Outer Wilds (Review)

Aller Anfang ist schwer. Er benötigt Einarbeitung, fordert auf zum Lernen. Weißt du noch als du das erste Mal einen Controller in der Hand hieltst? Hand und Auge mussten zunächst lernen, wie sich die Figur da auf dem Bildschirm bewegt; wie sie Hindernisse überwinden, Feinde besiegen oder Rätsel lösen konnte. Aus dem Scheitern heraus wurdest du besser. Aus dem Besser werden wurde Neugier, aus der Neugier wurde Freude und aus Freude wurde schließlich Erfahrung.
Genau das trifft auf Outer Wilds zu. Ein Spiel über die Neugier, über das Lernen und das Entdecken, gleichzeitig über das Scheitern und neu anfangen. Sein Setting ist ein eigenes Sonnensystem, mit seinen eigenen Regeln, seiner eigenen Physik. Dies zu erforschen ist die Aufgabe in diesem Spiel. Deswegen muss das Review auch vage bleiben, darf nur umreißen und dem Leser lediglich das Konzept vermitteln.

Begonnen wird aufatmend mit dem Blick hinauf zu den Sternen. Fernweh! Wir befinden uns auf dem Planeten Holzkamin. Es ist ein friedlicher, waldbedeckter Ort und wird von ebenso friedlichen wie vieräugigen Wesen bewohnt. Gemein ist ihnen Ihr Abenteuer und Forschergeist, weswegen sie ein Raumfahrprogramm namens Outer Wilds Ventures ins Leben gerufen haben. Wir als Spieler:in haben die Ehre ein Raumfahrer dieses Programms zu sein, denn draußen im All gibt es Fragen. Was hat es mit der außerirdischen Rasse auf sich, deren Artefakte im örtlichen Museum ausgestellt werden? Warum scheint es überall Spuren von Ihnen zu geben? Vor allem aber: Wo kommen sie her und wo wollten sie hin? Also geht es mit naiver Neugier ab ins Raumschiff und auf Entdeckungsreise. Viel Werkzeug wird nicht gebraucht. Ein Raumanzug natürlich! Ein Signalortungsgerät und ein Gadget, mit denen man Sonden abschießen und zurückholen kann. Mit diesem lassen sich Passagen durch die Fotofunktion erkunden, die man aufgrund seiner Größe oder anderen Hindernissen nicht erreicht.

Zugegeben; die ersten rund 90 Minuten des Spiels gestalten sich etwas zäh. Man ist orientierungslos. Die Bewegung des Charakters und vor allem das Flugverhalten des Raumschiffs muss erlernt werden. Wer danach vom Planeten abhebt, darf erleben, wie sich Outer Wilds abhebt: Nämlich vom Rest inzwischen formelhaft gewordener Spielkultur. Seine Tat liegt im Entdecken, frei von Questmarkern, irgendwelchen Blutspuren oder sonstigen Linien, denen man als Spieler folgt. Seine Währung lautet Wissen, statt Erfahrungs,- oder Skillpunkte und die Motivation findet sich in der Erkenntnis, im „Aha..so ist das also!“, statt im Level-Up. Doch was dieses Spiel so einzigartig macht, ist, dass es mit jedem Run ein Erlebnis erzeugt. Ja, Outer Wilds folgt dem Trend ein Spiel zu sein, dass sich in einer Zeitschleife befindet. 22 Minuten, um genau zu sein aber eben solche 22 Minuten, in denen der Spieler seine eigenen Geschichten schreibt und im Kopf mitnimmt.

Die Narration dafür liefern die fantastisch designten Planeten und Himmelskörper. Pompöse Grafik brauchen sie dafür nicht. Stattdessen ist jeder von ihnen ein Unikat, mit einem eigenen Twist, einem eigenen Drama, Verzerrung oder Verstrickung. Diese fordern den Spieler auf zu entdecken, wahrzunehmen und zu beobachten, um dann Rückschlüsse auf das große Ganze zu ziehen. Mehr ist es im Grunde nicht und doch ist es so viel. Es ist die Rückbesinnung auf das, was spielen schon als Kind ausmacht, nämlich die Erkundung seines eigenen Kosmos als Spielplatz des Scheiterns, Lernens und des Erkennens. Sicher mag sich nicht immer alles gleich erschließen und manches Rätsel in diesem Spiel fordert Geduld. Eine Übersicht im Bordcomputer des Raumschiffs bietet aber vage Lösungsansätze. Einen Fingerzeig im Nebel.

Aller Anfang ist schwer, doch das Ende ist leicht geschrieben: Viele Entwickler und Publisher sprechen in Ihren Pressetexten oft vom Versprechen dem Spieler die bestmögliche Spielerfahrung bieten zu wollen, die sie verdienen. Outer Wilds hält das Versprechen eine ebensolche (und viele weitere in sich) wirklich zu liefern. Benötigt wird dafür nur ein Bruchteil der Maske ach so vieler kommerzieller Großproduktionen. Ein passender Artstyle, intensive und einprägsame Musikstücke und immer viel Atmosphäre. Der Rest macht das Spiel und der Spieler unter sich aus. Unter der Oberfläche des jeweils anderen. Gerade deswegen hat es ein Triple A großes Publikum verdient und wenn Star Trek ein Entwicklerstudio wäre, dann hätte es wohl genau dieses Spiel kreiert, denn besser hätte es seine Grundphilosophie vermutlich nicht manifestieren können.

Getestet auf Xbox Series X.