Sonic Lost World (Wii U, Review)

Die Wii U war ein fulminanter Misserfolg und in der Folge wurden fast alle Exklusivspiele in den letzten Jahren auf die Nintendo Switch portiert. Eine Ausnahme sind hier die beiden Sonic-Spiele, die Nintendo sich seinerzeit exklusiv gesichert hat. Sonic Lost World ist als Hauptreihenteil natürlich ein besonders dicker Brocken, werden wir also einen Blick auf den durchaus ungewöhnlichen Titel.

Wie man es bereits seit Sonic Adventure auf der Dreamcast gewohnt ist, wird die Geschichte in Sonic Lost World in aufwendig gestalteten vorgerenderten Videosequenzen erzählt. Sonic und Tails versuchen, Tiere, die Dr. Eggman gefangen hat, zu befreien, schaffen es aber nur, eine einzelne Kapsel zu öffnen. Daher machen sie sich auf den Weg, Eggman zu stellen. Doch wie sich schnell herausstellt, ist Eggman nicht allein mit seinen Robotern unterwegs, sondern hat sich neue tatkräftige Unterstützung gesichert. Die Schrecklichen Sechs, mächtige, wenngleich leicht durchgeknallte, Außerirdische unterstützen Eggman bei seinen dunklen Machenschaften. Dank einer muschelartigen Pfeife kontrolliert Eggman die Aliens und kommandiert sie nach Belieben. Sonic muss es also nicht nur mit seinem Erzrivalen, sondern nacheinander auch mit den neuen Gegnern aus dem Weltall aufnehmen.

Die Geschichte wird immer wieder vor Beginn eines neuen Levels mit einer kurzen Zwischensequenz vorangetrieben und legt großen Wert auf eine Cartoon-Atmosphäre – selbstverständlich mit einer gehörigen Portion Slapstick-Humor. Leider sind aber die deutschen Sprecher durch die Bank ziemlich schlecht, obendrein auch die deutsche Übersetzung nicht unbedingt gelungen. Daher empfehlen wir, gleich zu Beginn des Spiels die Sprachausgabe auf Englisch zu schalten. Das Spiel ist, wie man es von der Sonic-Reihe kennt, in sieben Welten unterteilt. Jede Welt bietet ihrerseits vier Level und ein geheimes Zusatzlevel, welches allerdings nur dazu dient, zusätzliche Leben zu sammeln. Jeder der ersten sechs Welten ist einer der Schrecklichen Sechs zugeordnet und jeweils das zweite und das vierte Level endet mit einem kurzen Endgegnerkampf gegen den Vertreter der Schrecklichen Sechs. Das jeweils vierte Level einer Welt kann allerdings immer erst betreten werden, wenn man genügend Tiere befreit hat. Hierzu wird es, je nach Spielweise, notwendig, bereits absolvierte Level erneut zu spielen, um die benötigte Zahl an Tieren aufweisen zu können.

Spielt man als Kenner der Sonic-Reihe Sonic Lost World erstmals, wird man zunächst einmal erstaunt feststellen, wie langsam Sonic Lost World ist. So langsam war ein 3D-Sonic seit 2006 nicht mehr, als in Sonic the Hedgehog der bis heute letzte Teil mit dem aus Sonic Adventure bekannten Gameplay erschienen ist. Seither hat Sega immerzu daran gearbeitet, das Geschwindigkeitsgefühl zu verstärken und die Reaktionsgeschwindigkeit des Spielers auf eine harte Probe zu stellen. Läuft man einfach nur mit Hilfe des Analogsticks herum, ist Sonic gar so langsam wie Mario, erst, wenn man die Schultertaste RZ gedrückt hält, rennt Sonic, etwa mit der Geschwindigkeit, die er in Sonic Adventure 2 hatte. Einen Boost-Knopf gibt es im neuesten Sonic-Spiel nicht mehr.

Wieso Sega diesen radikalen Schritt getan hat, offenbart sich, wenn man sich das Leveldesign ansieht. Während die Level in den letzten Sonic-Spielen eine Mischung aus Rennstrecke und Jump & Run-Level im Stile eines Hindernis-Parcours darstellten, besinnt sich Sega in Sonic Lost World auf klassischere Designwerte. So sind die Level mit wesentlich komplexeren Sprungsequenzen, die neben Reaktionsgeschwindigkeit vor allem auch Präzision verlangen, gespickt und setzen zudem auf allerlei Geheimnisse, die überall in den Levels versteckt sind. So gibt es besonders in vielen der 3D-Abschnitte der Level oftmals Geheimgänge und Abkürzungen zu entdecken, obendrein muss man in jedem Level fünf rote Medaillen einsammeln. Gelingt es einem, in allen vier Levels einer Welt alle fünf roten Medaillen zu sammeln, so erhält man den Chaos-Emerald für die jeweilige Welt, sowie ein Geheimlevel, das zwar recht knackig ist, dafür aber mit einer ordentlichen Zahl an Leben aufwarten kann. Die roten Medaillen sind im Wesentlichen auf zwei verschiedene Weisen im Spiel versteckt worden. Einige Medaillen sind relativ offensichtlich, aber an schwer erreichbaren Stellen platziert, andere verlangen vom Spieler, Geheimgänge zu finden, um sie einsammeln zu können. Das Sammeln aller roter Medaillen ist dabei alles andere als trivial, besonders da es zwingend erforderlich ist, nach dem Sammeln der Medaille ohne zu sterben zum nächsten Zwischenspeicher zu gelangen.

Leider ist die Spielmechanik nicht auf dem Niveau der Vorgänger, einige neue Fähigkeiten Sonics wirken ein wenig unausgereift. Zunächst wäre da die Fähigkeit Sonics, an Wänden zu laufen. Hält man RZ gedrückt, so kann Sonic Wände und Bäume ein Stück weit nach oben laufen. Leider reagiert Sonic ein wenig zu selbstständig auf in der Nähe befindliche Objekte, auf die er hinauflaufen kann. Das wäre an sich kein großes Problem, allerdings bewegt sich Sonic beim Wandlauf und beim Klettern doch relativ langsam, so dass das besonders in schnellen Durchläufen durch die Level ein wenig sauer aufzustoßen vermag. Weiterhin sind die aus Sonic Colours bekannten Wisps wieder mit von der Partie. Sammelt man einen Wisp ein, kann man seine Farb-Kraft einsetzen, indem man sein Symbol auf dem Touchscreen antippt. Jeder Wisp bietet eine Steuerung, die speziell an die Möglichkeiten des GamePads angepasst ist. So kann man mit dem bekannten Drill-Wips per Touchscreen durch den Boden bohren, oder aber mit dem neuen Asteroid-Wisp mittels Bewegungssteuerung seine Umgebung vertilgen.

Die empfohlene Touchsteuerung der Wisps wirkt ein wenig deplatziert, wenn man in einem guten Rutsch durch ein Level durchlaufen möchte und kaum ein Spieler mag es wohl, mitten im Level umzugreifen und von einer reinen Button-Steuerung für einige Sekunden auf eine Touch-Steuerung zurückzugreifen. Auch wenn das Spiel die Touchsteuerung sehr in den Vordergrund schiebt, müssen wir allerdings anerkennen, dass die Entwickler offenbar ein wenig Einsehen hatten. Man kann nämlich viele der Wisps auch schlicht per Button-Steuerung bewegen. Es ist allerdings sehr unglücklich, dass das Spiel ausdrücklich nur die Touch-Steuerung erklärt, wenn man einen Wisp einsetzt, die Button-Steuerung muss man als Spieler schon selbst entdecken. Es bleibt jedoch dabei, dass, obwohl insbesondere der X-Knopf noch verfügbar wäre, Wisps nur durch eine Berührung des Touchscreens eingesetzt werden können.

Das Leveldesign besticht mit einem Abwechslungsreichtum und einer Kreativität, die – auch abseits der optischen Ähnlichkeit der bekannten Sphären-Level – ein wenig an Super Mario Galaxy erinnert. Auch wenn Sonic Team nicht die Brillanz des EAD-Meisterstücks erreicht, so ist doch offensichtlich, dass sie sich eine Menge Mühe gegeben haben, die verschiedenen Facetten der Spielmechanik voll auszureizen. So wechseln sich 2D- und 3D-Abschnitte harmonisch ab, in einem Schnee-Level verwandelt sich Sonic in eine Schneekugel, in einem anderen Level wird er zum Flipper-Ball. Sphärische Plattformen gibt es genauso wie waghalsige Gerüste, die es zu bewältigen gibt. Neben erkundungs-freundlichen Arealen finden sich aber auch eine Reihe an schnelleren Levels, die die Reaktionsgeschwindigkeit des Spielers auf die Probe stellen. Was das Level-Design anbelangt hat Sonic Team sich definitiv selbst übertroffen und ein Feuerwerk der Ideen abgefeuert, wie wir es sonst in diesem Genre definitiv nur von Nintendo kennen. Nicht jede Idee funktioniert gleich gut, jede Idee macht aber zumindest Spaß, so dass man sich nie wünscht, die Entwickler hätten sich stärker zurückgehalten. In Anbetracht der klassischen Ausrichtung des Leveldesigns und vieler wiederkehrender Elemente aus alten Sonic-Spielen schafft es Sonic Lost World mehr als jedes andere Sonic zuvor, das Gefühl einer 3D-Variation der Mega Drive-Sonics zu vermitteln. Leider ist die Sprungphysik in der Seitenperspektive teilweise etwas unintuitiv und so sind einige 2D-Level potentiell ziemlich frustrierend.

Doch Sonic ist schon seit Sonic Adventure 2 keine Spielreihe, die mit dem einmaligen Durchspielen eines Levels alles gezeigt hätte, was sie bietet. Jedes Level im Spiel verfügt über einen Time Attack-Modus, der automatisch freigeschaltet wird, sobald man das Level erstmals erfolgreich absolviert hat. Während man im normalen Durchlauf durch ein Level nach Abschluss des Levels einfach eine Punktzahl, sowie die Zahl der geretteten Tiere – die übrigens über alle Level hinweg zusammengerechnet wird – angezeigt bekommt, erhält man nach Abschluss eines Time Attack-Durchlaufs das altbekannte Ranking. Nachdem in Sonic Generations die S-Ranks geradezu verschenkt wurden und beinahe einzig entscheidend war, dass man die Level unbeschadet überstanden hat, ist Sonic Lost World wieder bedeutend strenger. Tatsächlich ist wohl seit Sonic Unleashed kein Sonic-Spiel mehr so anspruchsvoll gewesen, was die S-Ranks anbelangt. Abhängig ist das erhaltene Ranking übrigens nur von der benötigten Zeit. Auch in Levels, die sehr schwierig abzuschließen sind haben die Entwickler übrigens kaum Gnade gezeigt: Wer zu sehr auf Nummer Sicher geht, der kann sich glücklich schätzen, wenn er überhaupt einen A-Rank erreicht, für einen S-Rank muss man ein Level zumeist schon sehr genau studieren.

Der Schwierigkeitsgrad in Sonic Lost World ist aber auch, wenn man die Level einfach nur normal absolvieren möchte, erstaunlich hoch. Zwar bleibt das Spiel definitiv immer fair – und bietet auch eine Variante des Super Guides, der es nach Verlust einiger Leben erlaubt, zum nächsten Checkpoint zu springen – doch auch Jump & Run-Veteranen werden hier einige Level finden, an denen sie zu knabbern haben werden. Besonders im Time Attack-Modus, in dem es notwendig wird, die Level ohne einen Tod abzuschließen, erweisen sich einige Level als besonders biestig. Wir freuen uns auf jeden Fall, dass Sega den Mut gehabt hat, den Spieler auch zu fordern, ohne aber schwächere Spieler chancenlos bleiben zu lassen. Die Super Guide-Funktion sorgt dafür, dass auch Anfänger frustfrei durch das Spiel gelangen, wenngleich sie so natürlich nicht alles sehen werden, was Sonic Lost World zu bieten hat.

Technisch weiß Sonic Lost World sehr zu gefallen. Besonders die butterweiche Framerate von 60 Bildern in der Sekunde sorgt für eine flüssige und gelungene Spielerfahrung. Darüber hinaus punktet die Grafik des Spiels neben strahlenden Farben vor allem mit allerlei Details. Der gelungene Comic-Stil des Spiels versprüht eine hervorragende Lebendigkeit und der einzige erkennbare optische Makel ist ein erkennbarer Bildaufbau im Hintergrund. Dieser erfolgt allerdings in so weiter Ferne, dass die Spielbarkeit zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt wird. Im Grunde fällt dieses Manko nur auf, wenn man das Spiel als Zuschauer verfolgt und den Blick ein wenig abschweifen lässt. Auch musikalisch wird wie gewohnt tolle Kost geboten – das ist aber ja selbst bei den schlechtesten Sonic-Spielen bislang noch immer garantiert gewesen. Lobend hervorheben wollen wir schließlich auch die angenehm geringen Ladezeiten, die zum guten Spielgefühl ihren Teil beitragen.

Sonic Lost World ist ein wirklich gelungenes und abwechslungsreiches 3D Jump & Run, das keine Skrupel besitzt, auch funktionierende und beliebte Serien-Standards über Board zu werfen. Es ist schon etwas schade, dass der markante Adrenalinrausch, der Sonic-Spiele zuletzt ausgemacht hat, in Sonic Lost World zumeist ausbleibt, dafür kann das Spiel an anderen Fronten glänzen. Im Mittelpunkt steht dieses Mal die Erkundung der ideenreichen Level und die Suche nach der zügigsten und effizientesten Art, sich durch die Level zu bewegen. Auch wenn einige kleinere Macken bleiben – und Sonic natürlich nicht die Präzision eines Marios erreichen kann – weiß Sonic Lost World insgesamt sehr zu überzeugen und versöhnt mit seinen knackigen Time Attacks auch Langzeit-Fans, die die verlorene Geschwindigkeit missen. Sonic Lost World ist im Endeffekt eine gelungene Mischung aus klassischem Sonic mit dem Flair eines Mario Galaxy geworden.

Getestet auf Wii U.