PICROSS X: Picbits vs. Uzboross (Review)

Als kleines Kind war ich umgeben von Erwachsenen deren liebster Zeitvertreib es war irgendwelche Kreuzworträtsel zu lösen. Ich war ziemlich lange überzeugt davon, dass es ein Marker für den Eintritt in den letzten Lebensabschnitt sein musste, wenn das Lösen von Wort- und Logikrätseln zur liebsten Entspannungsmethode mutiert. Und dann habe ich – damals für den Nintendo DS – mein erstes Picross gespielt und war überrascht wie gut es sich tatsächlich dazu eignet und die Vielzahl der verschiedenen Titel der Serie spricht für ihren Erfolg und ihre Beliebtheit.

Die Picross Spielreihe zeichnet sich durch ein klassisches und minimalistisches Design aus welches das Gameplay in den Vordergrund rückt. Beim ersten Start von PICROSS X hatte ich schon damit gerechnet, dass es ein wenig anders wird aber ich habe nicht damit gerechnet visuell völlig erschlagen zu werden. Man stelle sich vor man geht zu einem Zeichenkurs für klassische Bleistiftportraits und wenn man den Raum betritt stellt man fest, dass sowohl der Lehrer als auch das Modell und die Mitschüler allesamt Kleinkinder im Zuckerrausch sind und alles und jeden mit Farbeimern übergießen. Ich war in etwa so überfordert, als ob ich als Kind im Toys’r’Us verloren gegangen wäre. Es ist so unglaublich schrill, dass ich erst einmal die Bildschirmhelligkeit reduzieren musste. Man gewöhnt sich irgendwann an den Neonangriff und kann dann auswählen, ob man mit dem Single- oder dem Co-op-Modus starten will. Dann wird es leider nicht übersichtlicher. Das Menü ist auch hier wieder unglaublich überladen und aggressiv bunt. Ehrlich gesagt hatte ich schon gar keine Lust mehr weiterzuspielen. Ich tat es aber weil ich dachte schlimmer kann es nicht mehr werden und zumindest das Spielprinzip sollte es wieder raushauen. Wie DUMM von mir!

Grundsätzlich erkennt man, dass es sich um Picross handelt. Anhand der Zahlen an den Rändern des 5×5 Rätselfeldes muss man als spielende Person herausrechnen an welchen Stellen sich ein Quadrat befinden muss um ein Bild zu ergeben und an welchen Stellen eine Leerstelle gesetzt wird. Hat man es einmal verstanden ist es simpel. Hier setzt PICROSS X nun aber an und haut den Rätselfuchs mit allerlei Hürden, Zeitdruck, Zielen mit Mindestvorgaben und zusätzlichen Spielregeln um. Es spricht wirklich nicht für mein allgemeines Fitnesslevel aber ich hatte üblen Muskelkater am nächsten Tag, weil mich dieses Spiel so dermaßen unter Stress gesetzt hat, dass ich völlig verspannt war. Es ist das reinste Chaos! Wer hat sich sowas ausgedacht? Nach zwei Stunden trauerte ich noch immer dem gewohnten und ruhigen Vorgänger hinterher – bis ich endlich anfing die Level perfekt abzuschließen. In jedem Level kann man neben dem erfolgreichen Levelabschluss auch drei Zusatzziele erreichen die dann eine schwierigere Version des Levels mit neuen Vorgaben freischalten. Im Singlemodus schaltet man nach und nach weitere Level-Sammlungen frei. Das erste Rätsel in jeder dieser Sammlungen ist einfach und nach hinten weg steigern sich die Anzahl der Runden, die kleinen Gemeinheiten und das Stresslevel.

Gemein sein kann das Spiel wirklich sehr gut. Verschwommene Zahlen, Spuren die einem die Sicht auf das Spielfeld behindern, eine festgelegte Reihenfolge in welcher die Reihen gelöst werden müssen – wenn man denkt jetzt hat man den Bogen raus, kommt der nächste Spielbereich und bringt neue Challenges mit sich die mit anderen kombiniert werden. Und man muss unglaublich schnell auf die veränderten Verhältnisse reagieren, weil sonst Uzboross die Picbits frisst! Uzboross ist eine große gemeine Monsterschlange die es auf kleine, quadratische, hasenartige Wesen abgesehen hat die vor ihm wegrennen. 77 davon sollten am Ende immer überleben, um das Level erfolgreich abzuschließen. Erfolgreich gelöste Rätsel lassen die Picbits schneller rennen. Einen Überblick darüber hat man immer am oberen Bildschirmrand. (Als ob es noch mehr Stressfaktoren bräuchte.) Als Belohnung erhält man nicht nur die Genugtuung kleine Wesen vor dem sicheren Tod bewahrt zu haben, sondern auch immer wieder neue Items die einem das Rätseln leichter machen sollen und Punkte die man gegen neue Skins und Accessoires einlösen kann. Ersteres macht definitiv mehr Sinn als das letzteres aber es hilft, wenn man die Neonwelt etwas entschärfen kann. Mit der Zeit lassen sich immer mehr Items gleichzeitig einsetzen die entweder für einen größeren Score oder zur Bekämpfung der Hürden eignen. Sie sind allerdings sehr teuer und die Anzahl der einsetzbaren Items wird von dem verfügbaren Punktebudget beeinflusst. Es lohnt sich aber alle Items in verschiedenen Kombinationen auszuprobieren weil das Aufleveln dazu führt, dass sie weniger Punkte benötigen. Abgesehen davon kann man ohne Items auch nicht alle Abzeichen sammeln.

Mit der Zeit schaltet man nicht nur eine große Anzahl neuer Rätsel frei, sondern auch einen neuen Modus: den Uzbo Run. Hier wird es noch stressiger. Jede Levelvariante setzt hier das Rätseln unter einem bestimmten Spezialaspekt vorraus. Man erhält zum Start eine festgesetzte Zeit in der die Rätsel gelöst werden müssen. Jedes gelöste Rätsel bedeutet einen kleinen vegetarischen Snack für den Uzboross der nicht vor ihm wegläuft und eine Zugabe von Spielsekunden auf der Uhr. Ziel ist es, dass Uzbo alle Snacks verspeisen kann bevor die Zeit abgelaufen ist. Im Grunde ist es eine Highscorejagd die auch mit den Zeiten des Entwicklerteams verglichen werden.

Mein Fazit ist, dass das Entwicklerteam über Nacht durch etwa vier Dutzend Raving Rabbids auf Drogen ausgetauscht worden sein muss, um dieses Spiel zu entwickeln. Hat man sich erst an, naja, alles gewöhnt macht es riesigen Spaß. Man darf es einfach nur nicht mit irgendeinem anderen Ableger der Picross-Reihe vergleichen, da es den ganz entscheidenden Unterschied hat, dass es absolut nicht entspannend ist dieses Spiel zu spielen. Auch lassen sich keine schönen Bildchen erspielen. Neben der Unterhaltung und dem Gehirntraining empfehle ich es auch als Bauch- und Nackenmuskeltraining. Der Muskelkater durch die Anspannung hatte es wirklich in sich.

Herzlichen Dank an Jupiter für die Bereitstellung des Testmusters. Erblindet auf Nintendo Switch.