Mato Anomalies (Review)

Es ist noch gar nicht so lange her (okay, einige Monate und Reviews), da habe ich Persona 5 Royal gespielt. Dann flatterte ein Trailer auf meinen Bildschirm, der mich ziemlich daran erinnert hat. Der Trailer zu Mato Anomalies, dem neuen rundenbasierten Rollenspiel des chinesischen Entwicklers Arrowiz. Es sah so stylisch aus, dass mein Interesse sofort erwachte.

Also habe ich einen Trip nach Mato gebucht, im Telosma Hotel genächtigt und ein paar Nachtmahre vernichtet. Zwischen der Suche nach Metahirn und dem Streicheln von Hunden und Katzen musste ich feststellen, dass die Grenze zwischen Realität und Metasphären immer dünner wird. Was ist da nur los und wie kann ich verhindern, dass die Realität von Jadelöwen überrannt wird, die aus den gestärkten Nachtmahren entstehen? Und kann ich vielleicht auch durch Spekulationen an der Börse reich werden? Nein? Okay, dann metzel ich eben doch nur Nachtmahre und helfe den Leuten, wo ich kann.

Hübscher Himmel über der Stadt. Ein wenig bedrohlich vielleicht. Aber hübsch.
Is it playtime now?

Mato Anomalies mit Persona zu vergleichen, ist natürlich schwierig. Es wäre einfach, falsche Erwartungen zu hegen und deshalb enttäuscht zu werden. Deshalb vorweg: Protagonist Doe ist kein Schüler, sondern ein mittelmäßiger Detektiv, also gibt es keinen Unterricht. (Zudem auch keine Tagesplanung.) Mit seinen Teammitgliedern kann er sich zwar anfreunden, aber sie nicht beschenken oder eine feste Beziehung mit einem von ihnen eingehen. Zudem sammelt Doe keine Kämpfer, sondern Teammitglieder, die an seiner Stelle in der anderen Dimension kämpfen, aber auch in seiner Welt eine Rolle spielen. Aber es gibt rundenbasierte Kämpfe und wir erforschen menschliche Abgründe! Und es gibt auch einige kleine Parallelen zu Persona 5, die viel lustiger sind, wenn man sie beim Spielen selbst entdeckt. 

Natürlich könnte ich die sozialen Aspekte schmerzlich vermissen. Allerdings habe ich mich vor allem durch den Stil und das Grundprinzip, menschliche Laster zu behandeln, an Persona 5 Royal erinnert gefühlt. Also war für mich alles in Ordnung. Außerdem kann ich Does Team in der Stadt suchen und mit den anderen sprechen, um mich anzufreunden, das mag ich auch. Die Gefährtengeschichten sind auch sehr unterhaltsam und bieten überraschende Einblicke in das Team. Außerdem spielen teilweise mehrere Charaktere eine Rolle, so dass sich das Team auch abseits der Hauptstory wie ein Team anfühlt.

My trap should be more than enough!

In Mato Anomalies wird Detektiv Doe in ominöse Geschehnisse verwickelt. Er landet in einer anderen Welt, der Metasphäre. Das sind die Dungeons des Spiels, sowohl ein „Hauptdungeon“ je Kapitel als auch zufallsgenerierte Dungeons zum Grinden und für Nebenquests. 

Anfangs fühlt sich die Thematik der Dungeons noch sehr nach starker Inspiration bei Persona 5 an, doch das hält glücklicherweise nicht lange an. Optisch sind sie abwechslungsreich, auch wenn jeder Dungeon aus freischwebenden Gängen und Räumen besteht. Im Hintergrund sind mal riesige Geldscheine, mal stehen abgeworfene Kriegsbomben in der Luft. Ich habe mich gern beim ersten Dungeonbesuch in einem neuen Kapitel an den Rand gestellt und mich erst einmal umgeschaut. 

Durch den Aufbau erinnern mich die Dungeons eher an Titel wie Digimon Story: Cyber Sleuth, die eher … reduziert gestaltet sind. Klar könnten die Dungeons hübscher sein mit richtigen Räumen, aber die Hintergründe gleichen die simple Gestaltung aus.

Rätsel dürfen auch in Mato Anomalies nicht fehlen. Auch wenn der mysteriöse Ninja Gram, der sich zuerst dem Team anschließt, nicht davon begeistert ist. Sogar so wenig, dass es ihm schon zu rätselig ist, wenn er erst in einen Nebenraum gehen muss, um einen Schlüssel für einen verschlossenen Weg einzusammeln. Zum Glück ist das für mich nicht zu viel. Später werden die Rätsel auch komplexer mit zu lenkenden Lichtstrahlen, mehreren Schlüsseltypen, und labyrinthischen Passagen. Bei meiner schlechten Orientierungsfähigkeit war das für mich natürlich am schwierigsten, insgesamt kam ich aber gut durch die Dungeons. Knallharte Rätsel solltet ihr lieber nicht erwarten, aber das eine oder andere braucht schon ein wenig Hirnschmalz. Außerdem gibt zwischendurch niemand Tipps. Sehr angenehm, dass ich die Rätsel in meinem Tempo durchführen konnte. Selbst wenn ich meist sehr locker durch die Rätsel geflitzt bin (so schnell das im Lauftempo eben geht).

If one strike is not enough, then I’ll give you two.

Die Rätsel in Mato Anomalies bieten trotz häufiger Einfachheit etwas Abwechslung zwischen dem Herumlaufen und den Kämpfen. Gegner sind auf ihrem Platz und der Karte sichtbar. Trotz keiner Zufallsbegegnungen ist Ausweichen meist nicht möglich, da die Gegner abgesehen von vereinzelten Patrouillen in den Gängen weiterführende Wege versperren. Bisweilen beschützen sie aber auch Schatztruhen oder gerade in den zufallsgenerierten Dungeons auch mal gar nichts. In letzteren gibt es zudem Säulen, die verschiedene Attribute im Kampf verändern wie erhöhten Angriff für bestimmte Waffentypen oder einen einmaligen Schild. Außerdem nimmt nach jedem Kampf die geistige Gesundheit ab, wodurch zu viele Kämpfe riskant werden anstelle eines irgendwann auftauchenden starken Gegners.

In den Kämpfen selbst treten maximal vier Teammitglieder gegen die Gegner an. Die Reihenfolge lässt sich am oberen Bildschirmrand ablesen. Mato Anomalies kommt ohne Mana oder dergleichen aus, stattdessen gibt es neben normalen Angriffen weitere, die mit einem Cooldown belegt werden. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad reicht es nicht aus, den normalen Angriff zu spammen. Tatsächlich wird er sogar ziemlich anspruchsvoll. Die meisten Angriffe unterscheiden sich je nach Waffe und ich kann auch zusätzliche starke Angriffe freischalten. Gegner weisen wie üblich Schwächen auf, hier ähnlich wie bei Ys VIII auf die Angriffsart bezogen. Elementare Angriffe gibt es nicht im üblichen Sinne, sondern Nebeneffekte wie verbrennen oder vergiften. Die Angriffsstärke wird dargestellt durch Prozentzahlen, die die Angriffe komplizierter klingen lassen, als sie sind. Notfalls lässt sich aber durch ausprobieren herausfinden, was wie gut funktioniert. Spätestens bei einem neuen Gegnertyp ist das zumindest für Schwäche unvermeidlich. 

Interessant ist am Kampfsystem auch, dass Cooldowns kampfübergreifend andauern. Soll heißen, ich kann weder einen starken Angriff spammen, um jeden Gegner schnell zu besiegen, noch kann ich ganz unüberlegt in Bosskämpfe gehen. Also, kann ich schon, aber dann muss ich damit rechnen, dass mir nicht mein ganzes Repertoire zur Verfügung steht.

Bona- ach nein, falsches Spiel

Ein Scheitern setzt übrigens wie bei Persona zum letzten Speicherpunkt zurück; allerdings gibt es hier auch automatische Speicherpunkte, etwa zu Beginn eines Dungeons oder einer Ebene. Außerhalb von Dungeons kann ich jederzeit speichern, innerhalb an bestimmten Punkten. 

Ein wenig (je nach Sensibilität sehr) störend ist, dass die Charaktere vor und während jedes Angriffs einen Spruch aufsagen. Sie haben einige verschiedene Sprüche (englisch, japanisch oder chinesisch) auf Lager, auf Dauer wiederholen sie sich allerdings alle recht häufig. Abseits von den Spezialangriffen vielleicht, für die sich erst eine Leiste füllen muss. Das ist im Übrigen der einzige Angriff, den die Charaktere im automatischen Kampf nicht benutzen. Obwohl sie dann sogar eigenständig Heilitems nutzen. 

Auch in den Bosskämpfen funktioniert der Autokampf. Vielleicht nicht ganz so gut wie in normalen Kämpfen, aber insgesamt kämpft das Team eigenständig kompetent. Das ist sehr praktisch, um zwischendurch das Brot aus der Form zu lösen oder die Katzen ins Haus zu lassen. Auch dann, wenn beides nicht auf Anhieb klappt. 

Der Autokampf lässt sich per Stickklick ein- und ausschalten. Ansonsten startet er auch im nächsten Kampf außer bei mutierten Gegnern oder Bossen, wo er sich erst einmal ausschaltet. Äußerst praktisch.

Dabei ist das Kampfsystem gar nicht so langweilig, dass der Autokampf für mich wichtig gewesen wäre. Jedenfalls nicht auf dem normalen Schwierigkeitsgrad, auf dem einfachen sind einige Kämpfe dann doch etwas zu anspruchslos, auch wenn das Finale durchaus wieder Strategien verlangt.

Tipp: Nutzt die Stärkungen. Hat mir der Ladebildschirm gesagt. Andere Tipps sind ein wenig albern, denn ist nicht eigentlich offensichtlich, dass Hauptaufgaben die Haupthandlung vorantreiben?

Drei zusätzliche Angriffe mit Butterfly!
Fly, my little butterfly!

Außerdem von Kämpfen sprechen die Charaktere in Mato Anomalies weniger. Jedenfalls, was die Vertonung angeht. Zwischen den Laufwegen von einer Quest zur nächsten oder dem Manövrieren über den Fahrplan, gibt es sehr viel zu lesen. Das RPG ist teils Visual Novel, teils Comic. Die VN-Anteile sind nicht vertont, die Dialoge in den animieren Comic-Sequenzen dagegen schon. Ein paar Szenen sind normal animiert, wobei die Animationen manchmal etwas hölzern wirken und Dialog und Lippenbewegung überhaupt nicht zusammenpassen.

Für alle, denen es nichts ausmacht, viel zu lesen, ist die Story aber vollgepackt. Eine Großzahl wiederkehrender Charaktere erlebt auch eigene Geschichten im Kapitelverlauf. So macht es Spaß, die Nebenaufgaben anzugehen und zu sehen, was aus den getroffenen Charakteren wird. Ich war angenehm überrascht, als ich den ersten Charakter erneut getroffen habe. Schön, dass die Geschichte eines Charakters mit dem Kapitel nicht zwingend auch beendet ist. Im Falle einzelner Teammitglieder wie dem Idol Nebel ist natürlich klar, dass sie weiterhin eine Rolle spielt, aber auch der Anführer einer Straßenbande tritt anschließend erneut auf.

Nebenquests sind meist mit noch mehr Laufwegen verbunden. Zum Glück ist mir irgendwann aufgefallen, dass ich mir mithilfe der Karte wenigstens den Weg zum Bahnhof sparen kann. Vom Bahnhof muss ich dennoch zum nächsten Questmarker oder oft zum Pangolintal. Von dort aus geht es in die Metasphäre, in der sich menschliche Emotionen und Wünsche manifestieren. Die tiefsten Abgründe der Menschen eben wie Gier, Hass oder das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Für andere Nebenaufgaben muss ich mit bestimmten Charakteren sprechen – ermitteln eben, schließlich ist Doe eigentlich Detektiv.

Time to take out the trash.

Dann gibt es noch einen weiteren Typ Quest. Der auch als Hauptquest auftreten kann. Mit einem speziellen Handschuh gelingt es Doe, in die Köpfe von anderen Personen zu gelangen. Er manipuliert nicht Herzen, sondern Gedanken.

Mit dem Gedanken-Hack beeinflusst Doe die Gedanken von verschiedenen Personen. Um sie dazu zu bringen, ihm zu helfen oder etwas zu verraten. Ein wenig dubios, klar, aber es ist ja für einen guten Zweck.

Außerdem ist es mit einem Kartenspiel verbunden.

Zugegeben, meine Erfahrungen mit Kartenspielen sind eher gering. Irgendwie schrecke ich immer ein wenig vor ihnen zurück. Aber in Mato Anomalies hatte ich tatsächlich Spaß damit.

Es gibt eine begrenzte Anzahl an zu hackenden Personen. Alle haben unterschiedliche Dämonen, die den Kampf beeinflussen. Selbst benutzen sie keine Karten sondern haben eine bestimmte Handlungsabsicht. Sie greifen an oder verteidigen sich und bauen einen Schild auf. Die Dämonen haben unterschiedliche Effekte, während sie auf dem Feld sind, und erscheinen nach Cooldown erneut. Manche Stärken Angriff oder Schild, andere ziehen einzelne Angriffe auf sich.

Ich selbst habe verschiedene Decks und kann stärkere Versionen durch Fortschritte in den Gefährtengeschichten freischalten. Die Decks spielen sich alle unterschiedlich und bieten je nach Gegner unterschiedliche Vor- und Nachteile. Beispielsweise, wenn es darum geht, ob ein Angriff einzeln oder in der Fläche wirkt. Zudem kosten Karten Aktionspunkte, von denen ich im Normalfall drei pro Runde habe, was ich je nach Deck jedoch kurzzeitig erhöhen kann.

Die Gedanken-Hacks sind ein bisschen zum Knobeln. Ich muss eine passende Herangehensweise herausfinden. Überlegen, wen ich wann angreife, schließlich kann ich nicht gewinnen, wenn ich nur Dämonen bekämpfe. Welches Deck sich für einen Gegner anbietet. Jedenfalls, wenn ich beim ersten Mal nicht gewinne. Besonders die knappen Siege fühlen sich für mich wie ein Erfolg an, auch wenn die Karten durch das Mischen einen gewissen Zufallsfaktor aufweisen.

Mondoshaman, heed my call.

Mato Anomalies ist ein stylisches RPG mit Dungeoncrawler-, Kartenspiel- und Visual Novel-Elementen. Aufgebaut sind die Dungeons nicht besonders beeindruckend, die Umgebungen sind jedoch sehr atmosphärisch. Oft sieht das Spiel wie ein Aquarellgemälde aus. Die Fortbewegung in der Stadt ist mit ein wenig zu viel Backtracking verbunden, wodurch die Café-Sound-Musik auf Dauer etwas eintönig wird. Die Stadt wird jedoch detailreich gezeichnet und Mato Anomalies fokussiert sich auf diesen einzelnen Ort, selbst wenn die Probleme natürlich immer größer werden. Die Teammitglieder sind sehr abwechslungsreich, vom Ninja über einen Robin Hood-Verschnitt bis hin zur Killermaschine und dem Soldaten mit KI im Anzug.

Die größte Stärke des Spiels liegt allerdings im Kampfsystem. Das Cooldown-System ist prinzipiell simpel, sorgt aber für eine taktische Komponente, die sogar kampfübergreifend wirkt. So fordert Mato Anomalies, fast das ganze Arsenal zu nutzen, um die Gegner zu besiegen. Bisweilen habe ich Teammitglieder ausgetauscht, um Kämpfe anders anzugehen, manchmal bloß Waffen. Einzig die Sprüche wiederholen sich dabei auf Dauer zu häufig. 

Fans von rundenbasierten Kämpfen mit Offenheit für oder Spaß an Kartenspielen finden viel packende Unterhaltung in Mato Anomalies. Es ist zwar bei genauer Betrachtung ziemlich weit weg von Persona 5 Royal, dem Vergleich standzuhalten wäre aber ohnehin schwierig. Stattdessen hat Mato Anomalies eine eigene Identität auch bei den vorhandenen Parallelen im Style und dem Besuchen von menschlichen Abgründen in Dungeonform. Um es mit den Worten von Miss, der Anzug-KI auszudrücken: Combat Mode. Startet den gern.

Herzlichen Dank an Plaion für die Bereitstellung des Testmusters. Kill! Kill! Kill! Auf PlayStation 5.