Willy Morgan and the Curse of Bone Town (Review)

Artwork Willy Morgan and the Curse of Bone Town

Ich mag Point`n`Click-Adventures, mit all ihren Vorzügen und Marotten. Dabei ist es egal, ob es sich um Retro- oder moderne Klassiker der Marken Monkey Island oder Deponia handelt. Stimmen Story und Charaktere? Können mich Rätsel durch cleveres Design oder ausgefeilte Ideen überzeugen? Wenn nur ein Bruchteil der Antworten positiv ausfällt, dann schaue ich bereits mit einem Lächeln auf eine angenehme Zeit zurück. Willy Morgan and the Curse of Bone Town erschien bereits letzten Sommer für den PC und feiert jetzt sein Debüt auf Nintendo Switch. Das Adventure des Indie-Entwicklers Imaginarylab flog bisher unter meinem Radar, zu vielfältig ist hier die Konkurrenz. Doch der Charme alter Point’n’Clickies hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Schauen wir mal, ob ich mit einem Lächeln zurückblicken kann.

Unverhofft auf Entdeckungsreise mit Willy Morgan

Die Familie Morgan ist berühmt für die Entdeckerlust in ihrem Blut. Seit Generationen bereisen die Mitglieder der Familie die Welt, um Schätze und unbekannte Orte zu erforschen. Leider ist Henry Morgen bei einer Expedition verschollen und als sich das zehnjährige Jubiläum seines Verschwindens nähert, staunt sein mittlerweile ins Teenageralter gekommene Sohn Willy nicht schlecht. Plötzlich flattert ein Brief von seinem Vater ins Haus – adressiert zehn Jahre zuvor – mit der Bitte, in Bone Town seine Forschung fortzusetzen. 

Screenshot aus Willy Morgan. Darstellung des zentralen Brunnenplatzes in der Nacht, direkt vor dem Dead Man Inn.
Was erwartet unseren Helden in dem verschlafenen Bone Town?

Ganz der Entdecker will sich Willy Morgan sofort auf den Weg machen, auch wenn seine Mutter derzeit mit ihrer eigenen Entdeckungsreise beschäftigt ist. Wir unterstützen ihn dabei auf die typische Point’n’Click-Manier: Mit einem Zeiger visieren wir in diversen Einzelbildschirmen Objekte der Umgebung an und interagieren damit. Bei der Switch funktioniert dies sehr komfortabel per Touchsteuerung oder alternativ mit dem linken Stick. Allgemein ist die Steuerung via Touchscreen ein wenig schneller und direkter und aufgrund der Schnellwahltasten in den Ecken des Bildschirms recht komfortabel auf der Switch.

Kann ein Objekt mitgenommen werden, wandert es für künftige Rätsel ins Inventar und verlässt dieses erst wieder, wenn dessen Schuldigkeit getan ist. Aufgenommene Items können stellenweise miteinander kombiniert werden, um mit deren Hilfe Hindernisse aus dem Weg zu räumen. So benötigen wir zum Beispiel am Anfang ein an der Wand befestigtes Rad, um unser Gefährt nach Bone Town fertig zu stellen. Nur durch Kombination unterschiedlicher Items miteinander sowie anderen Objekten der Umgebung kann dies gelingen – klassisches Adventure-Rätseldesign.

Was ein Piratenleben

Nicht ganz so klassisch verläuft der gesamte Mittelteil des Spiels. Nach der Ankunft in Bone Town sowie einer unruhigen Nacht im einzigen Hotel der Stadt, öffnet sich das Spiel und suggeriert eine freie Erkundung in der gesamten Umgebung. Ziel ist es, die Einzelteile einer zerrissenen Schatzkarte bei den Bewohnern der Stadt zu finden und wieder zusammenzusetzen. Nur dann ist es Willy möglich, den Piratenschatz zu heben und eventuell das Geheimnis hinter dem Verschwinden seines Vaters aufzuklären.

Screenshot. Darstellung der spielinternen Karte von Bone Town
Bone Town hat einige Geheimnisse in seinen Gassen versteckt

Jeder dieser individuell gestalteten Orte beherbergt eine einzigartige Seele, die das verschlafene Städtchen mit ein wenig Leben füllt. Wir haben die Wahl, wo wir zuerst hingehen und wessen Kartenteile wir zuerst bergen wollen. Es empfiehlt sich allerdings, zuerst alle Orte aufzusuchen, bevor man sich intensiver mit den Rätseln beschäftigt. Leider erweisen sich einige Lösungen als relevant für die Lösung des nächsten Kartenteils, weswegen die nichtlineare Struktur stellenweise nicht so frei ist, wie es den Anschein macht.

Screenshot aus Willy Morgan. Darstellung des Museums mit Einblendung des Schriftzuges "Verdächtiger Charakter" über dem Bewohner.
Verdächtiger Charakter sieht verdächtig aus!

Leider sind die die Rätsel auf Willy Morgans Weg relativ anspruchslos. Sehr schnell konnte ich Eins und Eins zusammenzählen, abstrakt wird es selten und an der Nase herumführen wie das legendäre Kettensägenbenzin will uns das Spiel des italienischen Entwicklers nicht. Dies ändert sich auch bis zum Ende des Spiels nach knapp 3 Stunden nicht, wenn die “offene” Spielwelt zum Wohle einer linearen Erzählung wieder in kleinere Rätselareale fokussiert wird.

Wanted: Willy Morgan für fehlende Inentität

Genauso nett und sympathisch, wie die Schwierigkeit der Rätsel kommt das gesamte Spiel rüber – zum Guten wie zum Schlechten. Willy Morgan and the Curse of Bone Town erzählt eine ruhige Schatzsuche mit einigen verschrobenen Charakteren und besitzt erkennbare Vorbilder. Egal ob es um Monkey Island oder andere Vertreter des Genres geht, oder sich einer Reihe anderer Spiele und Franchises bedient, die Anspielungen sind zahlreich. Ich kam daher kaum umhin, es mit genannten Vorbildern zu vergleichen, was leider den Gesamteindruck schmälert. 

Screenshot. Darstellung vom inneren eines Kühlschrankes mit eingeblendeten Hotspot-Punkten.
Könnt ihr die Referenz entdecken?

Während das Rätseldesign zwar stellenweise clever und auf inhaltlicher Ebene kreativ ist, bleibt es hinter den Möglichkeiten zurück. Genauso ist auch der Humor – offenkundig von den Vorbildern beeinflusst – verhalten und sorgt lediglich für Schmunzler. Es hilft auch nicht, dass Willy Morgan als Protagonist wenig Charakter vorweist, nur selten blitzen individuelle Züge auf, die im Gedächtnis bleiben können. Gemeinsam mit der eher ruhigen, im offenen Bone Town dahin plätschernden Story, die im Finale extrem sprunghaft und abrupt endet, bleibt so wenig zurück. Es fehlt schlichtweg die eigene Identität, die Willy Morgans Abenteuer von Vertretern abhebt.

Zurück an den Anfang aller Dinge

Da “half” leider auch nicht, dass ich gezwungen war den Löwenanteil des Spiels zweimal zu spielen. Nach ungefähr zwei Stunden Spielzeit am Stück kam es zu einem Systemfehler und Spielabsturz, die angelegten Speicherstände waren komplett gelöscht. Dieser Bug ist nur einmal aufgetreten und ich kann daher schwer einschätzen, wie stark sich das allgemein auswirkt. Ein selbstständiges Beenden des Spiels löschte den Speicherstand nicht, weswegen ich diese Gefahr nur auf den Absturz des Spiels zurückführen kann. 

Screenshot aus Willy Morgan. Darstellung eines Hotelzimmers
Schiefe Schränke, Fish-eye und andere Effekte sorgen für einen abstrakten Artstyle

Beim zweiten Spielen merkt man dann meist, wie kurz das Spiel eigentlich sein kann. Innerhalb einer knappen Stunde hatte ich meine zweieinhalb verlorenen Stunden wieder reingeholt und befand mich auf der Zielgeraden. Es ist erstaunlich, dass das Spiel innerhalb seines Gameplays besser als in den Cutscenes wirkt, in denen Ton und Bild leicht verwaschen erscheinen. So war der abstrakte Artstyle auch beim zweiten Durchlauf ein netter Hingucker und lief insgesamt sehr flüssig. Lediglich ein einziger Track des Soundtracks ruiniert in einem Areal die Atmosphäre, da der Beginn erstaunlich abrupt ist und durch den schnellen Loop der Musik sehr häufig unangenehm auffällt.

Ein ruhiges, unspektakuläres Abenteuer für Zwischendurch

Willy Morgan and the Curse of Bone Town hat es nicht gänzlich geschafft, die eingangs aufgeworfenen Fragen für mich persönlich positiv zu beantworten. Der Absturz mitsamt Löschen meines Spielstandes nagt dafür zu sehr an mir. Dazu verläuft der lange Mittelteil in der Stadt sowie die Handlung zu ruhig und ereignis- sowie anspruchslos, um auf ganzer Linie zu überzeugen.

Aber das Potenzial ist hinter jeder Ecke spürbar. Spieler:innen mit einem Faible für kurze Point’n’Click-Adventures sollten durchaus einen Blick riskieren. Und vielleicht schauen andere mit einem großen Lächeln auf eine angenehme Zeit zurück. Dem Spiel sowie dem Studio dahinter sei es zu gönnen.

Getestet auf Nintendo Switch. Ein herzlicher Dank geht an VLG Publishing für die Bereitstellung eines Mustercodes.