Alice: Madness Returns (Review)

American McGee hat im Jahr 2000 mit einem ungewöhnlichen Jump & Run seine Karriere als selbstständiger Spieleentwickler gestartet, mehr als eine Dekade später hat er die Gelegenheit erhalten, die Thematik wieder aufzugreifen und seine Version von Alice aus der Buchreihe Alice im Wunderland weiter zu explorieren.

Alice ist gerade erst aus der Nervenheilanstalt entlassen worden und versucht, nachdem das Trauma der im Haus verbrannten Familie hoffentlich endlich aufgearbeitet ist, im echten Leben wieder Fuß zu fassen. Leider offenbart sich schnell, dass nicht etwa eine Aufarbeitung, sondern eher ein Verdrängungsprozess gestützt wurde und Alice findet sich in Windeseile zurück in ihrem Wunderland. Das Wunderland ist dieses Mal einer neuen Gefahr durch einen mächtigen Zug ausgesetzt und Alice muss herausfinden, wer hinter diesem Zug steckt – und auf dem Wege auch versuchen, die Wahrheit hinter dem Tod ihrer Familie aufzuklären.

Schon das erste Alice-Spiel konnte mit einer düsteren, atmosphärischen Präsentation glänzen, doch Alice Madness Returns setzt in dieser Hinsicht noch einiges obendrauf. Der Kontrast zwischen steriler Realwelt und bunter, aber dennoch bedrohlicher Traumwelt sorgen für eine dichte Atmosphäre und die überall in der Spielwelt verteilten Erinnerungsfragmente, mit denen Alice die Geschehnisse rund um den Brand und ihre fehlgeschlagene Psychotherapie ordnet, geben einen verstörenden Einblick in ein Leben voller rücksichtloser und garstiger Menschen in Alice‘ näherem Umfeld. Die psychologische Thematik des Spiels wird gestützt durch Artdesign und Musik gekonnt umgesetzt.

In Sachen Gameplay ist der erste Eindruck, gerade wenn man den Vorgänger kennt, ebenfalls gut, erstaunlich gut gar. Hat American McGee’s Alice noch mit einer kaum zumutbaren Steuerung aufgewartet, wurden beim Nachfolger gängige Designprinzipien des Genres berücksichtigt und Alice steuert sich wie die Mehrzahl der Jump & Run Helden seit Super Mario 64. Das soll nicht heißen, dass die Spielphysik optimal ist. Der Sprung ist immer noch ein wenig zu hoch und die drei Doppelsprünge, die Alice machen kann, sind ein wenig fummelig, besonders, wenn es um das Erreichen hoch gelegener Zielplattformen geht. Zudem bleibt Alice oft an unsichtbaren Ecken der Geometrie hängen und an vielen Stellen ist der Unterschied zwischen sichtbarer und spielerischer Geometrie so groß, dass es störend ist und sogar den einen oder anderen Tod zu verantworten hat, wenn man versucht, die zahlreichen versteckten Sammelgegenstände abseits des Hauptweges durch das Spiel zu erhaschen.

Leider ziehen sich die Level in Alice Madness Returns aber enorm in die Länge. Schuld daran ist, dass die Entwickler mit einem relativ beschränkten Satz an Designideen arbeiten, die viel zu selten erweitert werden und dadurch die gleichen Designkonzepte in nur halbherziger Variation mehrach hintereinander gehängt werden. Zwar ist Alice Madness Returns mit einem Umfang von ca. 15 Stunden kein extrem langes Spiel, doch durch das kräftige Ideen-Recycling und die nur minimale Weiterentwicklung des Spiels ist es dennoch sehr ermüdend. Insbesondere in Hinsicht auf die Sammelgegenstände könnte die Motivation zur Perfektion kaum geringer sein, denn hier verwenden die Entwickler etwa drei Ideen für Verstecke: Schweinsnasen in der Umgebung mit Pfeffer beschießen, durch ein kleines Loch gehen, indem man per Knopfdruck schrumpft, oder unsichtbare Plattformen, die man durch Schrumpfen kurzzeitig sichtbar machen kann, entlang laufen.

Hinzu kommt, dass das Kampfsystem zwar ziemlich eintönig ist, aber die Entwickler den Spieler dennoch immer wieder vor langwierige Gegnerwellen stellen, die einzig durch die aufkommende Ungeduld eine Gefahr darstellen und abgesehen davon wenig Substanz bieten. Zumal das Spiel des Repertoire an Gegnern auch nur sehr langsam erweitert und die Fernkampfwaffen, besonders nachdem man sie mit den im Spiel verstreuten Zähnen aufgelevelt hat, nahezu jeden Kampf ohnehin trivialisieren.

Alice Madness Returns ist ein bedeutend besseres Spiel als sein Vorgänger und kann mit solidem Gameplay und toll präsentierter Geschichte durchaus einen positiven Eindruck hinterlassen. Nichtsdestotrotz weist das Spiel so viele und deutliche Mängel auf, dass man es nur schwerlich uneingeschränkt empfehlen kann. Wem Artstyle und Geschichtenidee gefallen und redundantes Leveldesign nicht allzu schnell in Rage treibt, der kann eine gute Zeit mit Alice Madness Returns zubringen, wer aber viel Wert auf einen guten Spielrhythmus legt, wird leider enttäuscht.

Getestet auf Xbox 360.