System Shock (Review)

Artwork zu System Shock

Als System Shock im September 1994 auf MS-DOS veröffentlicht wurde, war unsere Welt eine komplett andere. Und ich habe gerade mal meine ersten Schritte im Bereich der Videospiele gemacht mit Titeln wie Super Mario Land, Excitebike oder was auch immer bei meinen Freunden damals über den Bildschirm flimmerte. Erst ein paar Jährchen später habe ich meine eigenen Spiele besessen (und nie durchgespielt, yeah). An ein so düsteres und komplexes Spiel wie System Shock war in dem zarten Alter echt nicht zu denken. Dreißig Jahre später habe ich dieses historisch nicht ganz so unbedeutende Spiel endlich in Form des Remakes von Nightdive Studios spielen können. 

System Shock in neuem Gewand

System Shock – also das Original von 1994 – darf sich auf mehrere Weisen als wegbereitend bezeichnen lassen. Ausgehend von der damals enormen Fokussierung der Spielerfreiheit, zählt System Shock exemplarisch für die ersten Titel der sogenannten Immersive Sims. Ohne dieses Spiel kein Deus Ex, Dishonored oder Thief. Und ganz sicher auch kein Bioshock. Weil der damalige Lizenzinhaber Electronic Arts von den Verkaufszahlen des Nachfolgers System Shock II enttäuscht war, wurde kein dritter Teil genehmigt. Irrational Games wollte allerdings die aufgeworfenen Konzepte weiterverfolgen und – joa, wir durften nach Rapture hinabtauchen.

Kein Wunder, dass System Shock auch heute noch in den Herzen vieler Videospieler:innen verankert ist. Und dass irgendwann irgendjemand die Lizenz nehmen würde und dem Franchise neues Leben einhauchen würde. Das Remake erschien bereits letztes Jahr und eigentlich hatte ich sogar vergessen, dass ich mich damals für das Muster gemeldet habe. Zur Veröffentlichung der physischen Version kam es dann…besser spät als nie!

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System Shock spielt in einer fernen Zukunft und wir übernehmen eher widerwillig eine brandgefährliche Mission. Weil unser Charakter als Hacker den falschen Personen auf den Schlips getreten ist, landen wir entweder im Gefängnis oder müssen auf einer isolierten Raumstation das Ethikprotokoll der alles bestimmenden KI überschreiben. Einfacher gesagt als getan, denn kaum erwachen wir auf dieser Raumstation, begrüßen uns auch schon die ersten gefräßigen Zombie-Gesellen und schießwütigen Androiden. Fantastisch.

Neues Make-Up…

Die Nightdive Studios haben sich enorm große Mühe gegeben, das mittlerweile dreißig Jahre alte Spiel weitestgehend in die Moderne zu transportieren. Optisch empfand ich System Shock zwar weitestgehend aufgrund der aus künstlerischen Zwecken für Texturen verwendete Pixel-Optik nicht allzu auf der Höhe der Zeit. Doch wer eine Grafik aus den 90er Jahren nicht verträgt, der ist definitiv mit dem Remake von System Shock auf der richtigen Seite. Licht- und Schatteneffekte sehen gut aus und neue Elemente wie knisternde Funken oder Rauchschwaden aus der Klimaanlage geben den Leveln einen gewissen Flair. Zusammen mit dem komplett überarbeiteten Soundtrack ist System Shock weitaus düsterer in Stimmung und Atmosphäre. 

Dies ist auch dringend nötig, denn während unserer gefährlichen Mission durch die Raumstation geht es nicht allzu zimperlich zu. Um die KI Shodan zu eliminieren, erkunden wir die einzelnen Ebenen aus der Ego-Perspektive – stets auf der Suche nach neuen Servern und anderen Zugängen ins System. In den Fluren der Station wehren wir uns mit futuristischen oder normalen Feuerwaffen gegen die zahlreichen Feinde. Zur Not hilft auch unsere zuverlässige Rohrstange, vor allem wenn Munition (mal wieder) knapp wird. 

Und die geht schneller aus, als uns lieb sein wird. System Shock ist aufgrund seiner Freiheiten, aber auch aufgrund seines labyrinthartigen Leveldesigns damals ein schweres Spiel gewesen und das Remake hält sich sehr deutlich an das Original. Optisch sind die Level atmosphärischer, doch ihre Struktur und die Gegnerbevölkerung sind meiner Ansicht nach aus der Zeit gefallen. Ich will definitiv kein Handholding, aber wenn ich aus einem Aufzug erstmals aussteige und da stehen mehrere Gegner direkt vor mir…dann will ich nicht mit einem sofortigen Game Over bestraft werden.

…altes Design

Da unser Körper technisch hochgerüstet ist, haben wir jederzeit Zugriff auf alle erdenklichen Informationen, die wir brauchen. Eine Karte jeder Etage baut sich mit jedem Schritt auf und weist uns wichtige Objekte wie Server, Energietower, Heilkapseln oder Aufzüge hin. Unser Inventar, in dem wir Waffen, Munition und andere Objekte gleichermaßen lagern, ist von unserer Anordnung abhängig. Ist ein Item zu groß, können wir dieses nicht mitnehmen. Und wir können theoretisch alles mitnehmen, sei es als Heilmittel oder Kampfoption, oder einfach nur um es für Credits wiederzuverwerten. Zudem gibt es auch Audiologs und Dokumente, die uns von den Geschehnissen auf der Station berichten oder den ein oder anderen Code mitteilen. 

Flashy, aber gar nicht mein Fall.

Dies alles sind Merkmale, die ich mir 1994 als unglaublich eindrucksvoll vorstellen kann. Doch nach so vielen Jahrzehnten mit so vielen Videospielen, die dasselbe geleistet haben oder sogar besser waren, fühlt sich das Remake für mich ein wenig aus der Zeit gefallen an. Dies ist allerdings auf zweierlei Weise zu sehen. Im direkten Vergleich mit dem Original überzeugt System Shock mit seinen technischen Upgrades und manchen Quality of Life-Anpassungen. Doch mit vergleichbaren Titeln heutzutage ist das eine eher schwierige Nummer…

Ich habe mich selten so distanziert von einem First Person-Shooter gefühlt, wie bei System Shock. Wenn eine Waffe akustisch den “Wumms” hat, den wir uns wünschen würden, fehlt das Trefferfeedback bei unserem Ziel. Und wenn dieses visuell und akustisch da ist, wirkt das Gunplay altbacken. Das System Shock-Remake wäre zu Beginn der letzten Generation bereits gegenüber Genrevertretern im Nachteil – heute wirkt das irgendwie “zu schwach”, um mithalten zu können.

Abwechslung alter System Shock-Schule

Doch System Shock will nicht mithalten, sondern Fans des alten Spiels begeistern und dabei spielerisch so wenig vom Ursprung abweichen. So haben auch die Cyberspace-Abschnitte, in denen wir uns in einem dreidimensionalen Flugshooter-Gameplay in die Systeme der Raumstation hacken, visuell frisch, aber spielerisch weitestgehend eintönig ins Spiel geschafft. Viel besser waren hingegen die kleinen Puzzle, die an manchen Orten des Raumschiffes notwendig sind. Diese waren zwar aufgrund fehlender Tutorial-Hinweise auf den ersten Blick undurchschaubar, aber nach einer Weile für mich eine willkommene Abwechslung.

Dies konnte allerdings meinen Gesamteindruck von System Shock nicht nachhaltig verbessern. Ich habe kaum Zugang zum Remake gefunden, da es zwischen allen Stühlen schwebt. Auf der einen Seite ist es ein technisch faszinierendes Update eines sehr alten, angestaubten Spiels und wird so viele Fans des Originals überzeugen können. Vor allem kleinere Anpassungen im Interface sowie manche Überraschungen dürften frischen Wind für Kenner bringen. Auf der anderen Seite ist das System Shock, was wir nun runderneuert erhalten haben, auf vielen Ebenen veraltet. Diese Diskrepanz hat bei mir dafür gesorgt, dass ich keinen echten Zugang zum Spiel fand, Spaß leider nur selten durchbrechen konnte. Nichtsdestotrotz kann ich die Maßnahmen weitestgehend lobend anerkennen, die einer neuen Spielerschaft einen so historisch bedeutenden Titel öffnen.

In den Eingeweiden einer K.I. auf Xbox Series X herumgefuchtelt. Ein herzlicher Dank geht an die Nightdive Studios und Prime Matter für die Bereitstellung eines Mustercodes.