
Tunic hat einen sehr langen Entwicklungsprozess hinter sich, bevor es vor zwei Jahren endlich das Licht der Videospielwelt erblicken konnte. Die namensgebende grüne Tunika, die der Fuchs, den man in Tunic spielt, trägt, hat zwar einige Zelda-Vergleiche nach sich gezogen, doch tatsächlich geht Tunic einen eigenen Weg, der mit Zelda höchstens auf einer oberflächlichen Ebene etwas zu tun hat.
Im Mittelpunkt der Spielerfahrung von Tunic steht die Erkundung. Das beschränkt sich hier nicht auf die Erkundung der Spielwelt, sondern erfasst gleichsam die Spielmechaniken mit. Gleich zu Beginn wird man bemerken, dass Tunic keine dem Spieler bekannte Sprache zu sprechen scheint, sondern sich mit einer Fantasie-Schrift begnügt. Diese Schrift wird an vielen Stellen im Spiel verwendet, so dass Tunic ein wenig den Eindruck eines japanischen Importspiels (für Menschen, die nicht wie mein Kollege Thomas des Japanischen mächtig sind) erweckt. Allerdings möchte Tunic den Spieler nicht ganz auf sich allein gestellt lassen. Zu diesem Zweck bietet das Spiel eine interne Anleitung, die sich schnell zu einem Herzstück Tunics entwickelt.

Die digitale Anleitung hat zu Beginn des Spiels nur wenige Seiten, man kann allerdings im Laufe des Spiels immer wieder einzelne Blätter der Anleitung finden und der Anleitung hinzufügen. Am Ende hat die Anleitung mit mehr als 50 Seiten einen stattlichen Umfang. Die Anleitung nutzt eine Kombination aus natürlicher Sprache und er Tunic-Sprache, erklärt aber viele Dinge im Spiel schon sehr leicht verständlich mit einer Mischung aus Deutsch und sprechender Ikonographie. Auf diese Weise erhält man im Laufe des Spiels gelegentlich vermeintlich neue Fähigkeiten, die man eigentlich bereits die ganze Zeit hätte anwenden können – der Wandsprung aus Super Metroid lässt grüßen. Zusätzlich ist die Anleitung auch der Schlüssel zu dem zentralen Rätsel im Spiel. Trotz der optischen Ähnlichkeit zu Zelda verzichtet Tunic nämlich weitgehend auf Rätsel und hat nur einen einzigen Rätseltyp, der zwar in meinen Augen stark überstrapaziert wird, aber doch auf kreative Weise mit dem gesamten Spiel verwoben eingesetzt wird. Kern dieses Rätsels ist es, aus versteckten Hinweisen Muster eines bestimmten Typs zu extrahieren.
Im Mittelpunkt des Spiels steht ansonsten die Erkundung. In zwei Runden muss man erst zwei, dann drei Hauptaufgaben erledigen, um das Spiel durchzuspielen. Jede Hauptaufgabe korrespondiert zu einem Gebiet in der Spielwelt. Diese Aufgaben werden einem nicht, wie in vielen anderen Spielen üblich, durch textuelle Erläuterungen oder Videosequenzen nahegelegt, sondern sind in der Anleitung dargelegt. Die Führung im Spiel ist dennoch echt lose; das Finden der jeweiligen Gebiete ist auf Grund der fragmentierten Weltenkarte mit nur teilweise verzeichneten Übergängen ein wenig auf das eigene Glück beim Ausprobieren angewiesen. Zudem ist es so, dass das Spiel teilweise suggeriert, dass man eine Wahlfreiheit bei der Reihenfolge von Hauptaufgaben hat, die gar nicht existiert, da der Fortschritt in einem Gebiet von einer an ein Item aus einem anderen Gebiet gebundenen Fähigkeit abhängt. In meinem Durchgang durch das Spiel hat das zu einigen frustrierenden Momenten in einem Gebiet mit sehr unangenehmen Umgebungseffekten geführt. Ich habe das Gebiet über eine als Abkürzung gedachte Alternativroute betreten, so dass ich das Gebiet quasi von hinten nach vorne erkundet habe und dann erst ganz am Ende herausgefunden habe, dass mir eine Fähigkeit fehlt, um das Gebiet abschließen zu können.

Der letzte zentrale Aspekt des Spiels ist das Kampfsystem, das in meinen Augen von durchschnittlicher Qualität ist und auf eine mittlerweile sehr weitverbreitete Mischung aus Schwertkampf und Rolle mit i-Frames setzt. Die Kämpfe können durchaus ziemlich schwierig werden, besonders wenn man noch nicht alle Mechaniken des Spiels verstanden hat. Allerdings sollte sich hierdurch auch niemand abschrecken lassen. Die Kämpfe können optional deutlich einfacher gestaltet werden und die Ausdauerleiste kann sogar komplett deaktiviert werden – was ich als Spieler, der keine Ausdauerleisten mag auch schnell genutzt habe.
Die Präsentation von Tunic ist sehr gut gelungen. Die niedliche Optik wird durch einen mystischen Anstrich gut ergänzt und die Einbindung des Rätselkonzepts des Spiels in die Weltgestaltung ist organisch. Auf akustischer Ebene ist mir von Tunic nichts nennenswertes im Gedächtnis geblieben, die ruhigen Töne des Spiels stören aber nie und stützen die Atmosphäre des Spiels auf angemessene Weise.

Tunic ist ein Spiel, das vor allem für Spieler, die viel Freude daran haben, sich selbst Mechaniken und Welt mit rudimentären oder etwas kryptischen Informationen zu erschließen, geeignet ist. Viele Ideen des Spiels sind sympathisch und frisch, allerdings ist die Umsetzung in meinen Augen oftmals ein wenig holprig.

Getestet auf Xbox Series X.