Sonic und die geheimen Ringe (Review)

Nach Segas Ausstieg aus dem Konsolenmarkt hat Sonic besonders auf den Nintendo-Plattformen schnell ein neues zu Hause gefunden. Mit dem Generationenwechsel vom GameCube zur Wii stellte Nintendo das Sonic Team allerdings vor ein Problem. Auf Grund der drastischen technischen Unterschiede zwischen Xbox 360 und Wii gestaltete sich die angedachte Portierung von Sonic the Hedgehog (2006) auf die Wii äußerst schwierig. Kurzerhand entschied man sich, aus dem angefangenen Port stattdessen ein eigenes Spiel zu machen: Sonic und die geheimen Ringe. Doch kann aus den Überresten eines Ports eines Totalausfalls ein passables Spiel werden?

Sonic und die geheimen Ringe spielt in einer an Tausendundeine Nacht angelehnten Welt. Sonic wird nach der Lektüre eines Märchenbuchs in der unbekannten Umgebung geweckt und natürlich umgehend um Hilfe gebeten. Statt Dr. Robotnik hat diesmal allerdings ein Dschinn für Probleme gesorgt. Erazor Dschinn löscht nämlich die Seiten des Märchenbuchs und gefährdet so das Leben seiner Einwohner. Nur Sonic kann es mit dem Dschinn aufnehmen, wie ihm der gute Ringgeist Shara mitteilt. Als gutherziger Heldenigel macht Sonic sich gleich auf, die Welt von Tausendundeinere Nacht zu retten.

Anders als die meisten 3D Jump & Runs verwendet Sonic und die geheimen Ringe den Nunchuk-Controller nicht. Stattdessen wird das Spiel nur mit einer seitlich gehaltenen Wii-Fernbedienung gespielt. Das bedeutet aber zum Glück nicht, dass man Sonic mit dem Steuerkreuz steuern muss. Stattdessen steuert man den blauen Igel durch Neigung der Wii-Fernbedienung. Um das nicht allzu nervig zu gestalten, setzt Sonic und die geheimen Ringe (fast) auf eine Autorunner-Mechanik. Das heißt, dass Sonic automatisch nach vorn läuft und man durch Neigung nach links und rechts nur die Richtung wählt, in die Sonic läuft. Insofern erinnert Sonic und die geheimen Ringe natürlich an die Mach Speed-Sequenzen aus Sonic the Hedgehog, doch zum Glück hat man (erstaunlicherweise) bedeutend mehr Kontrolle über Sonic und die Level sind wesentlich besser designt als die eher chaotischen Hochgeschwindigkeitsabschnitte in Sonic the Hedgehog.

Dennoch ist es allerdings möglich, anzuhalten und sich – ein wenig tapsig – rückwärts durch das Spiel zu bewegen, indem man die Wii-Fernbedienung nach hinten kippt. Viele weitere Fähigkeiten schaltet man im Laufe des Spiels frei, so dass am Ende des Spiels die Knöpfe der Wii-Fernbedienung voll ausgelastet sind und das Spiel, besonders in Anbetracht seiner Auto-Runner Eigenschaft, erstaunlich komplex wird. Die Spielgeschwindigkeit ist zu Beginn des Spiels nur ein wenig höher als in den Adventure-Spielen, allerdings kommt Sonic und die geheimen Ringe mit einem Erfahrungspunkte-System daher, das dem Spieler mit der Zeit erlaubt, eine immer größere Zahl an Bonusringen zu tragen. Diese Bonusringe verleihen Sonic zusätzliche Fähigkeiten und machen ihn bedeutend schneller. So schnell, dass Sonic und die geheimen Ringe bei maximaler Laufgeschwindigkeit einen sehr hohen Anspruch an die Reaktionsgeschwindigkeit stellt.

Auch wenn die Möglichkeit, Sonics Fähigkeiten individuell zusammen zu stellen und an die einzelnen Missionen im Spiel anzupassen, durchaus interessant ist, ist das Erfahrungspunktesystem eher nervig. Insbesondere hat es zur Folge, dass man zu Beginn des Spiels nahezu zwangsläufig in fast allen Missionen schlechte Wertungen erhält. Am Ende einer jeden Mission erhält man nämlich eine Bronze-, Silber- oder Goldmedaille und besonders in den klassischen Jump & Run-Missionen ist es ausgeschlossen, Gold zu erhalten, ohne die Geschwindigkeitsbooster ausrüsten zu können. Auf der anderen Hand ist es aber so, dass die volle Auswahl an Booster-Ringen wahrscheinlich die meisten Spieler zu Beginn überfordern würde. Zum Glück ist kein Grinding notwendig, um Sonic in eine Form zu bringen, dass er alle Missionen mit Goldmedaille abschließen kann.

Erstmals seit Sonics 3D Debüt kann man Sonic und die geheimen Ringe ausschließlich mit Sonic durchspielen. In der Tat sind Sonics Freunde in diesem Spiel nicht einmal spielbar, außer man wagt sich an den – enorm schlechten – Minispielmodus. Leider bedeutet das aber nicht, dass es keine schlechten Missionen in Sonic und die geheimen Ringe gibt. Denn auf Grund der hohen Spielgeschwindigkeit hat Sonic Team einen enormen Designaufwand für die einzelnen Level und versucht daher, die Spielzeit mit zusätzlichen Aufgaben in den einzelnen Umgebungen zu strecken. Viele Missionen sind auch durchaus spaßig und variieren das Leveldesign so stark, dass sie nicht negativ auffallen. Es gibt aber leider auch eine Menge Sammel- und Kampfmissionen, die schlechtweg Mist sind. So gibt es beispielsweise eine Mission, in der man Dinosauriereier sammeln muss, die geradewegs fürchterlich ist. Nichtsdestotrotz ist der Großteil der Level und Missionen sehr gut und es ist erstaunlich, wie viel Spieltiefe die Entwickler aus dem auf den ersten Blick äußerst reduzierten Spielprinzip herausgeholt haben. Nicht weniger erstaunlich ist, wie gut das kuriose Steuerungskonzept im Endeffekt mit der Idee hinter Sonic zusammen geht.

Insgesamt ist Sonic und die geheimen Ringe ein sehr gut gelungenes Experiment, das über viele Stunden Spaß und Motivation bietet und bis heute trotz zahlreicher Autorunner, die in der Zwischenzeit erschienen sind, klar aus der Masse hervorsticht. Als eines der komplexesten und anspruchsvollsten Runner-Spiele gehört das Spiel auf jeden Fall in die Sammlung aller Wii-Besitzer mit Interesse an 3D Jump & Runs. Kurios übrigens: Sonic und die geheimen Ringe sieht grafisch – abseits der Auflösung – merklich besser aus als das Xbox 360 Spiel Sonic the Hedgehog.

Getestet auf Wii.