Jeder von uns dürfte schon einmal in Erinnerung geschwelgt haben. Erinnerungen an schwere Schicksale, Erinnerungen an glückliche Momente, Erinnerungen an dies und das. Manchmal treten sie so unerwartet auf, wie ein Ohrwurm, der sich in die Gedankengänge festgefressen hat. Und manchmal sind es wiederkehrende Anlässe, um die Gedanken in eine vergangene, aber nicht vergessene Zeit schweben zu lassen.
Einen solchen, unregelmäßig wiederkehrenden Anlass wollen wir von nun an bei uns im Gaming Village pflegen. Wie ein Feiertag, nur ohne Feier, mehr Tag. Wir wollen gemeinsam mit euch Erinnerungen teilen an Spiele aus unserer Vergangenheit, die mehr oder weniger einen besonderen Stellenwert in unserem Leben hatten. Unsere neue Artikelserie Memory Lane präsentiert euch persönliche Geschichten oder außergewöhnliche Momente. Spiele, die vor langer Zeit unser Leben bestimmt haben oder die schon fast in Vergessenheit geraten sind. Oder wir kehren zurück, schauen wie sehr unsere Erinnerung uns täuscht und ob diese Rückkehr zum jeweiligen Spiel uns einen völlig neuen Blickwinkel beschert hat.
Begleitet uns im Gaming Village daher auf eine Reise in die schier endlose Welt der Spiele-Erinnerungen. Und wenn ihr vielleicht ebenfalls eine Geschichte habt, die ihr mit uns teilen möchtet, dann meldet euch doch im Village-Discord oder im Forum. Spannende, lustige, bewegende oder interessante Erinnerungen – alles ist liebend gerne gesehen. Denn Gaming Village ist nicht nur die Redaktion, Gaming Village sind wir alle!
Eine Reise zurück zu den Anfängen
Ich bin verrückt nach Videospielen, wahrscheinlich wie die meisten Leser:innen. Wieso sonst schreibe ich einen Artikel zu einem (Stand jetzt) 32 Jahre alten Spiel? Wieso sonst sitzt ihr gerade vor dem PC oder am Smartphone und lest euch diesen Text auch noch durch? Jede Leidenschaft hat irgendwo ihren Anfang genommen. Meine große Sammlung, meine langjährige Schreiberfahrung über das Medium sowie das ein oder andere Studienthema kann ich auf eine Mutter-Kind-Kur zurückverfolgen, die maßgeblich dafür gesorgt hat, dass ich kurz darauf mein erstes Spiel selber besessen habe: Gremlins 2 – A New Batch für den Nintendo Game Boy. (Das parallel dazu erhaltene Tetris lasse ich an dieser Stelle mal unter den Tisch fallen.)
Auf dieser Kur, die jetzt auch schon über 25 Jahre her ist, lernte ich einen älteren Jungen kennen, der einen Game Boy mit dem Spiel Super Mario Land besaß. Wenn ihr glaubt, der kleine Knighty hätte damals vielleicht Hand anlegen dürfen, dann sorry. Kein Happy End. Stattdessen hing ich in all den Wochen am Hosenzipfel des Jungen und hab ihn dabei begleitet, wie er keinen Stich gegen Tatanga und dessen Schergen gesehen hat. »Du musst das und das machen.« »Grmpf.« »Du bist wieder tot, lass mich mal.« Und der Junge konnte noch so oft vor mir fliehen, ich war stets auf seinen Fersen. So aufdringlich, dass er mich wieder hat zugucken lassen. Aber wohl nicht nervig genug, denn selber Hand anlegen durfte ich nie.
Meine Erinnerung daraufhin verschwimmt ziemlich. Ich behaupte mal, ich war noch immer sehr nervig und habe sehr häufig meine Mutter um einen eigenen Game Boy gebeten. Selber Hand anlegen, an mein eigenes Spiel. Selber durch die Level hüpfen und U-Boot fahren, was ja in Super Mario Land Marios zweitliebste Beschäftigung zu sein scheint. Aber ich habe nie einen von ihr bekommen. Die Gründe seien mal dahingestellt, aber das Schicksal wollte es so, dass meine Tante gerade einmal zwölf Jahre älter ist als ich. Also im perfekten Alter, um der damals brandaktuellen Trendware offen gegenüberzustehen. Und so kam, wie es vorherbestimmt war, wie es von den Schicksalsschwestern gesponnen wurde: Ich bekam mein erstes Videospiel mit Gremlins 2 geschenkt. Und Tetris.
Bloß die Gremlins nicht dem Sonnenlicht aussetzen
Und das war auch für eine lange Zeit mein einziges Spiel (neben Tetris) für den Game Boy. In Gremlins 2 – The New Batch folgen wir ungefähr derselben Geschichte, wie im dazugehörigen Film. Unvorhergesehene Ereignisse sorgen dafür, dass aus Gizmo, dem kleinen friedliebenden Mogwai, über kurz oder lang eine ganze Armee von fiesen Gremlins heraus springen. Noch sind sie eingesperrt in einem New Yorker Hochhaus, doch wenn sie frei kommen, würden sie Chaos und Verwüstung über die Stadt bringen.
Wir schlüpfen in die Rolle des kleinen Gizmo, der sich der Übermacht der Gremlins erwehren möchte. Entgegen aller anderen Versionen des Spiels auf dem Nintendo Entertainment System oder anderen Plattformen handelt es sich auf dem Game Boy um einen 2D-Sidescroller. Unser kleiner Freund hüpft über Sprungfedern und Laufbänder, um so das abstrakte Gebäude nach den vier bösen Mogwai abzusuchen, die zuerst aus ihm entsprungen sind. Dabei gilt es Abgründen und spitzen Stacheln auszuweichen und die Frage zu klären, welcher Architekt ein so brandgefährliches Gebäude mitten in Manhattan plant?!
Doch wir sind selbstverständlich nicht wehrlos! Zwar können wir nicht in bester Jumper-Manier auf Gegner draufhüpfen, aber wie heißt es so schön? Die Feder ist mächtiger als der Hüpfer. In dem Fall ein Bleistift, den wir in einem Level finden können und fortan im Nahkampf Gegner hauen dürfen. Solche Bleistift-Hiebe sind allerdings nicht ganz so effektiv, weswegen wir zu roher Gewalt aka Musik greifen. Überall sind Radios versteckt, die uns eine Musiknote gewähren, mit der wir einmal Gegnern aus der Ferne direkt beschießen können. Werden es allerdings zu viele Gegner, ist Musik keine große Hilfe. Stattdessen können wir uns manchmal in einem Koffer verstecken, der fortan für Feinde bei Kontakt einen sofortigen Tod zur Folge hat. Ich dachte als Kind immer, es handelt sich dabei um einen Sarg. Nicht nur nervig, auch morbide der kleine Knighty. Sinn ergeben aber retrospektiv sowohl der Koffer, als auch der Sarg nicht.
Eine unüberwindbare Mauer
Vier Level voller Fallen, Laufbänder, Stacheln und fiesem Getier neben all den noch fieseren Gremlins soll das Spiel für uns bereitstellen. Ich betone das Wort soll, denn obwohl Gremlins 2 mein erstes Spiel überhaupt war, was ich selber aktiv gespielt habe, gelang es mir nie es durchzuspielen. Nicht. Ein. Einziges. Mal.
Gremlins 2 – A New Batch hat eine ungewöhnlich hohe Schwierigkeit besessen. Egal wohin ich in den Folgejahren geschaut habe, viele die das Spiel kannten, mochten es, fanden es aber sehr anspruchsvoll. Dies liegt sehr viel daran, dass es keinerlei Speichersystem gibt, sei es durch Save Files oder durch Passwörter. Alle vier Stages müssen am Stück bewältigt werden, was eigentlich nicht so lang sein sollte. Longplays auf Youtube variieren so zwischen 17 und 20 Minuten für ein komplettes Absolvieren des Spiels.
Mir ist dies aber damals immer verwehrt geblieben, die Gremlins waren zu zahlreich und zu stark für mich und Manhattan immer dem Untergang geweiht. Die Bosse von Level 3 und 4 sind mir erst durch Youtube bekannt geworden. Ich erinnere mich an kein Spiel, an dem ich mir derart die Zähne ausgebissen habe. Eine Mischung aus “Ich hatte halt nichts anderes” und “Die mache ich fertig”. Das Spiel manifestierte sich so zu einer schier unüberwindbaren Mauer. Bis ich dann irgendwann andere Spiele für den Game Boy bekam. Andere Spieler einfacher, verzeihlicher, nicht ganz so gremlig waren.
Auch Jahrzehnte später umrankt dieses Spiel für mich eine Aura der Unbesiegbarkeit. Vielleicht würde ich nach all den Jahren weniger Probleme haben. Vielleicht durchmarschieren. Und damit diesen Mythos meiner Kindheit zerstören. Oder das Gegenteil würde passieren. Und was bleibt dann? Wird Gremlins 2 – A New Batch für immer der Erzfeind meiner Videospielhistorie bleiben? Es liegt nur knapp zwei Meter von mir entfernt, verschlossen in einer Aufbewahrungsbox für Teebeutel, die ich für Game Boy-Cartridges zweckentfremde. Vielleicht kann ich eines Tages meinen Mut zusammennehmen, das Spiel herauskramen und einen Versuch ins Unbekannte wagen. Und vielleicht habe ich dann eine neue Geschichte für unsere Memory Lane zu erzählen.
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