Super Mario Galaxy (Review)

Während Super Mario in 2D auf weitgehend linearen Pfaden von Start zu Ziel läuft, hat Nintendo mit Super Mario 64 und Super Mario Sunshine eine wesentlich freiere Formel gewählt. In offenen Welten mit mehreren Levelzielen können die Spieler ihrem Erkundungsdrang freien Lauf lassen. In Super Mario Galaxy versucht Nintendo, einen Mittelweg aus dreidimensionaler Bewegungsfreiheit und linear orchestrierten Levels zu finden.

Im Pilzkönigreich hat Bowser mit seinen Versuchen, Prinzessin Peach zu entführen, in unzähligen Fällen den Kürzeren gezogen. Es muss also ein neuer Ansatz her. Wenn auf der Erde jeder Konflikt mit Mario unweigerlich zu einer vernichtenden Niederlage führt, wieso also nicht den Schauplatz verändern? So entführt Bowser die Prinzessin mit viel Tamtam in den Weltraum und zieht sich in ein weit entferntes Sternensystem zurück, um sich Marios Zugriff zu entziehen. Mario kann das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und jagt seinem Widersacher hinterher.

Super Mario Galaxy nutzt, wie bereits angedeutet, eine etwas andere Struktur als seine Vorgänger und bietet mehr als 40 Level, die in diesem Spiel als Galaxien bezeichnet werden. Ein einzelnes Level kann zwischen einem und sechs Sternen enthalten, wobei die verschiedenen Sterne üblicherweise über weitgehende disjunkte Pfade führen und durch die Wahl der Mission bereits festgelegt ist, welchen Stern man sammeln kann.

Das kommt im Vergleich zur in Mario 64 eingeführten Struktur mit Vor- und Nachteilen daher. Die Redundanz in Super Mario Galaxy ist naturgemäß deutlich reduziert, so dass man für verschiedene Sterne nur sehr wenige Levelabschnitte doppelt absolvieren muss. Darüber hinaus ergibt sich auch nie das Problem einer fast durchgespielten Welt, in der man eine Weile herumirrt, bevor man die verbleibende Spielaufgabe findet – das nächste Ziel ist (fast) immer unmittelbar klar. Auf der anderen Seite wird der Erkundungstrieb deutlich weniger befriedigt, da das Spiel viel geführter ist und Geheimnisse im Normalfall entweder zwingend gefunden werden oder keine wichtige Rolle im Spiel spielen. Wer den Erkundungsaspekt und die Freiheit von Super Mario 64 und Sunshine besonders geschätzt hat, wird mit Galaxy trotz seines Themas, das eine gewisse Freiheit impliziert, wahrscheinlich nicht ganz glücklich.

Doch das Team hinter Super Mario Galaxy hat diese Designentscheidung aus gutem Grund getroffen. Auf Grund der größeren Kontrolle über den Spielablauf kann die Dramaturgie des Leveldesigns in unbekannte Höhen getrieben werden. Die Level in Super Mario Galaxy sind tatsächlich ein Ideenfeuerwerk aller erster Güteklasse und stecken voller immer frischer Ideen. Jede der Galaxien unterscheidet sich von den anderen in Grundidee und Dramaturgie. Das Weltraumkonzept wird der von Nintendo gewohnten verspielt-praktischen Freiheit angegangen. So hüpft Mario über Planeten aller möglicher Größen, mal nur wenig größer als Mario selbst, mal so groß, dass Mario sich wie in einem der Vorgängerspieler über eine recht große weite Fläche bewegen kann. Ein wesentlichen Strukturmerkmal der Level in Super Mario Galaxy sind Sterntransporter, die Mario von einem Planeten zum nächsten schießen.

Trotz des linearen Ablaufs schafft es Super Mario Galaxy, das Spielgefühl eines echten Abenteuers zu wecken, da die Flüge durch den Weltraum, die immer wieder auftauchenden offeneren Gebiete und die pompöse Inszenierung dem Spiel eine gewaltige Atmosphäre verleihen. Wo in späteren 3D Ausflügen geradewegs der Eindruck entsteht, die Entwickler wollten Marios Ausflug kleiner und beschaulicher darstellen, als er es wirklich ist, läuft Mario Galaxy in Sachen Pomp auf der Wii sogar Zelda den Rang ab. Einen wichtigen Beitrag hierzu liefert wohl auch die Oberwelt, das Observatorium, das den eigentlich sehr lose miteinander verbundenen Galaxien einem gemeinsamen Rahmen gibt, der das Risiko, dem Spieler den Eindruck eines recht beliebigen Hindernisparcours zu geben, vermeidet. Auf der anderen Seite ist die Oberwelt spielerisch aber wesentlich weniger interessant als in den beiden Vorgängern und so erscheint es durchaus konsequent, dass in den nächsten Mario-Abenteuern die Oberwelt weitgehend abgeschafft wurde. Nichtsdestotrotz, je nach Spielertyp erfüllt das Observatorium durchaus seinen Zweck.

Der lineare Ansatz in Super Mario Galaxy ist nicht nur der spielerischen Ideen der Entwickler geschuldet, sondern durchaus auch aus einer Notwendigkeit geboren. Auf der Wii hat man nur einen Analogstick zur Verfügung, der naturgemäß dazu dient, Mario durch die Welt zu navigieren. Dementsprechend ist eine Weiterentwicklung des sehr freien Kamerasystems von Super Mario Sunshine aber kaum möglich. Wenngleich das Steuerkreuz für kurze Kameraanpassungen verwendet werden kann, ist eine andauernde Korrektur des Blickwinkels definitiv bei der Steuerung mit Wii-Fernbedienung und Nunchuk alles andere als wünschenswert.

Der lineare Ablauf des Spiels ermöglicht es den Entwicklern aber, zu fast jedem Zeitpunkt genau abzuschätzen, welchen Blickwinkel der Spieler auf das Geschehen benötigt. Mit einer intelligenten Kameraführung wird dafür gesorgt, dass man in Super Mario Galaxy nur selten nicht bereits automatisch den idealen Blickwinkel aufs Geschehen hat. In den wenigen Fällen, in denen die Kamera nicht optimal steht, weil man beispielsweise ein etwas größeres Areal genauer untersuchen möchte, kann man die Kamera aber zum Glück ohne die in Sonic-Spielen üblichen langanhaltenden Kämpfe mit der automatischen Kamerasteuerung justieren. In Sachen Kameraführung ist Super Mario Galaxy eine Referenz für 3D-Jump & Runs mit halb-offenen Gebieten, wenngleich das System in einem Collectathon natürlich nicht anwendbar wäre und sehr genaue Planung seitens der Leveldesigner erfordert.

Im Hinblick auf die Steuerung orientiert sich Super Mario Galaxy klar an Super Mario 64, dampft die Steuerung aber auf die Manöver ein, die tatsächlich viel verwendet werden. Dreisprung, Wandsprung, Weitsprung und Seitwärtssalto geben Mario also das gewohnte athletische Potential, ohne die Steuerung aber mit unzähligen verschiedenen Angriffsmöglichkeiten zu überladen. Neu dabei ist hingegen eine recht subtile Einbindung der Bewegungssteuerung. Mit dem Pointer der Wii-Fernbedienung kann man Sternteile sammeln und auf Gegner schießen, um sie zu betäuben oder auf Schalter schießen um sie zu aktivieren. Weiterhin kann Mario einen kurzen Wirbelsprung machen, indem man die Wii-Fernbedienung schüttelt.

Das gibt Mario ein klein wenig zusätzliche Zeit in der Luft, wenn man sich bei einem Sprung (dezent) verschätzt hat, ohne das eigenartige Spielgefühl eines richtigen Doppelsprungs mit sich zu bringen. Gleichzeitig ist der Wirbel auch der Angriff der Wahl gegen kleine Gegner. Die Bewegungssteuerung ist so subtil in das Spiel eingebunden und funktioniert auch bei Menschen, die ihr Handgelenk nur ungern zielgenau einsetzen, makellos, so dass selbst Bewegungsmuffel keinen Grund finden werden, sich daran zu stören. Die einzige Problematik der Steuerung ergibt sich dadurch, dass Mario Planeten komplett umkreisen kann, so dass es teilweise etwas verwirrend sein kann, wie die Steuerung Marios funktioniert, wenn man beispielsweise an der Unterseite des Planeten läuft. Die Entwickler geben dem Spieler aber genug Vorlauf, bevor erstmals kniffligere Abschnitte im Spiel vorkommen, die in dieser Hinsicht problematisch werden könnten.

Der wohl größte Kritkpunkt an Super Mario Galaxy erwächst seiner größten Stärke: Da das Spiel bis zum Rand voll mit neuen Ideen steckt, die so ziemlich jedes Level zu einem neuen Erlebnispark macht, werden zahlreiche Ideen nicht wirklich maximal ausgereizt und mit anderen Ideen komponiert. Allzu oft wird als Potential verschenkt, um lieber neue – stets gelungene – Ideen auszuprobieren. Etwas schade ist das, weil manche Level zusätzlich Sterne bieten, die leichte Modifikationen bekannter Sterne darstellen. So spaßig zeitlich begrenzte Geschicklichkeitspassagen sein können, so wünscht man sich doch, dass so manche Designidee lieber noch einmal etwas tiefer erprobt wird, statt nur die bekannte Umsetzung unter verschärften Bedingungen zu wiederholen. Dieser Kritikpunkt ist allerdings natürlich ein gewisses Luxusproblem, das bei anderen Spielen allein schon deswegen nicht auftritt, weil sie nicht einmal einen Bruchteil der guten Ideen eines Super Mario Galaxy enthalten.

In Sachen Präsentation ist Super Mario Galaxy ebenso vorbildlich. Trotz der veralteten Hardware konnte Super Mario Galaxy durch ein tolle Lichteffekte und geschickte Nutzung der Stärken der Wii abseits der Auflösung sogar neben zeitgenössischen Spielen auf Xbox 360 und PlayStation 3 brillieren. Mit einem exzellenten Stil und viel Gespür für aufregende Aussichten ist Super Mario Galaxy wohl eines der schönsten Spiele seiner Generation und das Kronjuwel der Reihe in Sachen Präsentation. Auch akustisch kann Super Mario Galaxy auf ganzer Linie überzeugen. Statt wie gehabt auf Jazz zu setzen, hat das Musikteam ein imposantes Orchestern aufgefahren und einige der eindrucksvollsten Musikstücke der Reihe komponiert. Manchen mag das vielleicht etwas zu dick aufgetragen sein, thematisch passt es aber hervorragend und unterstützt das Gefühl von Größe, das das Spiel ausstrahlen möchte.

Super Mario Galaxy ist ein Meisterwerk, das seinesgleichen sucht. Leveldesign, Spielgefühl und Atmosphäre sind von außerordentlicher Qualität und die beispielhafte Kreativität der Entwickler wird an jeder Ecke durch das Spiel unter Beweis gestellt. Wer Jump & Runs etwas abgewinnen kann, sollte Super Mario Galaxy auf jeden Fall sein Eigen nennen. Es ist zweifelsfrei eines der ganz großen Spiele nicht nur seiner Zeit, sondern des gesamten Mediums.

Getestet auf Wii.