Kunai (Review)

Artwork des Action-Platformers Kunai mit Protagonist Tabby im Vordergrund unter dem Titelschriftzug. Im Hintergrund sieht man RUinen sowie eine rote, bedrohlich gezeichnete Robotoergestalt.

Eine große Sammlung von Videospielen, egal ob physisch oder digital, ist Fluch und Segen zugleich. Es ist eigentlich immer das richtige Spiel vorhanden, um den Tag zu retten. Aber bis sich dieses Spiel offenbart, fließt unter Umständen viel Wasser den Rhein hinunter. Und so stand ich wieder einmal eine Weile vor meinem Regal und suchte nach einem würdigen Nachfolger nach zwei vermeintlichen GOTY-Kandidaten 2021. Die Wahl fiel auf Kunai für Nintendo Switch, weil in der Sekunde, in der ich den Rücken der Verpackung gelesen habe, Bauch und Kopf unisono gesagt haben: »Das!« Manchmal braucht es nicht mehr Gründe.

Kunai-Ninja gegen den Rest der Welt

Kunai handelt von einer apokalyptischen Welt, in der eine böse, rote Roboter-Regierung die Überreste dieser kontrolliert, nachdem eine noch bösere Entität die Menschheit ausgelöscht hat. Wir schlüpfen dabei in die Rolle des Tablet-Androiden Tabby, in dem die Seele eines verstorbenen Ninjas zurückgekehrt ist. Schnell schließen wir uns einer blauen Revolutionsarmee an und gehen mit den titelgebenden Kunai sowie einem Katana auf eine spektakuläre Reise, um dem Zerstörer der Welt ein für alle Mal das Handwerk zu legen.

Die Handlung von Kunai spielt allerdings eine untergeordnete Rolle und dient vor allem dafür die einzelnen Setpieces miteinander in einigermaßen logischen Einklang zu bringen. Die Action steht bei diesem Spiel im Vordergrund und das niederländische Studio TurtleBlaze hat das Kampfsystem sowie das Gegnerdesign richtig gut für diese Zwecke umgesetzt. Waffen, die wir über den Verlauf des Spieles freischalten, bieten ein großes Repertoire an Möglichkeiten. Gehe ich mit meinem Katana in den Nahkampf und generiere so wieder ein wenig mehr Leben? Oder puste ich dem Gegner mit einem Schuss des Raketenwerfers aus sicherer Entfernung das Licht aus?

Screenshot aus Kunai. Bossarena Müllsammler mit Tabby unten in der Mitte in blauem Gewand sowie Bossgegner in der Luft schwebend. Im Zentrum ein Felsblock in der Luft.
Der Müllsammler ist einer der ersten, abwechslungsreichen Bosse von Kunai

Dabei gilt es, egal ob Standardgegner oder Bosse, das sehr variable Feld von Feinden kennenzulernen und sich die richtige Taktik zurecht zu legen. Einige blocken gekonnt unsere Angriffe. Einige andere bewegen sich agil mit Hilfe von Sprüngen oder Teleportationen durch das Level und bedrängen uns von allen Seiten. Und wieder andere verursachen so viel Schaden an Tabby, dass wir besser alternative Strategien anwenden sollten. Demselben Phänomen begegnen wir bei den Bosskämpfen, die von uns unterschiedliche Aspekte des Kampfsystems und Platforming abverlangen. Gerade nachdem ich mit Returnal sowie dem neuen Ratchet & Clank zwei starke Actioner abgeschlossen habe, befürchtete ich hier ein wenig Ernüchterung. Doch im Rahmen seiner spielerischen Möglichkeiten braucht sich Kunai nicht zu verstecken.

Tablets sind nicht als Akrobaten geeignet

Leider unterstützt abgesehen vom sehr dynamischen Sound- und Musikdesign der Rest von Kunai die fokussierte Action nur bedingt. Ein großer Aspekt, der sich direkt mit dem Kampfsystem verzahnt, ist die Fortbewegung bzw. das Platforming. Die titelgebenden Kunai sind hier Dreh- und Angelpunkt und dienen über die Schultertasten als Enterhaken auf der linken oder rechten Seite. Auf diese Weise sollen wir durch die Level schwingen, knifflige Passagen überwinden und eventuell einen Vorteil in den Kämpfen gewinnen. Abgesehen von den Bossgefechten klappt dieses Vorhaben allerdings nur bedingt.

Screenshot aus Kunai. Raum mit Tabby im Zentrum, der an einem Seil an der Decke hängt und über einen Abgrund schwingt.
Vorsichtig ein Kunai nach dem anderen, sonst geht es tief hinab

Steuerungstechnisch und physikalisch ist das Schwingen simpel: Man wirft mit ZR ein Kunai nach rechts, hakt sich in der Wand fest und schwingt sich durch die engen Gänge. Vice versa auf der linken Seite. Es kann allerdings vorkommen, dass die Enterhaken in den Wänden nicht festhalten. Zwar gibt es Wände, die ein Kunai nicht durchdringen kann, dieses Phänomen tritt aber auch bei “normalen” Wänden auf. Ein zweiter Versuch unter den selben Bedingungen wiederum gelingt. Diese Unvorhersehbarkeit gestaltet präzise Manöver hin und wieder zu einem Produkt des Zufalls.

Ebenso kann es passieren, dass in der Hitze des Gefechtes optimale Stellen für unser Kunai übersehen werden. Grund dafür ist der eigentlich sehr hübsche Retro-Pixellook des Spiels, der allerdings aufgrund seines Kontrastes und seiner Farbpalette diffuse Unterschiede verschwimmen lässt. Beinahe können wir froh sein, dass die Platforming-Passagen innerhalb der Levelstruktur so selten, wenig herausfordernd und unkreativ sind. Aber auch nur beinahe.

Auf ewiger Wanderschaft durchs Nirgendwo

Dies führt allerdings zum nächsten Punkt bei dem mein Bauch und Kopf nicht mehr komplett im Einklang zueinander stehen. Das Leveldesign von Kunai ist nicht wirklich gut. In typischer Metroidvania-Manier gibt es ein dichtes Netzwerk von Gängen und geheimen Pfaden, in denen sich Gegner tummeln und Schatztruhen versteckt sind. Leider kommuniziert das Spiel schlecht darüber, welcher Pfad zu einem Schalter führt, den man für relevante Aktionen benötigt. So entstehen dann teilweise Laufwege wie auf dem Screenshot unterhalb dieser Zeilen, die nahezu komplett aus Backtracking bestehen.

Screenshot einer Karte im tabOS des Spiels. Darstellung eines einzelnen Areals.
Der Weg zum ? war bereits vorher frei, erst Schalter bei Tabby hat eine zusätzliche Tür geöffnet

Diese langen Wege sind häufig normal im Genre, allerdings füllen andere Titel ihre Karten besser. Versteckte Pfade zu Truhen sind zumeist unsichtbare Pfade hinter einer Wand. Genre-typische Pfade, die nur mit bestimmten Items oder Fähigkeiten betreten werden können, führen seltener zu Truhen, sondern sind oftmals nur für die Handlung des Spiels notwendig. 

Wenn man allerdings die langen und spielerisch recht mauen Wege durch die engen Gänge auf sich nimmt, belohnt Kunai mit einigen Extras. Die Truhen hinter den mehr oder weniger versteckten Pfaden können ebenso Gegner wie Geld bereitstellen, mit dem sich einige Upgrades für Tabby freischalten lassen. Sie können allerdings auch Teile eines Herzcontainers für mehr Leben oder kosmetische Hüte für Tabbys Tabletkopf beinhalten, die ansonsten keine spielerische Relevanz besitzen. Es lohnt sich daher, alle Areale gut abzusuchen, leider bietet die Karte wenige Informationen abseits von offensichtlichen Pfaden. Zudem kann man nur das Areal per Karte anschauen, in dem man sich bereits befindet. Einen Überblick über andere Areale erhalten wir nur, wenn wir diese besuchen.

Viele, kleine Risse im guten Kunai-Fundament

Gegnerische Roboter hingegen sind durch die häufigen Gefechte und ihrer geringen Zahl nach einer Weile kein großes Hindernis mehr. Stattdessen können wir so unser Leben abseits von Speicherpunkten auffrischen, weil das Katana seinen Schaden in Leben für Tabby umwandelt. Die Herausforderung für ein Areal ist dementsprechend niedrig, da selten auf das Leben geachtet werden muss.

Screenshot aus Kunai. Gang mit mehreren Kreissägen als Hindernis für Tabby.
Ein Pömpel auf dem Kopf hilft nicht beim Platforming – aber wen schert es?

Die Fortbewegung durch die Level via Kunai-Enterhaken oder später einen Doppelsprung und einen Dash fühlt sich oftmals nicht intuitiv und optimal in das Leveldesign integriert an. Lange Wanderschaften durch die Areale wirken dadurch eher, als strecken sie das Spiel unnötig. 

Dieser Verdacht keimt auch zum Schluss nochmal auf: Wenn das Spiel in seinen letzten Akt einbiegt, wirft uns Kunai erstmals Gegnerwellen in abgeschlossenen Arenen entgegen. Das Gegnerdesign zeigt hier einerseits, dass ein wilder Mix der unterschiedlichen roten Roboter in einer Arena für eine frische Abwechslung zu der “Laufkundschaft” vorher sorgen kann. Wenn allerdings andererseits in fortlaufender Folge in fünf Arenen jeweils drei oder vier Wellen genutzt werden, bevor es anschließend zum finalen Boss geht, wirkt es stark danach, als seien dem Entwicklerstudio kurz vor Schluss die Ideen ausgegangen.

Kunai hat bei mir für einige sehr spaßige Stunden gesorgt, die sich vor allem aufgrund der großen Gegnervielfalt und der Kämpfe ergeben haben. Leider wirkt das Spiel aber als Metroidvania und als Platformer nicht zu Ende designt und stellenweise zäh. Potenzial wäre vorhanden gewesen, stattdessen ergibt sich oftmals der Eindruck, dass ein kürzeres Spiel einen besseren Eindruck hinterlassen hätte.

Gespielt auf Nintendo Switch.