösung ist aber auch nicht so gering, dass man mit einem matschigen Bild Vorlieb nehmen müsste.

Super Mario Odyssey bietet ein herausragendes Spielgefühl, zahlreiche kreative Ideen und ein motivierendes Leveldesign. Es hat zwar einige Makel im Detail, aber die können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Super Mario Odyssey eines der besten Spiele seiner Art ist. Die etwas zu große Zahl an substanzlosen Monden, der etwas zu niedrige Schwierigkeitsgrad und die unsinnige Zeitverschwendung der Toadette-Monde verhindern allerdings, dass sich Marios Switch-Abenteuer den begehrten Stempel verdient.

Getestet auf Nintendo Switch.