Heart Chain Kitty (Review)

Die Unity Engine hat mit ihrer einfachen Verfügbarkeit und einsteigerfreundlichen Aufbau zu einer enormen Diversifikation der Videospiellandschaft beigetragen. Selbst Einzelentwickler haben jetzt die Möglichkeit, einfache, aber auch komplexe Spielideen auf aktueller Hardware umzusetzen. Besonders ambitioniert hat sich hier das österreichische Ein-Mann-Team Origami Hero bei dem Spiel Heart Chain Kitty für Nintendo Switch gezeigt. Das Spiel ist ein umfangreiches 3D Jump & Run mit einem äußerst ungewöhnlichen Stil und einem erstaunlich hohen Umfang.

In Heart Chain Kitty schlüpft man in die Rolle des kleinen dicken Katzenjungen Kittey. Im Auftrag eines mysteriösen Herzförmigen Typen namens Herzington macht Kittey sich auf die Suche nach seinen Eltern und knapp 200 in der Welt verstreuten Herzen. Die Geschichte wird in Textform im Verlauf des Spiels erzählt und ist für das Genre erstaunlich umfangreich. Stellenweise wird die Geschichte auch ein wenig düster, da sie sich in gewisser Weise auch um den Tod dreht, kann aber mit einem sehr skurrilen Humor aufwarten, der dem Spiel eine sehr eigene Note gibt.

Spielerisch ist Heart Chain Kitty im Grunde genommen ein Collectathon Jump & Run, das aber klassische Levelziele, Missionsbasiertes Spieldesign und zentrale Sammelgegenstände miteinander verbindet. Das ist durchaus ambitioniert, hat aber auch seine Probleme. Auffällig ist hierbei zunächst ein Orientierungsproblem, das in Collectathon Jump & Runs üblicherweise tatsächlich eher selten ist, da schon die ersten Vertreter, Super Mario 64 und Banjo-Kazooie, eine subtile, aber hervorragend funktionierende Strukturierungsidee über die Sammelgegenstände umgesetzt haben. In Heart Chain Kitty gibt es zwei verschiedene Sammelgegenstände: Herzen und Münzen. Die Herzen nehmen dabei eine Funktion etwa vergleichbar mit den Sternen oder Puzzleteilen der vorgenannten Vorbilder ein, sind also die zentralen Levelziele. Die Münzen sind allerdings viel zu rar, um die Funktion des Nudgings zu erfüllen, die die häufigeren Sammelgegenständen in den besten Genrevertreten haben. Stattdessen sind die Münzen eher versteckte Goodies, können aber nicht dazu beitragen, den Spieler durch das Spiel zu navigieren.

Wie sehr das zum Problem wird, variiert sehr stark von Level zu Level. Ausgerechnet eines der ersten Level, die man im Spiel betritt, Kitty Island, ist ausladend groß und meiner Erfahrung nach sehr schwer zu navigieren, da es nur sehr wenige große Ankerpunkte gibt und die Pfade durch das Level recht intransparent erscheinen. Hinzu kommt, dass man in den ersten Stunden noch nicht über alle Grundmanöver verfügt und das Spiel nur unzureichend kommuniziert, wie die Spielstruktur genau gedacht ist. Die kleine Karte am Bildschirmrand wird zwar erläutert, aber selbst die Wegführung über die Ausrufezeichen auf der Karte ist zu Beginn des Spiels leider recht verwirrend, da teilweise recht insignifikante Nebentätigkeiten mit Ausrufezeichen markiert werden (und bleiben), während sogar spielentscheidende Aufgaben kein Ausrufezeichen spendiert bekommen. Ein großer Teil der Level im weiteren Verlauf sind hingegen sehr linear aufgebaut, so dass es hier keine Orientierungsprobleme gibt. Kurioserweise gibt es kurz vor Ende des Spiels noch einmal ein großes, frei begehbares Gebiet, in dem man vier Schalter aktivieren muss, das bedeutend besser über markante Punkte und transparente Wegführung navigierbar ist, als die Insel zu Beginn des Spiels.

Das Moveset von Kittey ist von überschaubarer Größe. Zu Beginn kann Kittey nur laufen und springen, relativ schnell kommt aber ein einfacher Angriff hinzu – überlebensnotwendig, denn auf Gegnerköpfe zu springen erweist sich als äußerst hakelige Angelegenheit und wird zu einem frühen Stressor im Spiel – sowie die Möglichkeit, nach dem Sprung zu segeln. Etwas später kommt noch eine Magnetfähigkeit hinzu, die allerdings leider nur auf verhältnismäßig simple Weise genutzt wird – jedenfalls bei den Herzen, die ich im Spiel gesammelt habe. Hier ist auf jeden Fall etwas Potential verschenkt worden. Ein Wort an dieser Stelle noch zur Segelfähigkeit: Obwohl diese früh sehr wichtig wird, ist diese Fähigkeit eine, die im Spiel leicht zu übersehen ist und im Heimatdorf Kitteys käuflich erworben werden muss. Das hiermit verbundene Signal, dass man Münzen sparen sollte, um sich wichtige Fähigkeiten kaufen zu können, sobald sie verfügbar werden, sollte man hingegen gleich wieder vergessen: Alle anderen Fähigkeiten erhält man im Verlauf des Spiels automatisch. Man kann seine übrigen Münzen also ohne schlechtes Gewissen für Gesundheits- und Kraftupgrades, sowie Karten der einzelnen Level ausgeben.

Die Sprungmechanik fühlt sich ein wenig floaty an, und ist in seltenen Fällen etwas verbugt – so kann es passieren, dass Kittey am Boden festklebt und nicht mehr springen kann, bevor man einen anderen Untergrund betritt, ist aber insgesamt solide. Kämpfe hingegen fühlen sich meistens ziemlich hakelig an und besonders die Kämpfe gegen die kleinen Standardgegner schaden der Spielerfahrung meines Erachtens mehr als sie der Abwechslung dienlich wären. Die Endgegner sind hingegen etwas unterhaltsamer, wenngleich sie sich meistens ähnlich sind. In sehr vielen Fällen basieren die Endgegner vorrangig darauf, allen Angriffen auszuweichen und bei Projektilangriffen die roten Projektile zurückzuschlagen. Trotz der mechanischen Nähe der verschiedenen Endgegner fühlen die Endgegner sich aber individuell genug an, dass sie nicht ermüdend sind.

Das Leveldesign in Heart Chain Kitty setzt auf eine ausgewogene Mischung aus Geschicklichkeitsaufgaben und Erkundung, wobei die Schwierigkeit des Spiels insgesamt durchschnittlich ist, aber im Spielverlauf stark fluktuiert. Das reine Erreichen der Missionsziele ist nicht sonderlich schwierig, allerdings sollte man von Beginn an Zeit in das Aufspüren und Sammeln der versteckten Herzen investieren. Zwar benötigt man weniger als die Hälfte der Herzen um das Spiel erfolgreich abzuschließen, allerdings gibt es nur sehr wenige Hürden im Spiel, die an Herzen gebunden sind. Nach zwei kleinen Hürden im ersten Spielviertel häufen sich ganz zum Schluss plötzlich die Herzschranken und wenn man zwischendurch nicht fleißig war, kann die schnelle Abfolge von Herzschranken in der Spielphase frustrierend werden.

Apropos Frust sei an dieser Stelle noch eine Warnung hinsichtlich des unorthodoxen Speichersystems ausgesprochen. Die Sammelgegenstände werden nicht automatisch gespeichert. Selbst wenn man ein Herz sammelt, verliert man dieses wieder, wenn man vor dem Erreichen eines Speicherpunkts sein Leben lässt. Diese Entscheidung ist nicht nur ungewöhnlich, sondern auch recht fragwürdig, da das den Erkundungsdrang sehr hemmt und wiederholt zu unnötigem Frust führen kann, wenn man durch eine unglückliche Unachtsamkeit von einem kleinen Gegner über den Jordan befördert wird, während man sein hart erkämpftes Herz in Sicherheit bringen möchte. Designtechnisch gibt es nur sehr wenige Stellen im Spiel, die diese Designentscheidung unterstützen und in allen Fällen, die durch direktes Speichern des Sammelns von Sammelgegenständen erleichtert würden, gäbe es sehr einfache Modifikationen, um das zu verhindern.

Ein Wort muss auf jeden Fall zur Technik in Heart Chain Kitty verloren werden. Der optische Stil ist sehr ungewöhnlich und sicherlich eine Geschmacksfrage. Das gesamte Spiel ist durchzogen von spiegelnden Flächen in ungewöhnlicher Farbgebung. Obgleich die Spiegelungen nicht echt sind, gehen die oft sehr große Levelarchitektur zusammen mit dem teuren Glanzeffekt aber massiv zu Lasten der Switch. Die Framerate im Handheldmodus (in dem ich das Spiel vorrangig gespielt habe) ist instabil auf einem ohnehin schon niedrigen Niveau, obendrein ist die Auflösung des Spiels, abseits der UI Elemente außerordentlich niedrig. Meinem Augenmaß nach dürfte die Auflösung des Spiels unter SD sein. Darüber wird dann ein aggressiver Anti Aliasing Effekt gelegt, der nostalgische Nintendo 64 Erinnerungen wecken dürfte, aber Heart Chain Kitty auch zu einem anstrengenden Spielerlebnis macht. Die Musik ist kein absolutes Highlight, ist aber atmosphärisch und passt zum Spiel. Ein prominentes Stück erinnert ein wenig an ein Stück aus Croc, was in meinen Ohren immer eine gute Sache ist.

Insgesamt ist Heart Chain Kitty ein ambitioniertes und kreatives Spiel, das aber einige Macken hat, die insbesondere den Einstieg in das Spiel sehr unangenehm machen können. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, wird grade in der hinteren Spielhälfte einige gelungene Leveldesigns finden und sicherlich einige Stunden Spaß mit dem Spiel haben. Dennoch ist Heart Chain Kitty klar ein Spiel nur für Genreliebhaber, denn trotz einer löblichen Eigenständigkeit kann es sich keineswegs mit den Größen des Genres messen.

Vielen Dank an Origami Hero Games für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Nintendo Switch.