Outer Wilds: Echoes of the Eye (DLC-Review)

Artwork zu Outer Wilds: Echoes of the Eye

Ich befinde mich gerade in einem Zwiespalt. Wie schreibe ich am besten über ein Spiel, über das ihr idealerweise so wenig wie möglich erfahren solltet? Wenn jedes Wissen, was ihr im Vorfeld über das Spiel haben werdet, euer Spielerlebnis nachhaltig beeinflussen kann – wie viel ist dann zu viel? Kann ich diesem Druck überhaupt standhalten und euch eine gelungene Review zum Outer Wilds-DLC Echoes of the Eye gewährleisten? Fragen über Fragen, die sich wohl erst beantworten lassen, wenn ihr auch die nachfolgenden Abschnitte zu lesen gewillt seid. Eine Frage seht ihr hingegen hier unterhalb dieser Zeilen auf den ersten Blick beantwortet. Es folgen nicht nur weitere Antworten, sondern meine ganz persönliche Liebeserklärung für diese unvergleichlichen Titel.

Meine Erfahrungen mit Outer Wilds und Echoes of the Eye

Es gab bereits Anfang 2022 eine gestempelte Review zum Hauptspiel, die zwar nicht von mir geschrieben wurde, die ich aber prinzipiell so unterschreiben kann. Lange Zeit bin ich um das Hauptspiel herum getanzt, obwohl ich genau wusste, dass es komplett meinem Beuteschema entspringt. Es entwickelte sich beinahe schon ein Kult um das Spiel und zahlreiche Leute in der Community schlossen sich diesem an. Vor wenigen Wochen war es dann auch für mich soweit, mein Initiationsritus wurde mit dem Durchspielen von Outer Wilds abgeschlossen. Ich ließ das Geschehen sacken, die Eindrücke in meinen Erinnerungen wachsen und wurde schon bald von mir selbst übermannt. Und dann startete ich Echoes of the Eye.

Screenshot aus Outer Wilds: Echoes of the Eye
Aufbruch in ein neues Abenteuer?

Das Spielprinzip von Echoes of the Eye unterscheidet sich nicht vom Hauptspiel. Ist aber auch kein Wunder, so als eingebetteter DLC. Wir erkunden eine komplett neue Umgebung, die über ihre eigenen Geheimnisse und Geschichten verfügt. Jedes Wissen, was wir aus unseren Expeditionen schöpfen, ob groß oder klein, kann von großer Bedeutung sein, um die Welt oder dort vorhandene Rätsel zu lösen. Wie auch schon im Hauptspiel ist es so, dass in der abstrakten Theorie der DLC innerhalb von 20 bis 30 Minuten machbar wäre. Einzig dem korrekten Wissen mangelt es, weswegen wir alle dermaßen um Spoiler bei Outer Wilds herumtänzeln und weswegen jeder Infohappen im Vorfeld euren Spieldurchgang verändern kann. Ohne dieses kann es der DLC locker mit der Spielzeit des Hauptspiels aufnehmen. Je nach Spielertypus schätze ich sieben bis zwölf Stunden.

Echoes of the Eye nimmt uns ebenso wie Outer Wilds als Besucher:innen dieser Welt ernst und lässt unserem Erkundungsdrang freie Hand. Ich persönlich empfand beim Spielen beider Teile eine ähnliche Freude, eine ähnliche Motivation, wie schon bei Breath of the Wild oder Elden Ring, wobei diese beiden Spiele deutlich zielgerichteter waren. Eine Welt, die nicht nur zum Zwecke da ist und uns dabei Aktivitäten bietet, die es nicht bloß abzugrasen gilt. Sondern eine Welt, die in sich stimmig erscheint. In der die spielerischen Elemente homogen ins gesamte Konstrukt eingewoben sind. Und dennoch gibt es einige Unterschiede, die Echoes of the Eye im Vergleich zu seinem Hauptspiel bewusst in Kauf nimmt.

Licht und Schatten

Der DLC ist nahtlos ins Hauptspiel eingefügt worden, es ist allerdings durch das “Neue Ausstellungsstück” im heimatlichen Museum unseres Astronauten klar hervorgehoben, wodurch man in diesen Abschnitt hineinkommt. Bereits der Aufwand, wie wir in den DLC selbst gelangen, ist ein wunderschönes Beispiel für das intelligente Rätseldesign. Danach ist Echoes of the Eye allerdings sehr autark und losgelöst vom eigentlichen Spiel. Ich fand es ein wenig schade, dass nicht dieselbe Spielwelt unter einem neuen Licht im Zentrum stand. Aber so kommt der DLC einem potentiellen Nachfolger noch am nächsten.

Trotz starker Trennung vom Hauptspiel steht die Spielwelt von Echoes of the Eye dem Sonnensystem in Nichts nach. Verwunderung, Begeisterung und Erstaunen sowie Schrecken über all die Dinge, denen wir im DLC begegnen können, gehen Hand in Hand. Erneut lädt sie zum Erkunden ein und bietet uns zugleich genug Mysterien, denen wir unbedingt nachgehen wollen. Liebhaber des Hauptspiels kommen sicher erneut voll auf ihre Kosten.

Schwarzes Rechteck
Symbolbild für manche Abschnitte in Echoes of the Eye (ohne Flachs!)

Und dennoch gibt es einige klare Unterschiede zum Hauptspiel. Echoes of the Eye konfrontiert uns schnell mit zwei Symbolen, die sich durch das gesamte Spiel ziehen werden: Licht und Schatten. Sowohl spielerisch, als auch narrativ spiegeln die sich immer wieder. Und wie schön ist die Metapher allgemein für die Spielphilosophie hinter Outer Wilds, bitteschön!

Und wo Licht ist, ist auch Schatten und dieser ist oftmals auch Heimat unserer größten Ängste. Echoes of the Eye spielt damit, spielt mit unseren Erwartungen und dem sehr langsamen Aufbau an Wissen, um uns hier ein eindrucksvolles Horrorspiel zu präsentieren. Wie bei kaum einem anderen Spiel hatte ich hier das Gefühl, dass sich Unwissenheit als großer Förderer von Schrecken bewahrheitete. Musik- und Soundkulisse spiegeln dies auf sehr eindrucksvolle Weise wider. Zugleich ist Echoes of the Eye an einigen Punkten “mehr Spiel”, folgt also an einigen Stellen einer klaren Aufgabe und Zielsetzung, die so nur in abstrakter Form im Hauptspiel vorhanden war. Und im Grunde einem Horrorspiel entnommen sein könnten, so pechschwarz wie die Situationen werden können. Im Zusammenspiel würde ich sagen, dass dieser Aspekt von Echoes of the Eye, mehr Fokus auf Horror und Schrecken, unter Umständen selbst für Veteranen von Outer Wilds eine knifflige Angelegenheit wird.

Das große Ganze

Und obwohl mich diese genannten Punkte stellenweise während des Spielens skeptisch werden ließen, holte mich Echoes of the Eye am Ende fast schon mehr ab als das Hauptspiel. Narrativ erleben wir ein weiteres Kapitel aus der reichhaltigen Historie des Sonnensystems. Mehr parallel, aber dennoch mit einer starken Verknüpfung zum großen Ganzen. Die sich Schritt für Schritt aufbauende Tragödie in Echoes of the Eye hat mich enorm berührt, extrem begeistert und gehört mit zum Besten, was wir in Videospielen erleben durften. Und thematisch baut der DLC auf dasselbe Fundament auf, was bereits im Hauptspiel erzählt wurde. Bittersüße, tragische Noten inklusive.

Das Knowledge-based Gameplay von Echoes of the Eye, aber auch Outer Wilds im Allgemeinen, erzählt uns die Geschichte auf eine ganz eigene, individuelle Weise. Wir lernen die Welt kennen, unser Wissen über sie wächst mit jeder neuen Entdeckung. Keine Attraktion, die sich abspielt, weil wir unseren Charakter mal eben an die korrekte Stelle bewegt haben. Sondern ein Kosmos, der ohne uns existiert.

Echoes of the Eye ist eine ungemein tolle Ergänzung zum ebenfalls brillianten Hauptspiel Outer Wilds. Es geht komplett neue Wege in spielerischer und atmosphärischer Hinsicht, weshalb vielleicht nicht jede Person beide Teile gleichermaßen wertschätzen kann. Und doch baut der DLC die Welt, die wir kennen und lieben gelernt haben, mit seiner ganz eigenen, komplexen Handlung und Spielmechanik, wundervoll aus. Umso bedauerlicher, dass ich jetzt schon wieder durch bin. Und diese Erfahrung, der Natur des Spiels folgend, nie wieder so machen kann, wie vor wenigen Tagen.

Licht ins Dunkle auf PlayStation 5 gebracht.