Lotus Lantern: Rescue Mother (Review)

Artwork und Logo zu Lotus Lantern: Rescue Mother

Vor einigen Jahren hat mich das Roguelite Hades enorm begeistern können. Und nicht nur mich, ein OpenCritic-Score von 94 lässt zumindest auf eine breite Freude am Spiel schließen. Ganz zu schweigen von Sandras gestempelter Review! Es ist daher kein Wunder, dass mit der Zeit auch Nachahmer ihren Weg auf den Markt finden. Heute beispielsweise erscheint mit Lotus Lantern: Rescue Mother ein chinesischer “Klon”  des beliebten Roguelites. Doch abseits der chinesischen Folklore habe ich nicht viel entdecken können, was dem Spiel seine ganz eigene Identität verpasst hat.

Unsterblich dank der Lotus Lantern

Doch nun schieben wir die waghalsigen Abenteuer des griechischen Gottessohnes mal komplett beiseite, was hat Lotus Lantern: Rescue Mother für sich alleinstehend zu bieten? Wir schlüpfen in die Haut des jungen Chenxiang, der in eine ganz schlimme Familienfehde hineingeboren wurde. Weil sich seine Mutter Sanshengmu als Göttin mit einem Sterblichen eingelassen und ein Kind gezeugt hat, entführte ihr Bruder sie kurzerhand auf den Berg Hua. Wir blieben in der Obhut des zweigesichtigen Sun Wukong und trainierten dafür, unsere Mutter eines Tages zu befreien.

Dieser Tag ist endlich gekommen! Todesmutig beginnen wir, unterstützt von anderen Unsterblichen, den Aufstieg. Doch wir stoßen viel zu früh an unsere Grenzen und sterben einen unbarmherzigen Tod. Doch dank der namensgebenden Lotus Lantern ist es uns auch als Sohn eines Sterblichen möglich, wieder quicklebendig in unserem Zimmer aufzuwachen. Praktisch!

Wir begegnen auf unserer immer wieder neu startenden Reise viele mystische Figuren aus der chinesischen Folklore. Sun Wukong beispielsweise ist uns im Westen am ehesten als König der Affen aus dem Roman Die Reise nach Westen bekannt. Ich mag sowas, da ich gerne in einem Videospiel komplett neue Kulturen und neue Interpretationen kennenlerne. Leider schafft es Lotus Lantern nicht, die Gespräche mit den Unsterblichen auf irgendeine Weise spannend, tiefgründig oder anderweitig interessant zu gestalten. Mir fehlte da ein wenig Charakter, was aber sicherlich auch an der Übersetzung des Spiels aus dem Chinesischen ins Englische liegen kann.

Mit der Sprache auf Kriegsfuß

Die Lokalisierung von Lotus Lantern ist aber prinzipiell…nennen wir es ausbaufähig. Das Voice Over blieb chinesisch, was für manche sicherlich ein Grund wäre, das Spiel nicht anzufassen. Mir hat die Sprache auch auf persönlicher Ebene nicht getaugt, was aber viel mehr an Gewöhnung liegt. Wenn asiatische Medien bei mir konsumiert werden, dann japanische oder koreanische. Hätte ich Chinesisch so oft gehört wie diese beiden Sprachen, wäre das bei mir sicherlich kein Problem gewesen.

Problematischer sieht es hingegen beim Interface aus. Die genutzten Schriftarten passen gar nicht in den Artstyle von Lotus Lantern: Rescue Mother hinein und wirken sehr künstlich “drauf geklebt”. An einigen Stellen wird es sogar hässlich und unübersichtlich. Immer dann, wenn der Text aus seinen heimischen Boxen ausbricht. Oder Dialogzeilen sind nicht allzu leserlich, wenn sie auf den falschen Hintergrund überlappen oder Stücke fehlen. Oder Formatierungscode im lesbaren <v>Text</v> (sic!) vorkommt. Und ganz besonders: Wenn gar nicht erst übersetzt wurde, wie bei dem unten anschaulichen Beispiel.

Ein spaßiger Actioner mit Schluckauf…

Dies ist vor allem dann ärgerlich, wenn Spielinformationen für uns nicht einsehbar sind. Lotus Lantern: Rescue Mother ist nämlich ein sehr komplexes Action-Roguelite. Zu Beginn wählen wir aus, welche Waffe wir mitnehmen wollen, um in den zahlreichen Leveln des Mt. Hua unseren Feinden ein schweres, aber auch schnelles Ableben zu gewähren. Jede Waffe hat ihre eigenen Fähigkeiten, Vorzüge und Nachteile. Mir gefiel es sehr, die um mich herumschwirrenden Glocken-Porzellan-Dingern (keine Ahnung, was das wirklich war) als Fernkampfwaffe à la Pfeil und Bogen zu gebrauchen. Das schien mir sehr einzigartig und mit viel Potenzial nach oben.

Anschließend erleben wir Ebene für Ebene, nach jeder gibt es eine Belohnung, die unser Repertoire an Fähigkeiten weiter optimiert. Sei es durch Veränderungen der eigenen Attribute oder durch komplett neue Angriffsoptionen. Ich hatte allerdings leider nie den Eindruck, dass im Verlaufe meiner Versuche starke Synergien entstanden, die mir abseits der Zahlen komplett neue Möglichkeiten boten. So etwas erwarte ich bei einer solchen Art von Roguelite.

Das reine Kampfgameplay kann zuweilen sehr spaßig werden. Wir haben jeweils Standardangriff und Magieangriff sowie ein schier endloses Ausweichen. Letzteres wirkte gerade zu Beginn übermächtig, da der Cooldown für das Ausweichen enorm kurz ist und die iFrames dementsprechend lang erscheinen. Irritiert hat es mich zuweilen, wenn mein Controller beim Ausweichen vibrierte, als sei ich getroffen worden. Aber meine HP waren unangetastet, oha? Solche kleinen “Verwirrungen” hatte ich leider irgendwie zu oft bei Lotus Lantern.

…und einer gehörigen Prise Rogue

Gelingt es uns dann eine Arena zu säubern, winkt uns eine Belohnung, die wir in der Form vorher bei der Wahl der Ebene ausgewählt haben. Doch auch wenn die Kämpfe gegen die Massen an Monstern unterhaltsam sein können, leiden sie doch immer wieder an ihrer Übersichtlichkeit und ihrem Pacing.

Bewegtbild zu Lotus Lantern: Rescue Mother

Neue Gegnertypen ab Levelbereich 2 werden beispielsweise nicht langsam eingeführt, sondern direkt in einem großen Trupp. Die Zwischen- und Endbosse hingegen haben mir schon sehr deutlich gezeigt, welches Potenzial in Lotus Lantern und seinen Systemen steckt. Dann gibt es nur uns und den Gegner, sowie die Kraft der Unsterblichen.

Und wenn dieser Kampf dann leider nicht zu unseren Gunsten ausgeht, dann erwachen wir wieder vor unserer Lotus Lantern und wagen den nächsten Versuch. Einzelne Ressourcen nehmen wir aus dem vorangegangenen Versuch mit, um unsere Attribute weiter zu steigern oder Artefakte zu ergattern, welche unseren Start-Build dementsprechend variieren können.

Ein letzter Vergleich von Lotus Lantern zu Hades

Aber man kommt bei Lotus Lantern am Ende des Tages nicht davon weg, den Titel nicht mit Hades zu vergleichen. Strukturell ist alles identisch aufgebaut, der Fokus auf Folklore mit Versuchs-überspannender Narrative ist identisch und viele Ideen sind 1 zu 1 übernommen. Ich mag beispielsweise die Hydra am Ende von Welt 2 in Hades. Und jetzt ratet mal, wie der Bossgegner in Welt 2 von Lotus Lantern aussieht!

Doch es wäre zu gemein, die Messlatte bei seinem Vorbild anzulegen. Als eigenständiges Spiel kann Lotus Lantern: Rescue Mother immer wieder für überzeugende Momente sorgen. Vor allem die Bosskämpfe haben es mir spielerisch angetan. Und die Komplexität der Fähigkeiten und Builds habe ich noch lange nicht ausgeschöpft. Doch dann sehe ich wieder die klare Inspiration durchscheinen und an entscheidenden Stellen schwächelt Lotus Lantern. Pacing und Arenakämpfe – zu schnell unübersichtlich. Gegnerdesign – hier und da geklaut. Dialogsystem – sehr oberflächlich nachempfunden. Dass die Lokalisierung in englischer Sprache an vielen Stellen das Roguelite extrem unfertig erscheinen lässt, ist da nur die Kirsche auf der nicht ganz sauber geschlagenen Sahne. Mit ein wenig mehr Zeit und ein einigen Patches könnte Lotus Lantern richtig stark werden.

Chinesische Folklore ein Stück weit näher am PC kennengelernt. Ein herzlicher Dank geht an Unstable und 663 Games für die Bereitstellung eines Mustercodes.