Sonic Boom: Rise of Lyric (Review)

Sonic Boom scheint ein äußerst attraktiver Name zu sein, blickt er in der Geschichte des blauen Sega-Igels Sonic doch auf einige Verwendung zurück. Zunächst einmal sollte der Titel als Name des Titelliedes zu Sonic CD in der amerikanischen Fassung bekannt sein, weiterhin wurde Sonic Xtreme für das Sega Saturn, wie erst kürzlich bekannt wurde, zuletzt unter eben diesem Namen entwickelt. Schließlich hat Sega sich entschlossen, in im Jahr 2014 eine ganze Spin-Off-Franchise mit TV-Serie und eigener Videospiel-Serie unter diesem Namen zu veröffentlichen. Erster spielbarer Spross dieses Unternehmens ist Sonic Boom: Lyrics Aufstand, das von BigRedButton exklusiv für Wii U entwickelt wurde. Wir haben Sonic Boom einmal genauer unter die Lupe genommen.

In Sonic Boom: Lyrics Aufstieg schlüpft man in die Rolle nicht eines, oder wie in Sonic Heroes drei Sonic-Helden, sondern spielt gleich vier Sonic-Charaktere in einem Team. Standardmäßig spielt man als Spieler einen Charakter und die übrigen drei Charaktere werden, bis man per Steuerkreuz zu ihnen wechselt, vom Computer übernommen, man kann allerdings – unter Inkaufnahme massiver technischer Einbußen – auch zu bis zu vier Spielern kooperativ das Spiel spielen und so auf Computer-Hilfe verzichten. Sonic Boom: Lyrics Aufstieg erzählt die Geschichte von Sonic, Tails, Knuckles und Amy, die nach einer rasanten Flucht vor Doktor Eggmans Schergen auf einen schlangenförmigen Bösewicht namens Lyric treffen, der einen nach eigener Aussage tausend Jahre währenden Groll auf Sonic hegt. Um Lyric zu bändigen müssen Sonic und seine Freunde insgesamt acht Kristalle sammeln und Lyric im Kampf entgegen treten.

Die Geschichte von Sonic Boom: Lyrics Aufstieg wird in Zwischensequenzen mit deutscher Sprachausgabe erzählt, macht allerdings einen recht konfusen Eindruck. An einigen Stellen scheinen die Entwickler Änderungen am Skript vorgenommen zu haben, die sich mit der aktuellen Geschichte nicht so recht vertragen. Beispielsweise treffen Sonic und Co. früh auf eine Steintür von vor tausend Jahren, auf der sich Zeichnungen von Sonic und Tails befinden. Zwar reisen die beiden später auch tausend Jahre in die Vergangenheit, halten sich dort aber nur äußerst kurz auf und pflegen außer mit Lyric auch keinen ausschweifenden Kontakt mit anderen Lebewesen. Ein Nebencharakter taucht gegen Ende des Spiels auf einmal bei Sonic und seinen Freunden auf und wird herzlich begrüßt mit der Feststellung, dass er immer wieder unerwartet auftauche – zu diesem Zeitpunkt hat man den betreffenden Charakter aber erst ein Mal gesehen. Ein wenig mehr Sorgfalt wäre hier sicherlich angemessen gewesen. Doch das Herz eines Spiels ist ja sicherlich nicht die Geschichte und wenn die hier fehlende Sorgfalt beim Gameplay walten gelassen wurde, ist das doch gewiss ein guter Tausch.

Auch wenn Sonic Boom: Lyrics Aufstieg gleich mit einer schnellen Rennsequenz beginnt – und auch im weiteren Spielverlauf immer mal wieder halbautomatische High-Speed-Sequenzen bietet – das Spielprinzip der Sonic-Reihe findet sich in Sonic Boom bestenfalls als Anspielung wieder. Stattdessen setzt Sonic Boom: Lyrics Aufstieg auf eine komplett eigene Spielstruktur, die am ehesten an die Sony-Hüpfspielmarken Jak & Daxter und Ratchet & Clank erinnert. Das bedeutet, dass Sonic Boom auf sehr lange Level – für die neun Level und einige Nebenaufgaben in der Oberwelt habe ich im Test zehn Stunden benötigt, ohne ein Level auch nur abschnittweise doppelt zu spielen – setzt, die allerdings die meiste Zeit strikt linear verlaufen. Interessant ist die Idee, die Level mit Alternativrouten zu versehen, die von den einzelnen Charakteren dank ihrer individuellen Fähigkeiten absolviert werden können. So kann Sonic an speziellen Kugeln eine Homing Attack ausführen, Tails kann fliegen, Knuckles klettern und Amy balancieren, sowie einen Dreifachsprung ausführen, wohingegen bei allen anderen Charakteren nach einem Sprung in der Luft bereits Schluss ist.

In Anlehnung an die Collectathon-Tradition, die durch Super Mario 64 begründet und durch Banjo-Kazooie perfektioniert wurde, bietet Sonic Boom: Lyrics Aufstieg eine ganze Menge sammelbarer Gegenstände in jedem Level. Neben den Ringen, die allerdings hier nichts anderes als eine Lebensenergieleiste darstellen, gibt es Truhen mit Schrott und Kronen zu finden. Schrott und Kronen können an speziellen Upgrade-Stationen dazu verwendet werden, die Kampffertigkeiten des Teams Sonic aufzuwerten. Ob darüber hinaus noch etwas freigeschaltet werden kann, indem man in allen Levels alle Sammelgegenstände findet, kann ich allerdings leider nicht sagen, hierzu müsste ich jedes Level noch mindestens ein weiteres Mal spielen und das bedarf, so wird im weiteren Test deutlich werden, schon einer recht hohen Leidensfähigkeit.

Die Sammelgegenstände, die in den einzelnen Levels verteilt sind, sind, wie leider oft in so linear angelegten 3D Jump & Runs mit Sammelfokus, wenig durchdacht in den Levels versteckt. Oftmals befinden sie sich auf Alternativrouten an kurzen Highspeed-Sektionen, oder aber auf Parallelwegen, an denen man sich entscheiden muss, mit welchem Charakter man weiterspielt. Besonders schlimm ist, dass man oft gar nicht sehen kann, dass man einen Weg gewählt hat, der nicht zum nächsten Sammelgegenstand, sondern zum nächsten Levelabschnitt führt und eine Rückkehr gleichzeitig unmöglich ist. Meisten bedeutet das Sammeln von Sammelgegenständen nicht viel anderes als das Level mehrfach zu spielen, um alle Alternativrouten zu nehmen und dabei an Schaltern und ähnlichen Levelobjekten gezielt vorbei zu gehen, um wenige Schritte davon entfernt den Sammelgegenstand aufzulesen. Nur selten sind die Sammelgegenstände wirklich mit eigenen interessanten Levelabschnitten verknüpft.

Das Handling von Sonic und Co. ist leider alles andere als gut gelungen. Die Charaktere bewegen sich wie auf einem leicht rutschigen Untergrund, sind außerhalb der Highspeed-Sektionen zu langsam und reagieren mit einer unangenehmen Verzögerung auf Knopfdruck. Obendrein bombardiert das Spiel den Spieler geradezu mit Kampf-Szenen, in denen man einfach nur große Mengen Gegner verprügeln muss. In Anbetracht dessen, wie viel Zeit das Kämpfen einnimmt, sollte man meinen, dass das Kampfsystem halbwegs interessant gestaltet wurde, dem ist jedoch absolut nicht so. Mehr als den Y-Knopf malträtieren hat das Kampfsystem nicht zu bieten, einzig der Unterschied zwischen dem Angriffsverhalten der verschiedenen Charaktere macht einen gewissen Unterschied. Tails kann nämlich schießen, während alle anderen Charaktere sich im Nahkampf den Angriffen der Feinde aussetzen müssen. Tatsächlich erweist sich dabei Tails schlicht als überlegener Kämpfer, besonders gegen größere, gefährliche Gegner.

Abseits der Kämpfe und der recht uninteressanten Suche nach Sammelgegenstände ist bei BigRedButton der Name offenbar Programm. Zwar sind die Buttons in Sonic Boom in aller Regel grün, doch wenn ich hätte zählen müssen, auf wie viele Knöpfe ich stampfen oder schlagen musste, um im Spiel voranzukommen, hätte ich wohl alsbald aufgeben müssen, weil die Zahl schlicht zu groß geworden wäre. Das Knöpfchendrücken ist auch nie mit irgendwelchen Knobelaufgaben verbunden, man muss einfach alles was grün blinkt angreifen. Allerdings können die Knöpfe durchaus mal hinter recht brauchbaren Jump & Run-Abschnitten versteckt sein – zumeist dann, wenn Amy gefragt ist. In Sonic Boom: Lyrics Aufstieg ist die sonst so nervige Amy nämlich klar das spielerische Highlight, da sie mit ihrer Agilität und Balance-Fähigkeit die einzigen wirklich interessanten Abschnitte im Spiel zu spielen bekommt.

Hart ins Gericht gehen muss man auf jeden Fall mit den Highspeed-Sequenzen, diese sind nämlich nicht nur unermesslich einfach, sondern ruckeln dermaßen extrem, dass ein Geschwindigkeitsgefühl gar nicht erst aufkommen mag. Wird Sonic sonst gern völlig ungerechtfertigt vorgeworfen, dass er auf Autopilot wäre, muss man hier ganz klar sagen: Die Highspeed-Sequenzen sind, auch wenn man die technischen Probleme außer Acht lässt, halbautomatischer Mist, der absolut nicht der Rede wert ist. Mehr als zwischen der linken, mittleren und rechten Route wählen muss man hier nie tun, die Vorwarnzeit ist dabei immer so hoch, dass selbst die fürchterliche Performance dieser Abschnitte dem Spieler nicht gefährlich werden kann.

Die Level im Spiel sind optisch sehr abwechslungsreich und auch ansprechend gestaltet, spielerisch wiederholen sich aber gerade in den ersten zwei Dritteln die immergleichen Ideen und das Leveldesign ermüdet auf Grund der schieren Länge der Level enorm schnell und nachhaltig. Erstaunlich ist, dass das Spiel nach hinten raus ein wenig an Fahrt gewinnt und in dann sogar innerhalb des spezifischen Subgenres positiv auffällt. Das kommt allerdings viel zu spät und erfordert bis dahin unter anderem die Navigation der völlig unübersichtlichen Oberwelt. Das Spiel gibt zwischen den Levels nämlich nur sehr vage Hinweise, wo man als nächstes hingehen soll und die Karte, die nicht anzeigt, in welche Richtung man gerade schaut, ist hier alles andere als eine gute Hilfe. Die Nebenaufgaben in der Oberwelt sind obendrein dermaßen anspruchslos, dass es schon ein wenig lustig ist. So gibt es beispielsweise die Aufgabe, in drei Runden einen Wassersprint hinzulegen und die Bestzeit des Bürgermeisters zu schlagen. Auf Grund der sehr hakeligen High-Speed-Steuerung von Sonic Boom habe ich mich dabei dermaßen verfranzt, dass ich mir sicher bin: Der Bürgermeister hat für den Parcours überhaupt keine Bestzeit aufgestellt, sondern akzeptiert einfach jede Zeit des Spielers. Wozu man dann aber drei Runden drehen muss, erschließt sich mir nicht.

Apropos Schwierigkeitsgrad. Auf der Gamescom habe ich Sonic Boom bereits einmal anspielen dürfen und wie ich nun weiß, haben die Macher des Spiels Level 7 (von 9!) und den vorletzten Endgegner für diese Demo ausgewählt. Dass die spielbaren Szenen nicht nur schaffbar, sondern sogar damals schon zu einfach waren – ohne beinahe das gesamte Spiel zur Vorbereitung zu haben – ist bezeichnend. Sonic Boom: Lyrics Aufstieg setzt sich überhaupt nicht zur Wehr, sondern lässt den Spieler im Grunde genommen einfach passieren. Stirbt man, so verliert man ein wenig Schrott und kann an fast exakt der gleichen Stelle weiterspielen, in Kämpfen behalten die Gegner sogar ihre Lebensenergie. Das gilt übrigens sogar beim Endgegner!

Kommen wir zur Technik. Lobend hervorheben muss man das optische Design und die Beleuchtung in Sonic Boom. Im Stand sieht das Spiel an einer ganzen Menge Stellen echt gut aus. Doch ist ein Videospiel nun einmal kein Standbild und daher muss man auch die Framerate ins Auge nehmen und die ist nicht nur niedrig, sondern obendrein extrem instabil, bricht immer wieder extrem ein, so stark, dass es den Spielspaß selbst sehr toleranter Spieler stören dürfte. Hinzu kommen massive Pop-Ups und unzählige kleine Fehler, wie Sprachausgabe-Fetzen an Übergängen zwischen Spielszenen und Zwischensequenzen, Bugs, die einen Spiel-Neustart erfordern, oder auch abgebrochene Sprachausgabe ohne ersichtlichen Grund. Besonders schlimm ist uns eine Szene aufgefallen, in der einfach eine offene Tür ins Nichts führte. Offenbar haben die Entwickler hier vergessen, die verschlossene Tür ins Spiel einzufügen. Dass das jedoch im Test nicht aufgefallen ist, spricht nicht eben für eine gründliche Quality Assurance bei Sonic Boom.

Sonic Boom: Lyrics Aufstieg ist ein sehr schwaches Sonic-Spiel. Im Grunde genommen ist es überhaupt kein Sonic-Spiel, sondern ein Ratchet (fast) ohne Schießen, das von massiven technischen Problemen heimgesucht wird und durch Mammutlevel, eine unübersichtliche Oberwelt und einen extrem niedrigen Schwierigkeitsgrad, gepaart mit ungenauer Steuerung und langweiligen Kämpfen einen sehr bitteren Beigeschmack hinterlässt. Dass im letzten Drittel einige nette Ideen stecken, macht es eigentlich nur noch trauriger, dass Sonic Boom leider das wohl uninteressanteste Sonic-Spiel überhaupt geworden ist. Es besitzt zwar nicht die massiven Mängel eines Sonic the Hedgehog (2006), aber andererseits auch nicht die Ambition und die kurzen hellen Momente des ersten richtigen Totalausfalls in der Hauptreihe.

Getestet auf Wii U.