Edge of Eternity (Review)

Als Edge of Eternity bei uns in der Redaktion eingetrudelt ist, kam die Frage auf, wer Lust hat, ein JRPG zu testen. Ohne jegliches Vorwissen zum Spiel habe ich mir einen 30-sekündigen Trailer angesehen und mich dann sofort gemeldet. Es war ein richtig schönes Erlebnis, mal wieder ein Spiel zu entdecken, von dem ich vorab überhaupt nichts gewusst habe. Mittlerweile habe ich gelernt, dass das kleine Indie-Studio Midgar in Südfrankreich zunächst nur aus vier Personen bestand. In der Early-Access Phase hatten sie so viel Erfolg mit dem Spiel, dass sie ihr Team expandieren konnten und mittlerweile mit 13 Personen daran arbeiten.

Als erstes fiel mir das Sounddesign als besondere Stärke auf. Gerade für einen Indie-Titel ist das Niveau der Sprecher extrem hoch. Auch die Musik wirkte stets wie für den Moment gemacht und das Sounddesign lässt sogar den Schnee, den man durchschreitet, mit einem befriedigenden Knirschen unter den Füßen knacken.

Getrübt wird dieses Highlight jedoch ein wenig durch die etwas holprige Integration. So ist z.B. Lippensynchronisation scheinbar ein Fremdwort gewesen. Zum anderen werden die tollen Sprachsamples recht schnell repetetiv und man erkennt, dass man noch viele Stunden lang die gleichen Sprüche zu hören bekommen wird.

Die Charaktermodelle sind solide, aber mit Sicherheit Geschmacksfrage. Wer die offensichtliche Liebeserklärung der Entwickler an Final Fantasy nicht teilt, der wird mit dem Stil des Spiels wohl nicht warm werden. Die Animationen der Modelle erinnern jedoch eher an die frühe PS3 Ära. Die abgehackten und unkoordiniert wirkenden Bewegungen haben mich anfangs sehr stark abgeschreckt. Sieht man jedoch erst einmal über diese Makel hinweg, erkennt man, wie viel Liebe zum Detail überall in diesem Spiel steckt. Das Storytelling erfolgt hauptsächlich über Zwischensequenzen, die man so auch aus früheren Ablegern der Tales of Serie kennen könnte.

Gleich zu Beginn erlebt man die Hintergrundgeschichte des Hauptcharakters Daryon, einem jungen Soldaten. In diesem, zwar recht eng geführten, aber interaktiven Tutorial, lernt man alle grundlegenden Spielmechaniken kennen und kann mit dem Gameplay experimentieren. Allerdings hält das Spiel sich dabei nicht mit folgeschweren Wendungen zurück, die dann letztendlich zum Klimax dieses Kapitels führen.

Die Geschichte von Edge of Eternity folgt Daryon und Selene, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ein Heilmittel für die Zersetzung zu finden. Diese ungewöhnliche Krankheit greift überall in der Fantasywelt von Heryon um sich und scheint irgendwie mit den außerirdischen Eindringlingen, die aus einem SciFi Franchise stammen könnten, zusammenzuhängen. Aus persönlichen Gründen hat Daryon sich dazu entschieden, zu desertieren und seiner Schwester auf ihrer Reise zu helfen.
Die Story ist in sich schlüssig, jedoch nicht außergewöhnlich für das Genre. Bereits früh im Spiel wird das Thema Verlust thematisiert, was sich dann leider weniger als roter Faden herausgestellt hat, als ich zunächst angenommen hatte.

Edge of Eternity orientiert sich sehr stark an der Formel klassischer JRPGs aus den 90er Jahren, bringt aber eine Menge moderner Quality of Life Verbesserungen mit sich. Es gibt beispielsweise ein Active-Time Kampfsystem, bei dem sich für jeden Kampfteilnehmer eine Aktionsleiste auflädt. Ist diese voll aufgefüllt, darf der Charakter oder Gegner ziehen. Zauber und manche Aktionen müssen sich aufladen und können unterbrochen werden. Man muss jedoch nur während eines Kampfes mit seinen LP und MP haushalten, denn nach jedem gewonnenen Kampf, werden diese wieder aufgefüllt – vorausgesetzt, man hat einen Erholungsbonus aus regelmäßigen Ruhenpausen im Gasthaus. So fühlt sich selbst das von Zeit zu Zeit notwendige Grinden nicht lästig an, da man den Spielfluss nie unterbrechen muss, um sich über ein Menü zu heilen.

Auch ein sehr detailliertes Craftingsystem ist mit an Bord. Für meinen Geschmack gibt es sogar zu viele verschiedene Materialien, die man überall in der Welt sammeln, sowie durch Kämpfe von Gegnern und Tieren erhalten kann. Aber immerhin sieht man sammelbare Gegenstände schon von weitem herumliegen und muss selten danach suchen, sofern man unterwegs alles aufhebt.

Die Welt von Heryon wirkt zunächst wie eine Open World, jedoch wechseln sich die großen, erkundbaren Bereiche immer wieder mit schlauchartigen Passagen ab. Ein großzügiges Teleporter-System erlaubt es jedoch, in vorherige Gebiete zurückzukehren. Diese Teleporter-Punkte muss man standardmäßig auch zum Speichern aufsuchen. Glücklicherweise kann man jedoch in den Optionen auch aktivieren, jederzeit Speichern zu können – eine willkommene Funktion für berufstätige Gamer mit familiären Verpflichtungen. Das Wetter, die Uhrzeit und die Saison im Spiel beeinflussen übrigens nicht nur die Oberwelt, sondern auch die Kämpfe und die Gegner.

Apropos Kämpfe: Eine willkommene Kleinigkeit sind die Bonusherausforderungen. In jedem Kampf werden bestimmte Ziele vorgegeben, mit denen man sich zusätzliche Belohnungen als Bonus verdienen kann. Diese reichen von „Gewinne, ohne Schaden zu erleiden“, über „Setze keine Fähigkeit mehrfach ein“ bis hin zu „Greife einen Gegner von hinten an“. Letzteres ist übrigens ein gutes Stichwort. Der Kampfbildschirm ist identisch zur Position in der Oberwelt. Ein schönes Detail, das stark zur Immersion beiträgt. Leider ist die Kamera dadurch nicht immer optimal ausgerichtet und es hängt öfter einmal ein Baum oder ein Fels im Weg. Doch dafür kann man den Kameramodus im Kampf wechseln und den Blickwinkel recht frei ausrichten.

Mit ein wenig Geschick kann man zudem so gut wie jeden Kampf mit einem Vorteil beginnen, indem man die Gegner, die man auf der Oberwelt sieht, aktiv angreift. So ist der erste Treffer praktisch garantiert, bevor die Feinde agieren dürfen. Kleinere Rätsel in der Oberwelt werden ebenfalls über den Kampfbildschirm gelöst. Ein interessanter Ansatz, der sich manchmal etwas umständlich umgesetzt anfühlt. Auch Nebenquests dürfen in einem JRPG natürlich nicht fehlen. Wer also gerne Aufgaben nach dem Typus „jage X von Monster Y“ von Anschlagtafeln abarbeitet, wird auch in Edge of Eternity fündig.

Insgesamt merkt man Edge of Eternity auf jeden Fall seine Herkunft als Indie-Titel an. Es ist definitiv nicht so poliert, wie ein AAA-Titel. Dafür merkt man jedoch, dass die Liebe der Entwickler zum Detail und zum Genre umso größer ist. Wenn man über die kleineren, technischen Schwächen hinweg sehen kann, steht geneigten Genre-Fans hier ein klassisches JRPG ins Haus, mit dem man für den günstigen Preis von 29,99 € locker 40 bis 50 Stunden verbringen kann. Die Early-Access Phase ging auf dem PC am 8 Juni 2021 zu Ende. Außerdem soll das Spiel im vierten Quartal 2021 noch für PS4, PS5, Xbox One und Xbox Series X/S erscheinen.

Vielen Dank an Dear Villagers für die Bereitstellung des digitalen Testmusters auf Steam.