
Bei einem Blind Date gäbe es sicher einige, seltsame Überraschungen. Euch könnte eine Taube gurrend gegenübersitzen. Ein ausgestorben-geglaubter Dinosaurier könnte euch auf einen prähistorischen Snack einladen. Oder euer Datingpartner könnte sich plötzlich vor euren Augen in ein scharfes Schwert verwandeln. Letztgenanntes könnte euch neuerdings passieren, wenn ihr Boyfriend Dungeon einen Besuch abstattet. Das seltsame Rollenspiel mit Dating-Sim-Elementen kam erst kürzlich auf den Markt und lässt uns mit schneidigen Liebhabern und Liebhaberinnen Gefühle austauschen sowie durch Dungeons voller Monster schnetzeln. Weil alles so seltsam klingt, musste ich mir einfach selber ein Bild vom Spiel machen. Und irgendwie hat es mir trotz einiger Makel erstaunlich gut gefallen!
Liebe und Tod versteckt im Boyfriend Dungeon
Verona Beach, hier werden Träume wahr. Zumindest wenn man davon träumt, dass das eigene Kind doch endlich endlich (endlich!) mal ein Date hat. Und so verschlägt es uns auf Drängen unserer Mutter zu Cousin Jesse für den Sommer in die aufregende Küstenstadt. Er greift uns unter die Arme und organisiert erste Dates, während wir gleichzeitig unser Taschengeld in Dungeons aufbessern. Wir erkennen allerdings schnell, dass Jesse uns keine Dates organisieren muss. Ausgerüstet mit dem Degen Isaac, der sich jederzeit von seiner menschlichen in eine Waffenform verwandeln kann, erkunden wir die gefährlichen Dunj. Und dort lernen wir auch unsere wahren Datingpartner:innen kennen.
Als Trägerin Kim habe ich mich also tief in die Dungeons gewagt und nach und nach neue Waffen kennengelernt, die viel interessanter waren als die von Jesse organisierten Dates. Insgesamt stehen uns über den Verlauf von Boyfriend Dungeon mehrere Waffen zur Verfügung, mit denen wir nicht bloß Monster metzeln. Stattdessen offenbart der sehr diverse Cast an Charakteren kurze, aber zuweilen interessante Geschichten aus deren Privatleben. In diesen netten, optionalen Rand Stories hinterlassen die Welt und die Figuren aus Boyfriend Dungeon einen gelungenen und sympathischen Eindruck.

Das große Gesamtpaket der Storywelt ist hingegen nicht ganz so eindrucksvoll. Der Plot plätschert ohne große Höhen und Tiefen spannungsarm dahin. Wie eine Kulisse, die den Spielablauf nicht wirklich stören will und lediglich einen Rahmen bietet. Das Spiel bemüht sich dabei um einen lockeren Ton, übertreibt aber stellenweise mit seiner Fokussierung auf das Dating als Sinn und Zweck allen Lebens. Trotz Fantasy, Esoterik und Verwandlungen wirken die Nebengeschichten bodenständiger und durchdachter wirken. Somit fällt die Haupthandlung im Vergleich extrem dazu ab.
Ein Sommer voller Liebe und Monster
Boyfriend Dungeon ist für ein Rollenspiel ein relativ kleines Spiel. Sieben Waffen stehen zum Daten und Kämpfen bereit, lediglich zwei Dungeons umfasst die Spielwelt. Gerade einmal acht Stunden habe ich benötigt, um das gesamte Spiel beinahe zu komplettieren. Doch trotz der Kürze seiner Spielzeit schafft es Boyfriend Dungeon relativ viel Inhalt zu transportieren, auch wenn sicherlich die bei Kickstarter vom Entwicklerteam versprochenen, aber im Endeffekt erst später durch Patches hinzukommenden, zusätzlichen Inhalte nicht geschadet hätten.
Spielerisch besteht Boyfriend Dungeon aus zwei Segmenten. Die Grundbasis bildet ein simples Dungeon-RPG, in dem wir mehrere Ebenen durchstreifen, Monster erledigen und Ressourcen sammeln. Damit verzahnt sind die Visual Novel-Abschnitte, in denen wir uns mit den menschlichen Waffen verabreden und sie näher kennenlernen können. Dies ist besonders dann sinnvoll, wenn wir die Waffen schneller aufleveln und mit verbesserten Fähigkeiten stärkere Ebenen erkunden wollen. Leider verschiebt sich dadurch der Zweck des Datings weg von der Narrative und dem Kennenlernen unserer Dates hin zu einer spielerischen Notwendigkeit.

Das Kampfsystem von Boyfriend Dungeon ist simpel, wir haben einen Standard- und einen verstärkten Angriff sowie die Option mit einer Rolle auszuweichen. Dadurch gestalten sich die Kämpfe vielleicht nicht so variabel und flüssig wie bei bspw. einem Hades, wirken aber dennoch rund. Unsere Waffenfreund:innen steuern sich minimal unterschiedlich, vor allem in ihrer Geschwindigkeit. Erst mit ihren späteren Fähigkeiten kommt mehr Varianz ins Spiel. So erhält Isaac als Degen Kontern und Parieren, während Sunder Gegner durch Blutungen zusätzlichen Schaden macht. Insgesamt sechs Level mit stellenweise frei wählbaren Fähigkeiten bieten sie uns, so dass wir sowas ähnliches wie einen persönlichen Kampfstil entwickeln können.
Von allem etwas, aber leider zu wenig Handfestes
Dass Boyfriend Dungeon aber nie groß über seinen Status als kurzweiliges Rollenspiel ohne großes Engagement von Spielerseite aus hinauskommt, liegt an den vielen guten, aber nie komplett zu Ende gedachten Ideen. Alle Waffen können wir durch Dating oder durch Vorankommen in den Dungeons aufleveln. Dies geschieht aber letzten Endes aufgrund von Geschenken und in Dungeons versteckten Treffpunkten so schnell, dass wir schnell an die erforderlichen Levelgrenzen stoßen und erst einmal auf ein Date gehen müssen. Boyfriend Dungeon ist prinzipiell darauf ausgerichtet, dass man seine Waffe oft wechselt und somit auch jede Datinggeschichte komplettiert. Hilfreich ist dabei, dass nach jeder Ebene ein Statusüberblick erfolgt und wir unsere Waffe ändern können.

Unsere Figur levelt gleichzeitig durch Erfahrungspunkte, die an unterschiedliche Faktoren geknüpft sind, auf. Dadurch werden wir stärker und halten mehr bzw. stärkere Treffer aus. Leider lassen sich die Werte nicht komplett einsehen und wir haben auf diese Weise erst dann einen Eindruck davon, wie stark wir gegen Monster sind, wenn wir diesen Schaden zufügen. In den Dungeons finden sich zahlreiche Items und Rezepte, die wir zum Craften von Geschenken oder magischen Magazinen benötigen, sowie Geld oder Heilgetränke. Jedes Rezept lässt sich allerdings nur einmal nutzen, damit Geschenke einzigartig bleiben, und die vorhandenen Shops bieten ihrerseits wenig Auswahl. Die Folge ist im späteren Spielverlauf ein große Masse an überflüssigem Geld sowie Ressourcen, für die wir keinerlei Verwendung mehr haben.
Magazine hingegen geben unserer Figur einen einmaligen Magieeffekt, der allerdings meiner Erfahrung nach in den Kämpfen relativ unpräzise war. Sinnvoller sind da schon die hergestellten Kleidungsstücke, die einen zusätzlichen Effekt wie verdoppelter Schaden oder eine größere Sichtweite verleihen.
Stelle dich deinen Ängsten!
Öfter hatte ich das Gefühl, dass Boyfriend Dungeon ein wenig versucht hat sich einiger Elemente der mittlerweile populären Persona-Reihe zu bedienen. Waffen und Dating versprechen Bonusfähigkeiten für den Kampf im Rahmen einer mehr oder weniger linearen Nebenhandlung. Und auch die Gestaltung der Dungeons zielt ein wenig darauf ab, die Psyche unserer Spielfigur zu repräsentieren. In diesen stellen wir uns “unseren Ängsten” und treffen daher auf Gegner, die diese Ängste repräsentieren sollen. Leider wirkt es auch hier nur stellenweise zu Ende gedacht: Angst vor Veränderung wird beispielsweise wörtlich genommen und durch technologischen Fortschritt visualisiert. Gleichzeitig greift der Bossgegner dieser Angst einen anderen und psychologisch nachvollziehbareren Aspekt auf.

Schwerer wiegt da eher das spielerische Gegnerdesign, welches nur wenige Experimente wagt. Handys mit Zähnen werden später im Dungeon stärker und anders gefärbt, im zweiten Dungeon übernimmt allerdings dieselbe Angriffsrolle ein Cocktail. Die Gefechte spielen sich durch das sehr kleine Repertoire an Gegnern sehr ähnlich, wodurch die wenigen Nuancen durch die Waffen kaum zur Geltung kommen. Und da wir sehr schnell aufleveln – egal ob im Erfahrungs- oder Liebeslevel – fehlt dem sehr monotonen Gegnerfeld ein wenig die Herausforderungen. Lediglich die Bosskämpfe tanzen hier ein wenig aus der Reihe und erfordern mehr strategisches Denken als stumpfes Buttonmashing.
Ich würde Boyfriend Dungeon 2 nochmal daten
Insgesamt klingt meine Review negativer, als ich Boyfriend Dungeon wirklich empfunden habe. Ich hatte in den wenigen Stunden viel Spaß, auch wenn mich thematische und spielerische Probleme hin und wieder daran erinnert haben, dass dieses Spiel über mehr Potenzial als eigenständige Qualität verfügt. Es sind viele gute Ideen vorhanden, ohne dass eine einzelne Idee wirklich ausgefeilt wird. Die Hybride aus Rollenspiel und Visual Novel-Dating Sim kann funktionieren, braucht aber in einem eventuellen Nachfolger mehr Feinschliff. Dann bin ich aber trotz aller Schwächen auch gerne wieder dabei.

Getestet auf PC. Ein herzlicher Dank geht an Kitfox Games für die Bereitstellung des Mustercodes.