Knuckles‘ Chaotix (Review)

Zum Ende des Sega Mega Drive hat Sega, die eigentlich in einer guten Ausgangslage für eine neue Konsolengeneration waren, sich einem spektakulären Missmanagement hingegeben. Parallel zur Nachfolgekonsole Sega Saturn hat man ein 32-bit Add-On für das Mega Drive entwickelt und veröffentlicht, das das Mega Drive technisch an die zahlreichen neuen Konkurrenzkonsolen angleichen sollte, das 32X. Dass die Kommunikation in dieser Situation nur in die Binsen gehen konnte, bemerkte Sega freilich zu spät und so wurde der Niedergang des Konsolenherstellers im Westen eingeläutet. Trotz des fulminanten Flops des 32X wurde die Zusatzhardware aber dennoch mit einem durchaus interessanten Sonic-Titel versorgt, dem bislang einzigen Knuckles-Spin-Off namens Knuckles‘ Chaotix.

Knuckles‘ Chaotix hat seine Entwicklung als Sonic-Spiel für das Mega Drive mit dem Titel Sonic Crackers begonnen, verzichtet aber gänzlich auf Auftritte der Sonic-Protagonisten Sonic und Tails. Stattdessen wird Knuckles von zwei alten Bekannten, dem ursprünglich für Sonic 1 geplanten Krokodil Vector und dem bereits aus Comics bekannten Charmy sowie dem neu entworfenen Charakter Espio unterstützt. „Warum so viele Charaktere?“ mag man sich fragen, doch wenn man einen Blick auf Screenshots zu Knuckles‘ Chaotix wirft, wird die Frage schnell beantwortet, denn Knuckles‘ Chaotix steht im Zeichen der Kooperation.

So spielt man nicht nur einen, sondern zwei Charaktere, die über ein Band miteinander verbunden sind. Den Führer des Duos steuert man direkt, wohingegen der zweite Charakter zunächst einmal vom Spiel gesteuert wird. Per Knopfdruck kann man dem zweiten Charakter aber Befehle geben, um Teamaktionen mit dem verbindenden Band auszuführen. Besonders wichtig sind hierbei zwei mögliche Aktionen: Das Seil an der Stelle festzuhalten, so dass man es wie ein Gummiseil lang ziehen kann, um kräftig Schwung zu holen – im Grunde ein Ersatz für den Spin Dash – sowie die Möglichkeit, in der Luft die Elastizität des Seils auszunutzen, um sich kräftig in die Luft zu schleudern.

Im Ergebnis haben Knuckles und Co. eine viel größere Luftmobilität, die sich insbesondere auch dadurch ausdrückt, dass die Level in Knuckles‘ Chaotix wesentlich mehr Vertikalität bieten als in der Sonic-Hauptreihe üblich. Während man zu Beginn des Spiels das Gummiband noch weitgehend ignorieren und Knuckles‘ Chaotix weitgehend wie ein klassisches Sonic-Spiel spielen kann, wird man in späteren Levels nicht umhin kommen, sich mit der Seilmechanik zu befassen. Das hat jedoch leider auch zur Folge, dass der Arcade-Charakter deutlich kürzer kommt, denn zu lernen, mit dem Seil vernünftig umzugehen und die bisweilen recht eigenwilligen Handlungsweisen des Computergesteuerten Partners zu berücksichtigen bedarf einiges an Übung. So viel Übung, dass beim ersten Spieldurchlauf absolut realistisch ist, dass man die Mechaniken noch gar nicht richtig beherrscht, bevor man das Spiel abschließt. In der Konsequenz kann die Spielmechanik eine sehr frustrierende Erinnerung bleiben. Gelingt einem die Einarbeitung, so funktioniert die Idee durchaus gut, dennoch kann das Spiel sich auf mechanischer Ebene mitnichten mit der Hauptreihe messen.

Das Leveldesign bietet erstmals eine gewisse Nicht-Linearität, denn jede Zone ist in fünf Acts unterteilt und nach Abschluss eines jeden Acts kehrt man in eine Oberwelt zurück, von der aus man sich eine der Zonen aussuchen kann, die man als nächstes betreten möchte. Immer wenn man einen Act abgeschlossen hat, schaltet man den nächsten Act der eigenen Zone frei, schon früh kann man aber statt des nächsten Acts auch erst einmal eine andere Zone spielen. Die Entwickler haben in Anbetracht dieser etwas komplizierteren Strukturierung erstaunlich gut sichergestellt, dass die Schwierigkeitskurve sich halbwegs gleichmäßig bewegt, sonderlich schwierig wird Knuckles‘ Chaotix allerdings nie.

Leider geht dem Spiel an vielen Stellen die sonst in der Reihe übliche Rasanz ein Stück weit verloren. Zwar kann man durch geschickten Einsatz des Seils an vielen Stellen, die das nicht vermuten lassen, einen runden Spielfluss aufrecht erhalten, durch die hohe Vertikalität und die Vorlaufzeit für genauer geplante Seilaktionenwird man in Knuckles‘ Chaotix aber unweigerlich mehr Zwischenstopps einlegen müssen als in anderen Sonic-Spielen. Darüber hinaus ist die Zahl der Acts je Zone so hoch, dass sich zahlreiche Levelideen und Konstruktionen deutlich zu oft wiederholen. Obgleich Knuckles‘ Chaotix gewiss kein Spiel für die Ewigkeit ist, kann es so leider durchaus vorkommen, dass man ein wenig gelangweilt wird und es schwerfällt die einzelnen Acts im Kopf klar zu trennen. In dieser Hinsicht bietet es sich an, die Acts einer Zone nicht am Stück zu absolvieren, sondern zwischen den Zonen ein wenig hin- und her zu springen.

Technisch ist Knuckles‘ Chaotix gemessen am Mega Drive sehr beeindruckend und bietet zahlreiche Skalierungseffekte, die selbst das SNES mit FX2-Chip alt aussehen lassen. Auf der anderen Seite sind einige optische Beschränkungen der Mega Drive-Hardware, die weiterhin einen Teil der grafischen Berechnungen übernimmt, ersichtlich, so dass man Knuckles‘ Chaotix sicherlich auch zu seiner Zeit nicht mit einem nativen Spiel für eine der 32-bit-Plattformen hätte verwechseln können. Akustisch wird wie gewohnt gute Arbeit geleistet, die aber nicht so nachhaltig im Ohr bleibt wie bei den Sonic-Spielen der Hauptreihe.

Knuckles‘ Chaotix ist ein sehr interessantes Experiment, das durchaus eine Menge Spaß machen kann, allerdings ein Missverhältnis aus Eingewöhnungszeit und Spielzeit bietet. Darüber hinaus ist das Leveldesign jedes einzelnen Levels zwar gelungen, auf Grund der geringen Varianz und der zahlriechen Wiederholungen über die Acts einer Zone hinweg stellt sich aber trotz nur ca. zwei Stunden Spielzeit ein merklicher Ermüdungseffekt ein. Für Sonic-Fans, die das nötige Kleingeld für ein 32X und Knuckles Chaotix haben, ist das Spiel mit Sicherheit eine besondere Erfahrung, wer aber nicht Willens ist, einen gut und gerne dreistelligen Betrag für das schlechteste Mega Drive-Sonic auszugeben, verpasst auch kein essenzielles Spielerlebnis.

Getestet auf Mega Drive mit 32X.